Das Thema
KI kann sowohl in Hardwaregeräte eingebettet werden als auch rein softwarebasiert agieren. Im Zusammenspiel mit der zunehmenden Robotisierung der Industrie besteht sogar die Möglichkeit, KI als eigenständige „Arbeitskraft“ in der Produktion oder in Lagerhallen einzusetzen. Zentrale Bedeutung gewinnt KI im Betrieb durch die Möglichkeit der Effizienzsteigerung, da sie in der Lage ist, große Datenmengen in kürzester Zeit zu analysieren (vgl. EFAR-Beitrag „ChatGPT und arbeitsrechtliche Aspekte“). Als bereits weit entwickelte Einsatzfelder gelten die Personalgewinnung durch sog. HR Analytics bei der Bewerberauswahl auf Grundlage bisher getroffener (menschlicher) Entscheidungen. Zu nennen ist auch die Prozessoptimierung mittels Überwachungstools, beispielsweise im Zusammenhang mit der Auswertung von Wearables-Daten im Bereich der Logistik, noch verstärkt durch eine Gamification der Benutzeroberfläche.
Vor diesem Hintergrund ist es wenig überraschend, dass KI branchenübergreifend das Potenzial hat, die Arbeitswelt disruptiv zu verändern. In dieser zweiteiligen Reihe sollen die aktuelle arbeitsrechtliche Rechtslage (Teil 1) sowie datenschutzrechtliche Aspekte und anstehende regulatorische Entwicklungen (Teil 2) beleuchtet werden.
Diskriminierung
Sobald KI einen menschenbezogenen Output generiert, birgt ihr Einsatz wie bei manuellen Auswahlentscheidungen auch das potenzielle Risiko von Diskriminierungen. Diese rühren oftmals aus der mangelhaften Qualität der mit menschlichen Fehlern behafteten Datensätzen her. Beispielhaft sei eine KI-gesteuerte Bewerberauswahl erwähnt, die sich an bisherigen (ggf. nicht diskriminierungsfreien) Entscheidungen des Arbeitgebers orientiert.
Bei der diskriminierenden KI-gestützten Auswahl dürfte es sich in aller Regel um eine mittelbare Benachteiligung i.S.d. § 3 Abs. 2 AGG handeln, die gemäß § 7 AGG verboten ist. Will der Benachteiligte die sich daraus ergebenden Individualansprüche des § 15 AGG geltend machen, ist zu berücksichtigen, dass er die Benachteiligung beweisen und Kausalitätsindizien darlegen muss (§ 22 AGG), viele KI-Systeme jedoch als „Blackbox“ gelten, sie also ab einem gewissen Punkt aufgrund ihrer komplexen technischen und algorithmischen Ausgestaltung nicht mehr nachvollzogen werden können. Dass indes der Benachteiligende für das Eingreifen des Rechtfertigungsgrunds darlegungs- und beweisbelastet ist (BAG, Urt. v. 15.12.2016 – 8 AZR 454/15), ist insofern irrelevant. Die gleichen Erwägungen gelten für den Einsatz von KI gegenüber Kunden im Massenverkehr (§§ 19, 21 AGG).
Beteiligungsrechte des Betriebsrats
In arbeitsrechtlicher Hinsicht stellt sich beim Einsatz von KI im Betrieb heute insbesondere die Frage der Beteiligung des Betriebsrats. Mit der Verankerung des KI-Begriffs im Rahmen der Novellierung des BetrVG durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz vom 14.06.2021 (BGBl. I S. 1762) wurde die besondere Bedeutung von KI für die Arbeitswelt insofern anerkannt, als aus ihr betriebsverfassungsrechtliche Rechte und Pflichten erwachsen sollen. Bislang hatte die ausdrückliche Erwähnung von KI im BetrVG eine eher geringe praktische Bedeutung. Vielmehr stand symbolisch im Mittelpunkt, dass sich der Gesetzgeber mit dem Thema und den damit einhergehenden Auswirkungen und Umbrüchen in der betrieblichen Sphäre auseinandersetzt. Seither sind zwei Jahre vergangen, in denen KI einen großen und vor allem massentauglichen Sprung gemacht hat, so dass die praktische Bedeutung der folgenden Regelungen künftig steigen dürfte.
Unterrichtung des Betriebsrats (§ 90 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG)
Um das Vertrauen und die Akzeptanz der Beschäftigten bei der Einführung und der Anwendung von KI zu stärken, wurde die Pflicht des Arbeitgebers zur Unterrichtung des Betriebsrats bei der Planung von Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufen aus § 90 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG um den geplanten Einsatz von KI ergänzt. Der Einbezug hat rein klarstellendenden Charakter, so dass nicht jeder Einsatz von KI die Unterrichtungspflicht auslöst, sondern nur derjenige, der Auswirkung auf Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufe hat. Da KI primär als Technologie zur Erledigung einer Arbeitsaufgabe angewandt wird, dürfte der Tatbestand aber regelmäßig erfüllt sein.
