Das Thema
Werden Arbeitgeber, die in den vergangenen Jahren vorbehaltlos den Rosenmontag als freien Tag gewährt haben, umhinkommen, dies auch in diesem Jahr zu tun?
Behörden streichen freien Rosenmontag
Am 12. Januar 2021 hat die Landesregierung Nordrhein-Westfalen beschlossen, den diesjährigen Rosenmontag (15. Februar 2021) in allen Dienststellen des Landes nicht freizugeben. Begründet hat sie dies damit, dass der Rosenmontag nach dem geltenden Arbeitszeitrecht sowohl für Beamtinnen und Beamte als auch für Tarifbeschäftigte in Nordrhein-Westfalen grundsätzlich ein Arbeitstag sei. In der Vergangenheit habe sie zwar angeordnet, dass an diesem Tag in allen Behörden in Düsseldorf der Dienst entfalle. Behörden außerhalb von Düsseldorf seien gleichzeitig dazu ermächtigt worden, die Dienstzeit am Rosenmontag unter Berücksichtigung der karnevalistischen Tradition und der örtlichen Verhältnisse nach eigenem Ermessen zu regeln. Aufgrund der derzeitigen Corona-Pandemie und der daraus resultierenden Einschränkungen seien die geplanten Rosenmontagszüge in den Karnevalshochburgen aber bekanntlich abgesagt worden. Damit entfalle gleichzeitig die Begründung für ein Beibehalten der Dienstzeitregelung für den Rosenmontag 2021.
Was gilt im Arbeitsverhältnis?
Die vorgenannte Entscheidung der Landesregierung Nordrhein-Westfalens und entsprechende Entscheidungen weiterer Behörden haben bundesweit Beachtung in den Medien gefunden. Unternehmen wie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Karnevalshochburgen stellen sich seither jedenfalls die Frage, ob in diesem Jahr der Rosenmontag auch für sie ein „ganz gewöhnlicher Arbeitstag“ ist.
Ein genereller Anspruch auf einen arbeitsfreien Rosenmontag für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer besteht nicht. Im Gegenteil: selbst in den Karnevalshochburgen Köln, Düsseldorf und Mainz lässt sich in den letzten Jahren der Trend erkennen, dass Unternehmen insoweit zunehmend zurückhaltender sind. Erforderlich ist stets eine Anspruchsgrundlage, die sich grundsätzlich aus einem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder einem Arbeitsvertrag ergeben kann. In der Regel fehlen aber ausdrückliche Regelungen; häufigste Anspruchsgrundlage in der Praxis stellt die betriebliche Übung dar. Eine solche ist anzunehmen, wenn der Arbeitgeber die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Vergangenheit wiederholt und vorbehaltlos am Rosenmontag freigestellt hat. Einschränkungen oder Bedingungen dahingehend, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer den freien Tag auch zum Feiern nutzen bzw. Karnevalsumzüge tatsächlich stattfinden müssen, werden mit der Gewährung regelmäßig nicht verknüpft. Sollte dies nicht ausnahmsweise doch der Fall sein, ist ein Anspruch auf einen arbeitsfreien Rosenmontag dementsprechend auch dann anzunehmen, wenn Karnevalsumzüge bzw. der organisierte Karneval – wie in diesem Jahr – nahezu vollständig abgesagt werden. Die Beseitigung einer solchen betrieblichen Übung ist nur einvernehmlich, im Wege einer (sozial gerechtfertigten) Änderungskündigung oder – wenngleich dies umstritten ist – mithilfe einer Betriebsvereinbarung möglich.
Aber die Behörden tun es doch auch!?
Eine Übertragung der Entscheidungen der Landesregierung Nordrhein-Westfalen sowie der nachfolgenden Behörden auf Arbeitsverhältnisse in der Privatwirtschaft ist nicht möglich. Denn anders als die dort tätigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen Beschäftigte des öffentlichen Dienstes nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in aller Regel davon ausgehen, dass ihnen ihr Arbeitgeber nur die Leistungen gewähren will, zu denen er rechtlich verpflichtet ist.
Ohne besondere Anhaltspunkte dürfen Beschäftigte im öffentlichen Dienst deshalb – anders als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – selbst bei langjähriger Gewährung einer zusätzlichen Vergünstigung nicht darauf vertrauen, sie sei Vertragsinhalt geworden (so ausdrücklich für die Frage der Freistellung am Rosenmontag BAG v. 24.3.1993 – 5 AZR 16/92).
