Das Thema
Das BAG hat in einem aktuellen Urteil (vom 19.11.2019 – 7 AZR 582/17, bislang nur als Pressemitteilung vorliegend) entschieden, dass Saisonarbeit bzw. Saisonarbeitskräfte im Rahmen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses – dabei aber beschränkt auf einen jeweils konkret zu bezeichnenden Saisonzeitraum – eingestellt werden können. Hierbei ist dann die Arbeits- und Vergütungspflicht auf den jeweiligen Saisonzeitraum „begrenzt“. Es handelt sich gerade um keine (unbestimmte) Vielzahl von Befristungen, die an § 14 TzBfG zu messen sind. Gleichwohl ist zu prüfen, ob die „Begrenzung“ den Arbeitnehmer unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB benachteiligt.
Vereinbarung einer Tätigkeit während der Badesaison inkl. Vor- und Nacharbeiten
Der klagende Arbeitnehmer war beim beklagten (kommunalen) Arbeitgeber zunächst vollbeschäftigt und unbefristet tätig, ab 2006 – nach einer Änderungskündigung – sodann aufgrund eines neuen Arbeitsvertrags „jeweils für die Saison vom 01.04. bis 31.10. eines Kalenderjahres“. In dringenden Fällen hatte er laut Arbeitsvertrag zudem auf Anordnung des Arbeitgebers darüber hinaus Arbeit zu leisten.
Auch wenn seine Tätigkeit vertraglich nicht genau festgelegt worden war, war der Arbeitnehmer fast ausschließlich im Freibad als Badeaufsicht tätig; zudem war er mit der Reinigung und Pflege der Schwimmbadanlagen betraut. Die Badesaison dauert regelmäßig von Mai bis September, wobei die konkreten Öffnungs- und Schließzeitpunkte jeweils witterungsbedingt schwanken. Vor und nach der Saison fallen entsprechende Vor- und Nachbereitungsaufgaben im Schwimmbad an, die der Arbeitnehmer ebenfalls ausführte.
Der Arbeitnehmer macht die Entfristung seines Arbeitsverhältnisses ab dem 31.10.2016 gerichtlich geltend.
Saisonarbeit: Vorinstanzen nehmen wirksame Befristung an
Damit hat er in beiden Tatsacheninstanzen (ArbG Verden, Urteil vom 19.01.2017 – 1 Ca 417/16 Ö; LAG Niedersachsen, Urteil vom 05.10.2017 – 15 Sa 184/17) keinen Erfolg. Die Begründung des LAG Niedersachsen lautet wie folgt:
Es liegt eine Befristungsabrede vor. Diese ist formell wirksam, da sie das Schriftformerfordernis des § 14 Abs. 4 TzBfG wahrt. Die vertragliche Formulierung („jeweils für die Saison vom 01.04. bis 31.10. eines Kalenderjahres“) ist dahin auszulegen, dass die Parteien für eine unbegrenzte Anzahl von Jahren jeweils für diesen Zeitraum einen befristeten Arbeitsvertrag abgeschlossen haben. Es sollen rechtstechnisch also mehrere – besser: unendlich viele – Einzelarbeitsverträge abgeschlossen worden sein, die lediglich in einer Urkunde zusammengefasst wurden. Mit dieser Bewertung hat es sich das LAG Niedersachsen jedoch nach Ansicht des BAG etwas zu einfach gemacht (hierzu sogleich).
Nach Auffassung des LAG Niedersachsen ist die Befristungsabrede auch nicht unklar, da ihr Wortlaut eindeutig ist. Dies genügt den rechtlichen Anforderungen des § 14 Abs. 4 TzBfG. Erforderlich ist gerade nicht, dass für jeden einzelnen Zeitraum eine separate Befristungsabrede vorliegt.
Die Befristung ist ferner durch den Sachgrund des vorübergehenden betrieblichen Bedarfs (§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG) gerechtfertigt. Gerade Saisonarbeitsverhältnisse sind hierfür ein typischer Fall. Hinsichtlich des vorübergehenden Bedarfs ist eine ausreichende Prognose des Arbeitgebers im Zeitpunkt des Vertragsschlusses erforderlich. Diese ist im vorliegenden Fall nicht zu beanstanden, auch wenn die Prognoseanforderungen mit zunehmender Zeit steigen.
Das LAG Niedersachsen lässt jedoch ausdrücklich die Revision zu, da „keine höchstrichterliche Rechtsprechung zu einer Vertragsgestaltung wie der hier in Rede stehenden“ existiert.
Saisonarbeit: BAG legt Vereinbarung als unbefristetes Arbeitsverhältnis mit begrenzter Arbeits- und Vergütungspflicht aus
Mit der Begründung der Revisionszulassung trifft das LAG Niedersachen den Nagel auf den Kopf. Den Anlass greift das BAG dankbar auf, um die Vereinbarung ganz anders auszulegen. Demnach haben die Parteien im Jahr 2006 gerade keine Vielzahl befristeter Arbeitsverträge für die künftigen Jahre geschlossen, sondern vielmehr ein unbefristetes Arbeitsverhältnis, bei dem indes die Arbeits- und Vergütungspflichten auf die Monate April bis Oktober eines jeden Jahres begrenzt sind.
Nach Auffassung des BAG benachteiligt diese Vereinbarung den Arbeitnehmer nicht unangemessen gemäß § 307 Abs. 1 BGB, denn der Arbeitgeber durfte bei Abschluss des Arbeitsvertrags davon ausgehen, nur während der Badesaison Beschäftigungsbedarf für den Arbeitnehmer zu haben.
