Das Thema
Das Widerspruchsrecht des Betriebsrats nach § 99 BetrVG wird gerade bei kurzen befristeten Verträgen durch die Möglichkeit der vorläufigen Beschäftigung nach § 100 BetrVG in seiner Wirkung stark begrenzt. Betriebsräte haben jedoch ein anderes effektives Mittel, um die Beschäftigung neu eingestellter Mitarbeitern jedenfalls in Betrieben mit Schichtarbeit zu verhindern: Über die Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG kann der Betriebsrat Unterlassung der Beschäftigung verlangen, wenn keine Einigung über deren Zuordnung zu Rahmendienstplänen gefunden wird.
Die aktuelle BAG-Entscheidung zur Schichtarbeit
Die Parallel-Entscheidungen des BAG vom 22. August 2017 (Az.: 1 ABR 3, 4 und 5/16) hatten folgenden Hintergrund: Die Arbeitgeberin, ein Unternehmen im Bereich Brief- und Paketzustellung, war tarifgebunden. Entsprechend der tariflichen Regelungen zur Arbeitszeit hatte sie Dienstpläne aufzustellen. In den sog. arbeitsplatzbezogenen Rahmendienstplänen hatten die Betriebsparteien für verschiedene Fallgestaltungen Regelungen über eine Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf die einzelnen Arbeitstage sowie deren Beginn und Ende vereinbart. Darüber hinaus gab es für bestimmte Arbeitnehmergruppen Saisondienstpläne.
Vor allem in der Vorweihnachtszeit bestand bei der Arbeitgeberin in der Schichtarbeit zusätzlicher Personalbedarf, der durch die Einstellung befristet Beschäftigter gedeckt wurde. Verweigerte der Betriebsrat die Zustimmung zur Einstellung, führte die Arbeitgeberin ein Zustimmungsersetzungsverfahren durch und beschäftigte die befristet eingestellten Arbeitnehmer vorläufig gem. § 100 Abs. 2 BetrVG. Die Arbeitgeberin beteiligte den Betriebsrat dabei weder an der Zuordnung der Arbeitnehmer zu den bestehenden Dienstplänen an sich, noch an deren erstmaligen Zuweisung in die jeweiligen Schichten.
Erfolgreiche Unterlassungsklage des Betriebsrats?
Der Betriebsrat klagte auf Unterlassung der Beschäftigung dieser Mitarbeiter und verlangte die Einhaltung des Beteiligungsrechts gem. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG in Bezug auf deren Zuordnung zu bestimmten Schichten. Zudem klagte er auf Androhung eines Ordnungsgeldes für jeden Fall der Zuwiderhandlung der Beschäftigung von Arbeitnehmern im Zustellbereich ohne vorherige Einigung über deren genauen Arbeitszeiten. Die Arbeitgeberin vertrat die Auffassung, das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats sei auf Grund der vereinbarten Saison- und Rahmendienstpläne verbraucht und im Übrigen seien §§ 99, 100 BetrVG abschließend.
BAG bejaht Unterlassungsanspruch des Betriebsrats
Sowohl die erste als auch die zweite Instanz bejahten einen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats. Das BAG bestätigte die Entscheidungen der Vorinstanzen im Wesentlichen. Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG erfasst danach über die Erstellung und Ausgestaltung des Rahmendienstplans hinaus auch die Bestimmung des Personenkreises, der hiernach tätig werden muss. Dies gilt gleichermaßen für die Stammbelegschaft als auch für neu eingestellte Arbeitnehmer.
Bei den neu eingestellten Arbeitnehmern folgt der kollektive Tatbestand daraus, dass nicht nur sie selbst betroffen sind, sondern geregelt wird, welche Arbeitnehmer zu welcher Zeit mit welchen Kollegen arbeiten. Die Beteiligungsrechte nach § 99 und § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG betreffen unterschiedliche Regelungsgegenstände und sind mit anderen Konfliktlösungsmechanismen ausgestattet. Das BAG gab ferner auch der Klage auf Androhung eines Ordnungsgeldes für jeden weiteren Fall der Zuwiderhandlung statt.
Folgen nun mehr Ordnungsgelder in der betrieblichen Praxis?
Im Wesentlichen bestätigt das BAG mit der vorliegenden Entscheidung seine bisherige Rechtsprechung zum Umfang des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG (vgl. Beschluss vom 19.6.2012 – 1 ABR 19/11) und zum selbstständigen Anwendungsbereich der Beteiligungsrechte aus § 87 BetrVG und § 99 BetrVG (vgl. Beschluss vom 19.6.2001 – 1 ABR 43/00). Dennoch waren diese Fälle in der Praxis selten. Gerade durch die Drohung mit Ordnungsgelder könnte sich das allerdings ändern.
Zuletzt hatte das BAG bereits eine richtungsweisende Entscheidung zum Mindestlohn bei Schichtarbeit gefällt: Die Erfurter Richter entschieden, dass bei einer Vergütungsvereinbarung unter Mindestlohnniveau die Tarifzuschläge bei Schichtarbeit für Nachtarbeit auf der Basis des Mindestlohns errechnet werden. Urlaubsgeld hingegen wird nicht auf den Mindestlohn angerechnet.
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