Fragen sind nicht neu
Völlig neu sind die diesjährigen Fragen im Übrigen nicht. So wurden im Jahr 1991 aufgrund des Zweiten Golfkriegs schon einmal in zahlreichen Städten Karnevalsumzüge und -veranstaltungen abgesagt, unter anderem in Düsseldorf. In diesem Zusammenhang stellte auch das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf – und zwar sogar im Bereich des öffentlichen Dienstes – fest, dass Arbeitnehmer, die in der Vergangenheit regelmäßig ohne weitere Vorgaben für Rosenmontag von der Arbeitspflicht freigestellt worden seien, aufgrund betrieblicher Übung auch dann einen Freistellungsanspruch für Rosenmontag hätten, wenn an diesem Tag der übliche Karnevalsumzug ausfalle (vgl. LAG Düsseldorf v. 8.2.1991 – 7 Ta 50/91).
Wörtlich heißt es dort: „Irgendwelche Vorgaben, was mit der freien Zeit anzufangen sei (anderenfalls gearbeitet werden müsse; (…)), sind offensichtlich nicht gemacht worden. Demgemäß werden die Arbeitnehmer den freien Tag unterschiedlich genutzt haben (etwa durch eine Reise zu einem Ziel fern vom Karnevalstrubel). Bei dieser Sachlage mußte sich bei den Bediensteten der Eindruck bilden, daß am Rosenmontag, ohne daß irgendwelche Voraussetzungen vorliegen müßten, dienstfrei sei. Daß dies speziell von dem Abhalten des Karnevalsumzungs abhängig sein sollte, war für die Bediensteten nicht erkennbar.“
Ausweg: Wegfall der Geschäftsgrundlage?
Schlussendlich verbleibt damit nur die Möglichkeit des Wegfalls der Geschäftsgrundlage. Schon die 7. Kammer des LAG Düsseldorf hat in der vorangehend genannten Entscheidung diese Möglichkeit angesprochen, jedoch zugleich festgestellt, dass gegen die Anwendung der entsprechenden Grundsätze „vieles spricht“.
Weiter ist die 17. Kammer in einer ähnlich gelagerten Entscheidung vom 3.9.1993 (17 Sa 584/93) gegangen. Hier ging es um die Frage, ob am Rosenmontag 1993 bezahlte Freizeit zu gewähren war. Hintergrund waren auch hier die wegen des Zweiten Golfkrieges im Jahr 1991 abgesagten Karnevalsveranstaltungen in Düsseldorf und eine aus diesem Grund verwehrte bezahlte Freistellung am Rosenmontag 1991. Da diese Entscheidung für das Jahr 1991 von den Mitarbeitern widerspruchslos hingenommen worden war, war der Dienstherr – die Bezirksregierung Düsseldorf – der Ansicht, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern stünde ab dem Jahr 1992 kein Anspruch auf bezahlte Dienstbefreiung an den Rosenmontagen (mehr) zu. Dies hat das LAG Düsseldorf verneint und einen Anspruch des Klägers auf bezahlte Freizeit am Rosenmontag 1993 sowie in den Folgejahren bejaht.
Nach Ansicht der 17. Kammer spreche bereits viel dafür, dass es an sich der Befreiung von einer bestehenden Arbeitspflicht am Rosenmontag nicht einmal bedürfe. Denn aufgrund des Karnevals-Brauchtums sei es in Düsseldorf selbstverständlich, dass die Bevölkerung an dem Rosenmontagsumzug teilnehme und zumindest „im zugnahen Innenstadtbereich“ die Betriebe für den allgemeinen Publikumsverkehr geschlossen blieben. Eine geregelte Arbeitszeit könne hier kein Arbeitgeber entgegen der allgemeinen Überzeugung durchsetzen. Dies gelte erst recht für einen Betrieb mit erheblichem Publikumsverkehr. Schon unter dem Gesichtspunkt des speziellen Brauchtums dürften deshalb die Beschäftigten solcher Betriebe, in denen am Rosenmontag kein geregelter Geschäftsbetrieb möglich sei, von vornherein arbeitsfrei haben, ohne dass es einer diesbezüglichen gesonderten Vereinbarung bedürfe.