Zwar liegen die Urteilsgründe der BAG-Entscheidung derzeit noch nicht vor, doch bietet bereits die Pressemitteilung Gelegenheit zu einer ersten Bewertung.
Auslegungsfaktoren
Genauso wie über Geschmack lässt sich auch über Fragen der Vertragsauslegung grundsätzlich streiten. Dennoch ist dem Auslegungsergebnis des BAG zuzustimmen.
Ausgangspunkt der Frage, ob eine Befristung vorliegt, ist § 3 Abs. 1 TzBfG. Danach ist ein (kalendermäßig) befristeter Arbeitsvertrag dann anzunehmen, wenn er „auf bestimmte Zeit geschlossen“ und „seine Dauer kalendermäßig bestimmt“ ist. Das Gesetz knüpft hierbei an den Arbeitsvertrag an, nicht jedoch an das Arbeitsverhältnis. In der Praxis werden beide Begriffe jedoch üblicherweise synonym verwendet. Rechtstechnisch ist es zudem möglich, in einer Vertragsurkunde gegebenenfalls auch mehrere befristete Arbeitsverhältnisse zu vereinbaren bzw. mehrere Arbeitsverträge darin zusammenzufassen. Eine solche Auslegung erscheint aber juristisch etwas konstruiert, sodass es näher liegt, im Regelfall von einem Arbeitsvertrag/Arbeitsverhältnis pro Vertragsurkunde auszugehen.
Von größerer Bedeutung für die Auslegung ist indes, dass der vorliegende Arbeitsvertrag auch außerhalb der eigentlichen Arbeitsperiode die Pflicht des Arbeitnehmers vorsah, in dringenden Fällen auf Anordnung des Arbeitgebers zu arbeiten. Eine solche „zwischenvertragliche“ Pflicht zum Tätigwerden würde innerhalb einer Unterbrechung zwischen zwei befristeten Arbeitsverhältnissen keinen Sinn ergeben. Selbst für den Fall, dass die vereinbarte Pflicht zur Tätigkeitsaufnahme auf Anordnung des Arbeitgebers unwirksam sein sollte, gibt sie jedenfalls Aufschluss über das Verständnis der Vertragsparteien und widerspricht einer Auslegung dahingehend, dass jeweils von November bis März gar keine vertragliche Bindung vorliegen soll.
Das „begrenzte“ Arbeitsverhältnis – Eine neue Rechtsfigur?
Hat das BAG damit eine ganz neue Rechtsfigur des „begrenzten Arbeitsverhältnisses“ entwickelt? Die Urteilsgründe werden hierüber möglicherweise mehr Aufschluss geben. Dagegen spricht jedoch, dass die Vertragsparteien – (wenn auch nur) im Grundsatz – frei bei der Vertragsgestaltung sind. Wenn Sabbaticals, unbezahlter Sonderurlaub, (Alters-)Teilzeit im Blockmodell etc. vereinbart werden können, dann spricht auch grundsätzlich nichts dagegen, sowohl die Arbeits- als auch die Vergütungspflicht auf konkrete Zeiträume zu beschränken. Rechtlich betrachtet dürfte außerhalb dieser Zeiträume das Arbeitsverhältnis „ruhen“, d.h. die Hauptpflichten – und gegebenenfalls auch (teilweise) die Nebenpflichten – sind suspendiert (vergleiche hierzu etwa BAG, Urteil vom 06.05.2014 – 9 AZR 678/12). Folglich entstehen für diese Zeiträume etwa auch keine Urlaubsansprüche.
Inhaltskontrolle: Aber anhand welchen Maßstabs?
Laut BAG ist die „Begrenzungsvereinbarung“ indes an § 307 Abs. 1 BGB zu messen. Die Inhaltskontrolle findet im Arbeitsrecht im Allgemeinen sehr weitgehend statt. Deshalb überrascht die Kontrollermächtigung des BAG auch nur begrenzt. Zu berücksichtigen ist aber, dass gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB Leistungsbeschreibungen grundsätzlich kontrollfest sind. Aus § 309 Nr. 9 BGB ergibt sich allerdings, dass Laufzeitbestimmungen – und damit auch Laufzeitbegrenzungen – von dieser Ausnahme der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle nicht erfasst sind. Somit ist der Schritt, auch zeitliche Begrenzungen der Hauptpflichten als kontrollfähig anzusehen, nicht mehr weit.
Problematischer ist, anhand welchen Maßstabs die Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB stattzufinden hat. Das BAG lehnt eine unangemessene Benachteiligung mit der Begründung ab, der Arbeitgeber durfte bei Vertragsschluss von einem beschränkten Beschäftigungsbedarf ausgehen. Dies erinnert stark an die Prognoseanforderungen im Rahmen des Sachgrunds des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG. Dieser Maßstab kann aber nicht unmittelbar übertragen werden, da es sich ja gerade nicht um Befristungen handelt (siehe auch hier); auch eine analoge Anwendung kommt nicht in Betracht. Daher müsste es sich eher um eine Art Missbrauchs- bzw. Umgehungskontrolle als um das Erfordernis einer sachlichen Rechtfertigung handeln. Ob und wie das BAG den genauen Prüfungsmaßstab näher beschreibt, werden die Urteilsgründe zeigen.