Was bedeutet ‘ all inclusive’ eigentlich
„Die wörtliche deutsche Übersetzung der geschlossenen Vereinbarung ‘Verpflegung: All Inclusice’ bedeutet nämlich ‘alle Verpflegungen eingeschlossen’“. Das hat das Amtsgericht Leipzig (Urteil vom 24.11.2010 – 109 C 5850/09) ausgeführt und damit zumindest das Wort „Verpflegung“ fast wörtlich ins Deutsche übersetzt.
„Inclusive“ sind über die klassische Verpflegung hinaus bei manchen Urlaubsreisen auch alkoholische Getränke. Und was nichts extra kostet, wird gerne übermäßig konsumiert – nicht nur von Schwaben. Aber leider kann es sich schnell auf das Verhalten auswirken, wenn Menschen einen (oder mehrere) „über den Durst trinken“.
Für Urlauber, für die die schönste Zeit des Jahres nicht mit erhöhtem Alkoholkonsum verbunden ist, kann ein solches Verhalten dann ganz schön nervig sein. Aber das müssen sie eben aushalten – meint jedenfalls das Landgericht Kleve (Urteil vom 23.11.2000 – 6 S 369/00).
Mit Belästigungen muss man rechnen
In dem Fall hatte eine Urlauberin von dem Reiseveranstalter unter anderem wegen der Lärmbelästigung durch alkoholisierte Gäste in der Hotelanlage eine Minderung des Reisepreises verlangt.
Nix gibt’s, meinte das Gericht. „Gewisse Unzulänglichkeiten und Unannehmlichkeiten hat der Reisende entschädigungslos hinzunehmen“. Und so liege der Fall hier. „Bei Reisen in südliche Länder muß ein Reisegast grundsätzlich davon ausgehen, daß mit Lärmbelästigungen durch Freizeitveranstaltungen und andere Gäste zu rechnen ist.“ Das gilt nach Auffassung des Gerichts erst recht bei „All inclusive-Angeboten“.
„Es liegt auf der Hand, daß bei ‚All inclusive-Reisen‘ der Alkoholkonsum der Gäste wesentlich höher liegt als bei Reisen, bei denen der Reisegast jedes alkoholische Getränk zu zahlen hat. Dementsprechend muß bei einer solchen Reise auch damit gerechnet werden, daß Belästigungen durch alkoholisierte Gäste gegenüber anderen Hotels ohne ‚all inclusive‘-Angebot in verstärktem Maße auftreten, ohne daß darin ein minderungsrelevanter Mangel zu sehen ist“, so das Landgericht.
Lärmende Liebende
Ähnlich argumentierte das Amtsgericht Viersen in einem Urteil vom 9.4.2013 (2 C 446/11). Hier hatten der Kläger und seine Lebensgefährtin wiederholt die Nachtruhe gestört – auch durch „verbale Auseinandersetzungen“. Sie wurden deshalb des Hotels verwiesen. Ein anderes Hotel wollte ihnen nach einem Zwischenfall gleich nach der Ankunft kein Zimmer geben. Die beiden Liebenden (?) brachen deshalb ihren Urlaub ab und flogen nach Hause.
So geht das nicht, meinte das Amtsgericht. „Selbst wenn man den Vortrag der Bekl. über die Intensität dieser Auseinandersetzung als wahr unterstellte, mithin von einer starken Alkoholisierung des Kl. und seiner Lebensgefährtin und großer Lautstärke der Auseinandersetzung ausginge, würde dies allein nicht als Kündigungsgrund ausreichen.“ Und zur Begründung führte das Gericht an, dass das eben typische Erscheinungen einer „All inclusive-Reise“ seien.
