Das Thema
Im Falle einer Betriebsänderung, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben können, haben Betriebsräte (nachfolgend: BR) in Unternehmen mit in der Regel mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern Mitbestimmungsrechte, die zu wahren sind. Hierzu zählen die Einschränkung und Stilllegung des ganzen Betriebs oder Teilbetriebs. Es kommt entscheidend darauf an, ob mindestens 5% der Belegschaft von den Maßnahmen betroffen sind oder ob die betroffenen Mitarbeitenden die Schwellenwerte des § 17 Abs. 1 KSchG erreichen. Ist dies der Fall, hat der zustände BR einen Anspruch auf die Verhandlung über einen Interessenausgleich und den Abschluss eines Sozialplans.
Zuständiges Gremium
Vor der Durchführung der Verhandlung ist zunächst festzustellen, welcher BR zuständig ist. Zu unterscheiden ist dabei die Verhandlung über den Interessenausgleich einerseits und die Verhandlung über den Sozialplan andererseits. Aus der Zuständigkeit über die Verhandlung zum Interessenausgleich folgt nicht zugleich die Zuständigkeit desselben Gremiums für die Verhandlung über den Sozialplan.
- Für die Verhandlungen über einen Interessenausgleich ist grundsätzlich der örtliche BR zuständig. Die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats (GBR) ist nur gegeben, wenn der geplante Personalabbau das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe desselben Unternehmens betrifft und nicht durch die einzelnen BRe innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden kann. Die Zuständigkeit des GBR kann sich beispielsweise im Falle einer Stilllegung mehrerer oder aller Betriebe ergeben oder wenn die Personalabbaumaßnahme in einer unternehmenseinheitlichen bzw. betriebsübergreifenden Planung ihren Ursprung hat.
- Die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats (KBR) lässt sich mit denselben Grundsätzen auf Konzernebene herleiten, etwa wenn in mehreren Betrieben mehrerer Unternehmen Personalabbaumaßnahmen durchgeführt werden sollen, die auf einer unternehmensübergreifenden, einheitlichen Planung beruhen.
- Für Verhandlungen über den Abschluss eines Sozialplans ist grundsätzlich der örtliche BR zuständig. Eine Zuständigkeit des GBR ist nur gegeben, wenn eine nach Betrieben differenzierte Kompensationsregelung ausgeschlossen ist, bspw. weil der Sozialplan überbetriebliche Versetzungen vorsieht. Eine Zuständigkeit des KBR kommt in vergleichbaren Fällen in Betracht. Dass das Sozialplanvolumen unternehmens- oder konzernweit kalkuliert wird, führt allerdings nicht zur Zuständigkeit des GBR oder KBR.
- Zuletzt kann sich die Zuständigkeit durch einen Delegationsbeschluss des zuständigen BR an den GBR (oder des GBR an den KBR) ergeben. Dies erfordert, dass alle Betriebsräte der Delegation an GBR bzw. KBR zustimmen, ist in der Praxis aber ein häufig gewähltes Mittel, um die Zuständigkeit sicher festzulegen. Das bedeutet aber auch, dass weiter eng mit den lokalen BRen z.B. bei Fragen der Sozialauswahl und Wahrung der Mitbestimmungsrechte (etwa §§ 99, 102 BetrVG und § 17 KSchG) zusammengearbeitet werden muss.
- Rechtlich nicht mehr möglich ist es, dass sämtliche Gremien den Interessenausgleich bzw. den Sozialplan unterzeichnen, um sicherzustellen, dass kein unzuständiges Gremium diese abgeschlossen hat. Denn es ist dann nicht ersichtlich, welcher BR die Verhandlungen geführt und abgeschlossen hat (sog. Grundsatz der Normenklarheit). Es muss also klar sein, ob es sich um eine BV oder GBR- oder KBR-Vereinbarung handelt.
Vorbereitung der Verhandlungen – Verhandlungsteams
Steht der Verhandlungspartner fest, sind die Verhandlungen vorzubereiten. Der erste Schritt ist, das Verhandlungsteam auf Seiten des Arbeitgebers festzulegen. In der Praxis hat sich bewährt, dass mindestens eine Person aus der Personalabteilung sowie ggf. eine aus der Finanzabteilung bei den Verhandlungen zugegen ist. Auch die Teilnahme der Geschäftsführung erwies sich in der Praxis als positiv.
Im Gegenzug ist zu berücksichtigen, dass selbst im Falle eines Delegationsbeschlusses etwa auf den GBR dennoch die lokalen BRe an den Verhandlungen teilnehmen sollten. Sie haben die erforderlichen Kenntnisse über die jeweiligen betrieblichen Gegebenheiten und können so zu schnelleren Lösungen beitragen. Wie man die Verhandlungen strategisch aufsetzt, hängt natürlich von der jeweiligen Betriebsänderung und der Besonderheit im Unternehmen ab. Darüber sollte man sich aber vor Verhandlungsbeginn klar sein.
Vorbereitung von Dokumenten
Die geplante Maßnahme sollte mittels einer Präsentation dem BR erläutert und insbesondere die Ist- sowie die Soll-Struktur aufgezeigt werden.
Dokumente zur Durchführung der Personalabbaumaßnahme sind arbeitgeberseitig vorzubereiten und dann dem BR zur Verfügung zu stellen. Zu den vorzubereitenden Dokumenten zählen zum einen der Interessenausgleich und Sozialplan und zum anderen Anhörungen zu etwaigen Versetzungen nach § 99 BetrVG oder etwaigen Kündigungen nach § 102 BetrVG. Die vorzeitige Vorbereitung der Dokumente führt zu wichtigen Zeitersparnissen, da man parallel an unterschiedlichen Mitbestimmungsrechten des BR arbeitet.