Zustimmung des Betriebsrats zu Auswahlrichtlinien (§ 95 Abs. 2a BetrVG)
Gemäß § 95 Abs. 2a BetrVG ist die Zustimmung des Betriebsrats nötig, wenn bei der Aufstellung von Richtlinien über die personelle Auswahl bei Einstellungen, Versetzungen, Umgruppierungen und Kündigungen KI zum Einsatz kommt. Dies kann ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 19/28899, S. 23) dann der Fall sein, wenn eine KI-Anwendung eigenständig oder innerhalb eines von einem Dritten vorgegebenen Rahmens Auswahlrichtlinien aufstellt, indem es beispielsweise selbstlernend bestimmte Bewerber aussortiert.
Hinzuziehung von externen Sachverständigen (§ 80 Abs. 3 Satz 2 BetrVG)
Muss der Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben die Einführung oder Anwendung von KI – beispielsweise im Rahmen des Zustimmungsprozesses gemäß § 95 Abs. 2a BetrVG – beurteilen, gilt insoweit die Hinzuziehung eines Sachverständigen als erforderlich (§ 80 Abs. 3 Satz 2 BetrVG). Der Gesetzgeber verfolgt damit das Ziel, die Gestaltungsmöglichkeiten des Betriebsrats beim Einsatz von KI zu sichern und für mehr Rechtsklarheit bei den Betriebspartnern zu sorgen. Damit erübrigen sich Diskussionen zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat über die Erforderlichkeit eines Sachverständigen; lediglich über die Kosten und die Person des Sachverständigen ist sich noch nach § 80 Abs. 3 Satz 1 BetrVG zu einigen. Mit der Möglichkeit, externen Sachverstand im Bereich KI hinzuzuziehen, wird der Betriebsrat in die Lage versetzt, auf technisch komplexen Fragen im Zusammenhang mit KI reagieren zu können. Um dauerhaft kurzfristig auf einen Sachverständigen beim Einsatz von KI zugreifen zu können, gilt dies nach näherer Vereinbarung der Betriebspartner auch für die Hinzuziehung eines ständigen Sachverständigen (§ 80 Abs. 3 Satz 3 BetrVG).
Allgemeine Regelungen
Auch ohne weitere KI-spezifische Gesetzesänderungen kann ihr Einsatz unter bestimmten Voraussetzungen den allgemeinen Regelungen des BetrVG unterfallen.
Per se kennt das BetrVG keine Mitbestimmungsbefugnis im Hinblick auf KI. Mit der Weisung, eine KI-Anwendung zu nutzen, konkretisiert der Arbeitgeber die Arbeitsleistung in Bezug auf die Ausführungsweise. Dies ist dem mitbestimmungsfreien Arbeitsverhalten zuzuordnen, so dass in der Regel kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG besteht. Gleichwohl wird ein KI-System häufig Leistungs- oder Verhaltenskontrolle ermöglichen, so dass regelmäßig das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG einschlägig sein wird. Insbesondere ist zu erwarten, dass bisher existierende IT-Anwendungen künftig durch KI-Komponenten ergänzt werden, so dass das Mitbestimmungsrecht vor diesem Hintergrund an Bedeutung gewinnen dürfte.
Zudem ist beispielsweise eine Unterrichtungspflicht gemäß § 111 BetrVG aufgrund einer Betriebsänderung mit wesentlichen Nachteilen für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft durch die Integration von KI denkbar. KI-basierte Software kann in der Lagerorganisation etwa eine grundlegende Änderung i.S.d. § 111 Satz 3 Nr. 4 BetrVG darstellen oder ihr Einsatz in der Bewerberauswahl als Einführung einer grundlegend neuen Arbeitsmethode (§ 111 Satz 3 Nr. 5 BetrVG) gelten.
Fazit
Je schneller das gesellschaftliche Bewusstsein über die Einsatzfelder von KI steigt, desto eher werden Kunden von den Unternehmen erwarten, von den Vorteilen der KI zu profitieren. Vor dem Hintergrund des erheblichen Potenzials von KI in Bezug auf die Optimierung betrieblicher Abläufe dürfte der Einsatz als betriebliches Hilfsmittel nur einen Zwischenschritt hin zu einer umfänglichen Anwendung darstellen. Sowohl die faktische Notwendigkeit als auch die Entwicklung der Rechtslage, die maßgeblich durch die KI-VO-E und KI-Haftungs-RL-E geprägt werden wird (zu deren Inhalt und Regelungszweck Teil 2 des Beitrags), werden Arbeitgeber dazu veranlassen, sich eingehend mit den Einsatzmöglichkeiten von KI im Betrieb und ihren Auswirkungen zu befassen.