Das Thema
Ein Projektmanager war seit 2017 bei einer Gesellschaft im Bereich der industriellen Planung und Realisierung beschäftigt. Ab 2020 arbeitete er – zunächst anlassbezogen aufgrund der Pandemie und in der Folge unverändert – mit Zustimmung des Arbeitgebers zu etwa 80 % im Homeoffice und betreute von dort aus verschiedene, teils international ansässige Kunden. Im März 2023 beschloss der Arbeitgeber, den bisherigen Standort des Mitarbeiters zu schließen, widerrief die Homeoffice-Erlaubnis und wies den Beschäftigten an, seine Tätigkeit ab Mai 2023 an einem 500 Kilometer entfernten Standort in Präsenz fortzusetzen. Hilfsweise sprach das Unternehmen eine Änderungskündigung aus, um die geänderten Bedingungen durchzusetzen.
Was entschied das LAG Köln?
Das LAG Köln (Urt. v. 11.07.2024 – 6 Sa 579/23) stellte fest, dass der Arbeitgeber zwar grundsätzlich das Recht hat, den Arbeitsort zu bestimmen und Weisungen zu erteilen (§ 106 GewO). Jedoch muss er dabei die Grenzen des billigen Ermessens wahren und die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers angemessen berücksichtigen. Im vorliegenden Fall hatte dieser ein erhebliches Interesse daran, weiterhin im Homeoffice zu arbeiten, da er dort familiär und sozial verankert ist. Das Unternehmen konnte keine überwiegenden betrieblichen Gründe darlegen, die eine Präsenz am entfernten Standort erforderlich machen würden. Die pauschale Berufung auf ein unternehmensweites Präsenzkonzept reichte hierfür nicht aus. Dies galt umso mehr, da der Mitarbeiter seine Aufgaben bisher erfolgreich aus dem Homeoffice erfüllt hatte und der Kontakt zu den Kunden überwiegend telefonisch oder per Computer erfolgte.
Folglich erklärte das Gericht sowohl die Versetzung als auch die hilfsweise ausgesprochene Änderungskündigung für unwirksam.
Weisungsrecht des Arbeitgebers und billiges Ermessen
Das LAG betonte, dass der Widerruf der Homeoffice-Erlaubnis und die Versetzung an einen weit entfernten Standort nur dann gerechtfertigt sind, wenn sachliche Gründe vorliegen, die die Interessen des Beschäftigten überwiegen.
Bei der Prüfung, ob die Weisung des Arbeitgebers, die Arbeitsleistung künftig wieder ausschließlich in Präsenz zu erbringen, die Grenzen des billigen Ermessens wahrt, überwogen die Interessen des Arbeitnehmers. Dieser war seit der Pandemie überwiegend im Homeoffice tätig und in der näheren Umgebung familiär sowie sozial verankert. Das Unternehmen hatte hingegen lediglich pauschal vorgetragen, dass die Arbeitskultur Präsenzarbeit erfordere. Eine Konkretisierung, warum dies zwingend sei und dieselbe Arbeitsleistung nicht ebenfalls aus dem Homeoffice erbracht werden könne, erfolgte nicht.
Kein Angebot einer Kostenbeteiligung durch den Arbeitgeber
Im vorliegenden Fall setzte der Arbeitgeber dem Mitarbeiter zudem eine kurze Frist von lediglich knapp zwei Monaten für die Aufnahme der Präsenztätigkeit an einem Standort, der rund 500 km entfernt war. Diese zeitliche Vorgabe war angesichts der beträchtlichen Distanz und der damit verbundenen praktischen Herausforderungen unzureichend. Eine derart kurze Frist mache es dem Beschäftigten nahezu unmöglich, eine geeignete Unterkunft in der Nähe des neuen Arbeitsortes zu finden.
Darüber hinaus unterließ es das Unternehmen, dem Arbeitnehmer jegliche Unterstützungsmöglichkeit anzubieten, die dazu beigetragen hätte, die mit einem Umzug und der Rückkehr in die Präsenzarbeit verbundenen Belastungen abzumildern. Insbesondere wurde weder angeboten, Hotelkosten zu übernehmen noch Pendelkostenzuschüsse oder andere Hilfen bereitgestellt, die ihn in dieser Übergangsphase hätten entlasten können.
Fazit – Bedeutung für die Praxis
Die Pandemie hat zu einer verstärkten Nutzung von Homeoffice geführt, jedoch sind die Voraussetzungen für die Ausübung und den Widerruf häufig nicht klar geregelt. Um rechtliche Unsicherheiten und potenzielle gerichtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden, empfiehlt es sich, ausdrücklich klare Regelungen zur Arbeit im Homeoffice zu treffen. Dies gilt insbesondere für den Widerruf der Homeoffice-Erlaubnis (vgl. zum Thema auch den EFAR-Beitrag „Homeoffice, Workation und Co. vs. Präsenzpflicht in Unternehmen: Rechtlicher Rahmen für „Rückholaktionen“).
Eine geplante „Rückkehr“ aus dem Homeoffice erfordert zudem Sensibilität und eine klare Kommunikation seitens des Arbeitgebers. Hier empfiehlt sich regelmäßig Folgendes:
- Vertragliche Vereinbarungen treffen:
Ergänzen oder aktualisieren Sie die Arbeitsverträge um klare, detaillierte Regelungen zur Homeoffice-Arbeit. Bestimmen Sie explizit, unter welchen Voraussetzungen eine Homeoffice-Tätigkeit möglich ist und welche Bedingungen gelten. Achten Sie darauf, auch die Frage des Widerrufs der Homeoffice-Erlaubnis zu klären. - Widerrufsklauseln:
Definieren Sie klare, nachvollziehbare Gründe, unter denen ein Widerruf der Homeoffice-Erlaubnis erfolgen kann. Vermeiden Sie vage Formulierungen, die zu Unsicherheiten und Konflikten führen könnten. - Berücksichtigung des billigen Ermessens:
Stellen Sie sicher, dass beim Widerruf der Homeoffice-Erlaubnis das „billige Ermessen“ gewahrt bleibt. Das bedeutet, dass die Interessen der Mitarbeiter angemessen berücksichtigt werden. Hierbei sollten Sie insbesondere deren berufliche und private Situation in den Entscheidungsprozess einbeziehen. - Unterstützungsangebote machen:
Wenn die Rückkehr ins Büro mit logistischen oder finanziellen Belastungen für die Beschäftigten verbunden ist, können Sie entsprechende Unterstützung anbieten. Dies kann in Form von Kostenzuschüssen oder zusätzlichen Fristen zur Umstellung erfolgen und vermag das billige Ermessen regelmäßig positiv zugunsten des Arbeitgebers beeinflussen.