Das Thema
Die EntgTrRL (Richtlinie [EU] 2023/970 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10.05.2023) stellt einen weiteren Schritt in den Bemühungen der Europäischen Kommission dar, die Entgeltgleichheit zwischen Männern und Frauen zu fördern und Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts zu bekämpfen. Trotz bestehender gesetzlicher Rahmenbedingungen bestehen weiterhin geschlechtsspezifische Lohngefälle, welche durch mangelnde Transparenz und rechtliche Unsicherheiten verstärkt werden. Die EntgTrRL zielt darauf ab, genau diese Lohngefälle zu verringern und mehr Transparenz in der Vergütungspraxis zu schaffen. Für Arbeitgeber bedeutet dies allerdings, dass sie sich auf neue rechtliche Anforderungen einstellen müssen.
Dieser Beitrag ist der Auftakt einer Reihe zum Thema Entgelttransparenz und der einzuhaltenden Vorgaben. Sie startet mit einem Überblick über die aktuellen Entwicklungen und die bevorstehenden Änderungen, welche auf Arbeitgeber mit der Umsetzung der EntgTrRL zukommen werden. In weiteren Beiträgen werden sukzessive folgende Themen näher beleuchtet: Auswirkungen auf den Bewerbungsprozess, Mitteilungs- und Auskunftspflichten für alle Arbeitgeber, Berichtspflichten bei Überschreiten bestimmter Schwellenwerte, betriebliche Mitbestimmung, Datenschutz und Entgelttransparenzinformationen, (gerichtliche) Geltendmachung und Beweislast.
Hintergrund
Die Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern ist keine neu aufgekommene Thematik. Bereits seit 1957 besteht der Rechtsanspruch auf gleiches Entgelt für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit. Die Entgeltgleichheit zwischen Männern und Frauen wurde in Deutschland bisher durch verschiedene gesetzliche Regelungen und Initiativen gefördert. In Deutschland bilden hierbei das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) zentrale Instrumente.
Der Anspruch auf gleiches Entgelt ist heute insbesondere in folgenden Regelungen verankert:
Art. 157 AEUV,
Art. 4 der Richtlinie 2006/54/EG und
§§ 3 Abs. 1 und 7 EntgTranspG.
Das EntgTranspG, welches 2017 in Kraft trat, gibt Beschäftigten das Recht, Auskunft über die Kriterien und Verfahren der Entgeltfindung zu verlangen. Durch die Auskunftsrechte soll eine erhöhte Transparenz in den betrieblichen Entgeltstrukturen und Lohnfindungsprozessen erreicht werden. Diese Lohntransparenz zielt darauf ab, das Problembewusstsein bei Arbeitgebern zu schärfen und sie dabei zu unterstützen, diskriminierende geschlechtsspezifische Lohnunterschiede zu vermeiden. Dennoch bestehen weiterhin Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen.
Aktueller Stand der EntgTrRL und zu erwartende Änderungen des EntgTranspG
Die EntgTrRL zielt nun darauf ab, die bestehenden Lücken in der Entgeltgleichheit zu schließen. Die Richtlinie umfasst insgesamt 37 Artikel, welche Mindeststandards für die Mitgliedstaaten festlegen. Diese Standards sollen die Entgeltgleichheit zwischen Männern und Frauen durch erhöhte Transparenz und erleichterte Durchsetzung von Ansprüchen fördern. Die Richtlinie gilt sowohl für den öffentlichen als auch den privaten Sektor, ohne generelle Ausnahmen für Kleinst- oder Kleinunternehmen. Sie sieht vor, dass Unternehmen mit mindestens 250 Beschäftigten regelmäßig Berichte über die Entgeltstruktur erstellen und veröffentlichen müssen. Zudem sollen Beschäftigte das Recht erhalten, Informationen über das durchschnittliche Entgelt von Kolleginnen und Kollegen in vergleichbaren Positionen zu erhalten.
Mit der Umsetzung der EntgTrRL bis zum 07.06.2026 wird es notwendig sein, das bestehende EntgTranspG, anzupassen, um den Anforderungen der EntgTrRL entsprechen zu können. Folgende Änderungen sind u.a. zu erwarten:
- Änderung und Erweiterung des Auskunftsanspruchs: Der Auskunftsanspruch wird auf Unternehmen mit weniger als 200 Beschäftigten ausgeweitet. Einzelne Auskunftsansprüche werden nunmehr auch im Bewerbungsprozess bestehen.
- Verpflichtende Berichterstattung: Unternehmen mit mindestens 250 Beschäftigten müssen regelmäßig über ihre Entgeltstrukturen berichten.