Ob die Entscheidung heute noch so mit der beschriebenen Begründung getroffen würde, erscheint fraglich. Wie schon die 7. Kammer des LAG Düsseldorf in der Entscheidung aus dem Jahr 1991, verweist aber auch die 17. Kammer auf die grundsätzliche Möglichkeit des Wegfalls der Geschäftsgrundlage. So sei wegen der „mit Rücksicht auf die Brauchtumspflege gewährten bezahlten Freistellung“ der Inhalt des Anspruchs dahingehend zu begrenzen, dass er gleichbleibende örtliche Verhältnisse in Düsseldorf voraussetze.
Und selbst das LAG Köln hat in einer Entscheidung aus dem Jahr 1991 – wenn auch nicht unter dem Aspekt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage – festgestellt, dass selbst bei Annahme einer betrieblichen Übung Inhalt und Reichweite zu ermitteln seien. Die Dienstbefreiung am Rosenmontag werde den Beschäftigten insoweit erteilt, um ihnen die Teilnahme an den Umzügen zu ermöglichen und gelte folgerichtig nicht für Tage, an denen ein Umzug überhaupt nicht stattfinde, wenn die Dienstbefreiung stets nur an den Tagen der Karnevalsumzüge erfolgt sei und dem Arbeitgeber als Motiv für die Dienstbefreiung der Wille zur Pflege des heimatlichen Brauchtums sowie andere an die Durchführung des Umzugs geknüpfte Motive unterstellt werden könnten (z. B. Verzicht auf die Durchführung eines ohnehin nicht ordnungsgemäß möglichen Dienstbetriebes, Rücksichtnahme auf umzugsbedingte chaotische Verkehrsverhältnisse) (LAG Köln v. 8. 11. 1991 – 13 (6) Sa 532/91).
Planungen der Karnevalisten beachten
Zu beachten ist jedoch, dass auch die vorangehenden Aussagen der 17. Kammer des LAG Düsseldorf sowie des LAG Köln beide im Bereich des öffentlichen Dienstes spielten, wo eine betriebliche Übung – wie dargelegt – nur im Ausnahmefall in Betracht kommt. Eine Anpassung über die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ist ebenfalls nur im Ausnahmefall möglich. In der heutigen Zeit ohne etwaige Anhaltspunkte als Geschäftsgrundlage zu unterstellen, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter „im zugnahen Innenstadtbereich“ selbstverständlich an den Karnevalsumzügen teilnehmen oder die Gewährung des freien Tages unter dieser Prämisse erfolgt, erscheint jedoch nicht nur praxisfern.
Vielmehr gewähren Arbeitgeber in den Karnevalshochburgen den freien Rosenmontag vielfach bewusst als (fixen) Urlaubstag und gewähren im Gegenzug einen Tag weniger frei planbaren Erholungsurlaub. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass wegen der derzeitigen Corona-Pandemie nicht etwa der Karneval insgesamt abgesagt wurde, sondern nur die Umzüge und der – wenn auch überwiegende – Teil des organisierten Karnevals. Zwar sind dies wesentliche Bestandteile des Brauchtums, dieses geht jedoch weit darüber hinaus. Viele Karnevalisten planen dementsprechend am Rosenmontag alternative Onlineveranstaltungen und/oder Feiern „im kleinsten Kreis“.
Fazit und Empfehlung für die Praxis
Nach alledem werden Arbeitgeber, die in den vergangenen Jahren vorbehaltlos den Rosenmontag als freien Tag gewährt haben, wohl nicht umhinkommen, dies auch in diesem Jahr zu tun.
Ob dies unbedingt im Sinne der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist, ist fraglich. Schließlich sind die Urlaubskonten vieler Beschäftigter angesichts der pandemiebedingten Umstände (verpflichtende Einbringung von Urlaub vor der Inanspruchnahme von Kurzarbeit, Kinderbetreuung etc.) schon jetzt angespannt. Ausgehend hiervon bietet es sich an, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern einmalig die Wahl zu ermöglichen, den freien Tag tatsächlich – entsprechend ihres Anspruchs – am Rosenmontag in Anspruch zu nehmen oder diesen freien Tag an einem anderen Tag zu nehmen.
Um insoweit das Entstehen einer erneuten betrieblichen Übung zu verhindern, sollte die entsprechende Information hierüber aber mit einem Freiwilligkeitsvorbehalt versehen werden.