Verletzung auf dem Weg zur Raucherpause
Rauchen gefährdet die Gesundheit. Das ist bekannt. Und schon auf dem Weg zum Rauchen kann etwas passieren. Das zeigt ein Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27.10.2015 (S 4 U 1189/15). Um einen Arbeitsunfall handelt es sich nach der Entscheidung des badischen Gerichts dann nicht.
Die als Monteurin tätige Klägerin hatte 15 Minuten vor ihrer regulären Pause ihren Arbeitsplatz verlassen und sich auf den Gang der Montagehalle begeben. Durch unglückliche Umstände wurde sie dort von einem Gabelstapler erfasst und am Fuß verletzt.
Nach der Unfallmeldung des Arbeitgebers kam es zu dem Unglück, als sich die Klägerin auf dem Weg nach draußen befand, um eine Zigarette zu rauchen. Diese Meldung beruhte auf den Angaben eines Kollegen, der den Unfall als erster zur Kenntnis genommen hatte, und wurde durch den Vorgesetzten der Monteurin so ausgefüllt.
Kein Verständnis für Raucher!
Und weil die Mitarbeiterin danach auf dem Weg zum Rauchen war, wurde das Geschehen nicht als Arbeitsunfall anerkannt. Dagegen wandte sie sich nun vor Gericht. Nach ihren Darlegungen ist sie gar nicht auf dem Weg zum Rauchen, sondern zur Toilette gewesen. Daher bestehe auch Versicherungsschutz. Nur konnte die Klägerin das Gericht nicht von ihrer Version der Geschehnisse überzeugen. Und das zeigte in seinen Ausführungen auch wenig Verständnis für die Sorgen und Nöte von Rauchern.
Das Gericht wies zunächst darauf hin, dass der „Gang zur Toilette mit dem Ziel die Notdurft zu verrichten“, eine versicherte Tätigkeit sein kann. Und „bei der Notdurft“ handle es sich „anders als bei der Zigarettenpause um eine regelmäßig unaufschiebbare Handlung, die der Fortsetzung der Arbeit direkt im Anschluss daran dient und somit auch im mittelbaren Interesse des Arbeitgebers liegt“.
Das sehen starke Raucher möglicherweise etwas differenzierter. Wer wirklich süchtig ist weiß, dass der Drang zur Zigarette oft nicht weniger stark ist, als der Drang auf die Toilette zu gehen. Und die Fortsetzung der Arbeit fällt auch erheblich leichter, wenn man nicht unter Entzugserscheinungen leidet. Aber das werden Nichtraucher kaum nachvollziehen können.
Kein Anspruch ohne Nachweis
Einen Gang zur Toilette sah das Gericht jedenfalls als „nicht nachgewiesen“ an. Es führte aus, dass in der Unfallsofortmeldung von einer Zigarettenpause die Rede war. Das hatte u.a. der Sicherheitsbeauftragte des Unternehmens zu einem späteren Zeitpunkt auch noch einmal ausdrücklich bestätigt. Und das Sozialgericht wies darauf hin, dass die Klägerin bei dem Unfall eine Packung Zigaretten bei sich trug.
Letzteres ist aber kein wirklich überzeugendes Argument, wie das Gericht selbst einräumt. „Die Kammer ist sich darüber im Klaren“, heißt es in der Entscheidung, „dass das alleinige Beisichtragen von Zigaretten kein sicherer Hinweis auf eine unmittelbar bevorstehende Zigarettenpause ist. Denn es ist allgemein bekannt, dass Raucher Zigaretten häufig bei sich führen, um gegebenenfalls auch spontan eine Zigarettenpause einlegen zu können“. Das stimmt, wie jeder Raucher bestätigen kann. Allerdings geht es dabei nicht nur um „spontane Zigarrettenpause(n)“, sondern darum, jederzeit die Sucht befriedigen zu können – auch ohne dafür zwingend eine Pause zu machen.
Keine Chance für die Klägerin
Es gab auch andere Hinweise, die gegen die von der Klägerin vorgebrachte Version sprachen. Dazu gehörte, dass der von ihr gewählte Weg zwar der kürzeste zum nächstgelegenen Raucherbereich war, zur Toilette aber auch ein anderer Weg geführt hätte.
Erwiesen sei zwar nicht, dass die Monteurin nur eine Zigarettenpause machen wollte. „Nach den Grundsätzen der objektiven Beweis- und Feststellungslast“ gehe es aber „zulasten der Klägerin, dass sich ihre Handlungstendenz bei dem Unfallereignis (…) nicht hinreichend deutlich hat nachweisen lassen.“ Und auch „in dem Fall, dass nach der Zigarettenpause sogleich die Toilette und/oder der Pausenraum aufgesucht werden sollte(n)“ bestehe kein Versicherungsschutz.
Eine Anregung zum Nachdenken?
„Schließlich“, so das badische Gericht, „lag eine Versicherung der Klägerin in der gesetzlichen Unfallversicherung bei einem Weg zur Zigarettenpause auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer besonderen betrieblichen Gefahr vor“. Zwar besteht „im Betrieb die erhöhte Gefahr, durch – zumal aufgrund des Gasantriebs sehr leise – Gabelstapler angefahren zu werden. Allerdings liegt durch die Gänge zu privat motivierten Zigarettenpausen eine deutliche Erhöhung dieser Gefahr vor, die dem Arbeitgeber nicht angelastet werden kann“.
Und damit war die Klage erfolglos. Aber vielleicht führt das Geschehen ja dazu, dass die Monteurin einmal über ihren Nikotinkonsum nachdenkt. Dann hätte es irgendwie auch sein Gutes. Durch Rauchen können bekanntlich deutlich schlimmere Krankheiten entstehen, als eine bloße Fußverletzung. Und an diese weisen Worte wird der dem Nikotinkonsum ebenfalls frönende Verfasser dieses Beitrags künftig wohl häufiger von seiner Frau erinnert werden.
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