- Sanktionen bei Verstößen: Es werden strengere Sanktionen für Verstöße gegen die Transparenzanforderungen eingeführt.
Neue Anforderungen in vielen Bereichen
Die Richtlinie enthält Anforderungen und Instrumente, welche ein Umdenken in vielen Bereichen erfordern. Den Gesetzgeber wird die Umsetzung der EntgTrRL in deutsches Recht vor erhebliche Aufgaben stellen, weswegen die Umsetzungsfrist von Anfang an intensiv genutzt werden sollte. Spätestens zu Beginn der nächsten Legislaturperiode des Deutschen Bundestages muss das EntgTranspG überarbeitet und an die neue Richtlinie angepasst werden.
Unternehmen sollten sich frühzeitig auf die bevorstehenden Änderungen einstellen und entsprechende Vorbereitungen treffen, um rechtzeitig auf die neuen Anforderungen reagieren zu können. Einige dieser Anforderungen sind seit Langem bekannt und beruhen auf wesentlichen Entscheidungen des EuGH zu Art. 157 AEUV und Art. 4 der Richtlinie 2006/54/EG. Diese Prinzipien finden auch in den Urteilen des BAG zur Entgeltgleichheit und Entgelttransparenz ihren Niederschlag. Die EntgTrRL konkretisiert diese bestehenden Grundlagen und ergänzt sie durch verbindliche Vorgaben.
Das EntgTranspG vom 30.06.2017 hat in Deutschland zwar einen bescheidenen Fortschritt in Richtung Entgeltgleichheit erzielt, gleichwohl blieb es hinter den Erwartungen der Europäischen Union zurück. Dennoch hat es zu juristischen Diskussionen und zu grundlegender Rechtsprechung beitragen können, etwa zum Auskunftsanspruch oder zur Entgeltungleichheit wegen besserem Verhandlungsgeschick. Insbesondere eine der neueren Entscheidungen des BAG (Urt. v. 16.02.2023 – 8 AZR 450/21; vgl. dazu den EFAR-Beitrag „Equal Pay – Verhandlungsgeschick kein objektives Differenzierungskriterium für Entgeltungleichheit“) zum Thema Entgeltgleichheit bei Frauen und Männern zeigt die Risiken intransparenter Vergütungssysteme für Arbeitgeber. Das BAG erkannte eine geschlechterspezifische Benachteiligung, da ein männlicher Kollege aufgrund besseren Verhandlungsgeschicks trotz gleicher Arbeit besser bezahlt wurde. Nach Ansicht des BAG stellt Verhandlungsgeschick kein geeignetes objektives Differenzierungskriterium zur Rechtfertigung einer Entgeltungleichheit dar. Diese Entscheidung ist eine von vielen, welche verdeutlicht, dass Arbeitgeber den Anforderungen an Entgeltgleichheit entsprechen sollten, um teure Streitigkeiten oder Sanktionen zu vermeiden.
Trotz mehr als sechs Jahrzehnten des ausdrücklichen Verbots von Entgeltdiskriminierung sieht die Europäische Union weiterhin zu wenig Fortschritte und setzt nun auf eine andere Gangart. Die EntgTrRL verlangt deshalb wesentliche Anpassungen des EntgTranspG und möglicherweise weiterer Gesetze. Die hierfür vorgesehene dreijährige Umsetzungsfrist ist darauf ausgelegt, Unternehmen die Möglichkeit zu geben, diskriminierungsfreie Vergütungsstrukturen zu etablieren. Diese Zeitspanne ist nicht als Wartefrist gedacht, sondern soll intensiv genutzt werden, um den hohen Anforderungen der Richtlinie entsprechen zu können. Dies betrifft insbesondere alle Arbeitgeber, die neue Pflichten zu erfüllen haben.
Fazit und Handlungsempfehlung
Die EntgTrRL stellt zwar einen weiteren wichtigen Schritt in Richtung Entgeltgleichheit zwischen Männern und Frauen dar. Für Arbeitgeber bedeutet dies jedoch, dass sie sich auf neue rechtliche Anforderungen einstellen müssen. Unternehmen ist daher geraten, frühzeitig Vorkehrungen zu schaffen. Unternehmen sollten ihre Entgeltstrukturen überprüfen, gegebenenfalls Schulungen durchführen und sicherstellen, dass sie die neuen Transparenzanforderungen erfüllen können. Nur so können sie langfristig eine faire und transparente Vergütungspraxis gewährleisten, ohne dem Risiko von Sanktionen entgegenzulaufen.
Bei der Umsetzung der auf die Unternehmen zukommenden neuen Anforderungen werden die weiteren Beiträge der Themenreihe eine wertvolle Hilfestellung bieten.