Parallel dazu muss die Massenentlassungsanzeige vorbereitet werden, sofern die Schwellenwerte des § 17 Abs. 1 KSchG erreicht sind. Einen Überblick dazu gibt der Beitrag „Massenentlassungsanzeige – Wo ist sie zu stellen und welche Beschäftigten aus welchen Betrieben sind zu berücksichtigen?“. Über die für die Massenentlassungsanzeige erforderlichen Informationen ist der BR ebenfalls zu informieren, etwa über
- die Gründe der Entlassungen,
- die Berufsgruppen der zu entlassenden Mitarbeitenden oder
- den Zeitraum der beabsichtigten Entlassungen.
Planung und Durchführung der Verhandlungen
Wichtig ist, die Verhandlungen bzw. Verhandlungstage bereits im Vorfeld sorgfältig zu planen und vorzubereiten, also die Themen und Probleme schon vorab zu kennen und Lösungen dafür am Verhandlungstisch aufzuzeigen. Häufig reichen 4 oder 5 Verhandlungstage nicht aus, insbesondere nicht bei größeren, komplexeren Personalabbaumaßnahmen.
In der Praxis hat sich bewährt, mit den BRen vorab Verhandlungstage zu vereinbaren. Üblich ist auch, arbeitgeberseitig vor Verhandlungsbeginn das Sozialplanvolumen zu ermitteln.
Inhalt des Interessenausgleichs und Sozialplans
Gegenstand des Interessenausgleichs ist es, die geplanten Maßnahmen zu beschreiben und zu regeln: Es wird festgehalten, ob die Maßnahme überhaupt durchgeführt wird, wie sie durchgeführt wird, wann sie durchgeführt wird und dabei die Interessen des Arbeitgebers und die der Belegschaft in Einklang zu bringen. Teil der Verhandlung sollte neben der Maßnahme auch die Frage sein, ob eine Namensliste über die Personen, die eine Kündigung erhalten sollen, aufgestellt wird. Dies gibt Arbeitgebern in späteren etwaigen Kündigungsschutzverfahren eine größere Sicherheit. Es wird dann gesetzlich vermutet, dass die Kündigung auf dringenden betrieblichen Gründen beruht. Die Sozialauswahl wird in diesem Fall nur auf grobe Fehlerhaftigkeit geprüft (§ 1 Abs. 5 KSchG). Die BRe sind aber bei der Vereinbarung von Namenslisten, bei denen die zu kündigenden Mitarbeiter namentlich im Interessenausgleich benannt werden, sehr zurückhaltend.
Dem gegenüber regelt der Sozialplan den Ausgleich der wirtschaftlichen Nachteile für die Belegschaft. Typische Regelungen sind Abfindungsregelungen. Diese können ergänzt werden, beispielsweise durch Sprinterprämien, Outplacement Maßnahmen oder Kinder-Zuschläge. In Fällen von Versetzungen kann bspw. die Übernahme von etwaigen Umzugskosten festgehalten werden. Freiwilligenprogramme sind ebenfalls bewährte Mittel für den Sozialplan.
Der Abschluss eines Interessenausgleichs ist – anders als der des Sozialplans – nicht erzwingbar. Das bedeutet, dass im Falle des Scheiterns der Verhandlungen über den Interessenausgleich der Arbeitgeber die geplante Maßnahme umsetzen kann. Im Falle des Scheiterns der Verhandlungen wird eine Einigungsstelle eingesetzt. Diese kann nur für den Sozialplan eine Entscheidung durch Spruch treffen, nicht aber für den Interessenausgleich.
Wie vorgehen, wenn Betriebsratsmitglieder von der Maßnahme betroffen sind?
Eine für die Praxis relevante Frage ist, wie vorzugehen ist, wenn Betriebsratsmitglieder selbst von Personalabbaumaßnahmen betroffen sind. Sie können schließlich nur außerordentlich gekündigt werden. Sie haben zudem einen bestehenden Sonderkündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 KSchG. Vordergründig ist daher die Möglichkeit einer Versetzung zu prüfen. Andernfalls bleibt die Möglichkeit eines Aufhebungsangebots. In diesem ist der bestehende Sonderkündigungsschutz zu berücksichtigen. Dieser beträgt ein Jahr ab Beendigung des Betriebsratsamtes, sodass die Kündigungsfrist ein Jahr + die vereinbarte Frist beträgt. Dies muss in der Budgetierung des Sozialplanvolumens im Auge behalten werden.
Zusammenfassung und Fazit
Eine gute Vorbereitung von Personalabbaumaßnahmen ist essenziell, um die Verhandlungen mit den BRen einzuleiten und effizient und zielorientiert zum Abschluss zu führen.
Vor Verhandlungsbeginn muss bereits geklärt sein, welches Gremium zuständig ist und wie die Personalabbaumaßnahme aussehen soll. Es sind Organigramme (Ist- und Soll-Zustand) zu erstellen. Das Sozialplanvolumen sollte bereits ermittelt sein. Auf dieser Basis lassen sich bereits erste Entwürfe eines Interessenausgleichs und Sozialplans anfertigen, die mit dem BR zu teilen sind. Parallel hierzu ist die Massenentlassungsanzeige sowie die Anhörungen nach §§ 99, 102 BetrVG vorzubereiten.
Dann ist eine gute Grundlage geschaffen, die Verhandlungen mit den BRen einzuleiten und erfolgreich im Unternehmen umzusetzen und zum Abschluss zu bringen.