Bei „der gebotenen Abwägung der Umstände des Einzelfalls ist zunächst auch der Charakter der Reise zu berücksichtigen. All-Inclusive-Reisen zeichnen sich dadurch aus, dass dem Reisenden für den gezahlten Pauschalpreis vor Ort Speisen und Getränke in unbegrenzter Menge zum Verzehr zur Verfügung stehen. Dies umschließt auch alkoholische Getränke.“
Alkoholbedingte Verfehlungen
„Trifft eine solche Gestaltung mit einer Reise im unteren Preissegment – und dies dürfte bei einem Reisepreis von 521,50 Euro für eine 18-tägige Reise zweifellos der Fall sein – zusammen, stellt der vermehrte Verzehr alkoholischer Getränke ein geradezu typisches Reiseverhalten dar. Vor diesem Hintergrund sind einzelne typischerweise alkoholbedingte Verfehlungen des Reisenden von dem Reiseveranstalter in einem höheren Maße zu tolerieren, als dies bei anderweitigen Reisegestaltungen der Fall ist“, führte das Amtsgericht in seiner Entscheidung aus.
Und das muss auch bei lautstarken Auseinandersetzungen zwischen Paaren berücksichtigt werden: „Dass Alkoholgenuss in einem Einzelfall zur hörbaren Eskalation eines Beziehungsstreites führt, hält sich dabei grundsätzlich im Rahmen hinzunehmenden Verhaltens. Anders wäre dies erst zu beurteilen, wenn die Störung anderer Gäste ein besonders drastisches Ausmaß erreichte. Dies kann aber bei einer einzelnen – wenn auch zur Nachtzeit ärgerlichen – rein akustischen Störung nicht angenommen werden. Hierzu hätte es einer weiteren Eskalation, etwa dem Übergreifen der Auseinandersetzung auf andere Gäste bedurft.“
Alkohol nur gegen Trinkgeld
So kann man das natürlich sehen. Aber es stellt sich dennoch die Frage, wie man die Belästigung anderer Gäste durch stark alkoholisierte Urlauber bei „All inclusive-Reisen“ vermeiden kann. Einen interessanten Weg hatte ein Hotel in einem vom Amtsgericht Köln entschiedenen Fall gewählt (Urteil vom 29.6.2000 – 122 C 171/00): Einfach weniger ausschenken.
In dem Verfahren rügte der Kläger unter anderem, dass „keine Cocktails oder internationale Getränke oder unbegrenzt alkoholische Getränke gereicht worden“ seien. Und nicht nur das! „Das Personal habe Trinkgeld verlangt, da ansonsten wenig Alkohol gereicht worden sei.“
Halb so wild und eigentlich auch gar nicht so schlecht, meinte das Kölner Gericht. Aber ganz so geht es halt nicht.
Besser für die Gesundheit
„Das Fehlen von Cocktails und internationalen Getränken oder unbegrenzt Bier“ stelle „keine erheblichen Mängel dar, die eine Minderung in erheblichem Umfang rechtfertigen könnten“. Es handle sich „insofern um geringfügige Belanglosigkeiten, die einen Urlaubsgenuss und eine Reise nicht beeinträchtigen können.“ Und bei der Gelegenheit erhob das Amtsgericht gleich mal den moralischen Zeigefinger.
„Hinsichtlich des Fehlens von Cocktails oder unbegrenztem Bier wäre deren Vorhandensein bei entsprechender Ausnutzung für die Kläger gerade gesundheitlich schädlich gewesen“, heißt es in den Entscheidungsgründen.
Das Verhalten des Personals sei aber nicht o.k. gewesen. Das habe den Service „in unzumutbarer Weise verschlechtert“.
Genuss ohne Genuss
„Für die Angewohnheit des Personals, für bereits bezahlte Leistungen, wie das Servieren von Getränken, Trinkgeld zu begehren, ist (…) eine Minderung in Höhe von 5% gerechtfertigt. Die Beklagte stellt nicht in Abrede, dass die Kläger dann zwar nach Ablehnen von Trinkgeld in den Genuss der Getränke kamen, jedoch nach derart langer Zeit, dass hiermit kein Genuss mehr verbunden war.“
Womit die Urlauber nach Ansicht des Gerichts also in einen Genuss kamen, mit dem kein Genuss verbunden war.
Aber wie auch immer… Der Kläger bekam für das erschwerte Trinkvergnügen zumindest einen Teil des Reisepreises als Minderung erstattet. Das Geld kann er nun nutzen, um nach seinem Urlaub dem Alkoholgenuss zu frönen – wenn‘s denn unbedingt sein muss.
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