Das Thema
Die aktuelle #metoo-Debatte fördert auch unerträgliche Zustände im Arbeitsleben ans Tageslicht. Das verwundert nicht. Erkennt man an, dass die sexuelle Belästigung nicht nur sexuell motiviert ist, sondern zugleich oder sogar in höherem Maße Ausdruck von Macht sein soll, so sind hierarchische Organisationen hierfür geradezu geboren. So wurde etwa Mitte Januar ein Bericht der britischen Zeitung „Guardian“ veröffentlicht, in dem dutzende UN-Mitarbeiter in mehr als zehn Ländern anonym Anschuldigungen hervorgebracht haben. Sie reichen von sexueller Belästigung über Übergriffe bis hin zu Vergewaltigung. Allerdings wurde auch anerkannt, dass nur wenige Betroffene Anzeige erstatten. „Wenn Du es anzeigst, ist Deine Karriere sehr schnell vorbei“, zitiert die Zeitung eine Beraterin, die angab, während der Arbeit für das Welternährungsprogramm belästigt worden zu sein.
Wie können – nein wie müssen! – Arbeitgeber hierauf reagieren – präventiv und repressiv?
Leider vielerorts ein Thema, selbst im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
Ende des letzten Jahres machte auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in dieser Hinsicht von sich reden. In einer Personalversammlung hatte die Gleichstellungsbeauftrage des BAMF sexuelle Belästigung in der Belegschaft als ein immer größer werdendes Problem bezeichnet. Als eine der Ursachen identifizierte sie ausgerechnet die Befristung. Dauerhaft Beschäftigte glaubten, sich gegenüber befristet Eingestellten „alles Mögliche herausnehmen“ zu können. „Wer soll sich trauen, einen Übergriff zu melden, wenn der Täter zugleich über die Entfristung entscheidet?“ fragte die Gleichstellungsbeauftragte. Inwiefern diese Vorwürfe zutreffend sind, ist offiziell noch nicht festgestellt.
Eine Untersuchung des ARD-Politmagazins „Report Mainz“ scheint die hohe Dunkelziffer zu bestätigen. Nach einer Umfrage unter den 30 DAX-Unternehmen wurden gerade einmal elf Belästigungsfälle in den vergangenen zwei Jahren gemeldet. „Viele Frauen melden sich nicht, weil sie Repressalien befürchten, wenn sie sexuelle Belästigung in ihrem Betrieb zur Anzeige bringen“ wird Elke Hannack, DGB-Vorstandsmitglied, in dem ARD-Politmagazin zitiert. Auch die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, Christina Lüders, vertritt die Auffassung, die Mehrzahl der Unternehmen tabuisiere das Phänomen der sexuellen Belästigung.
Gesetzliche Definition der sexuellen Belästigung
Auf Basis von Artikel 2 Absatz 1 lit. d der Richtlinie 2006/54/EG hat der deutsche Gesetzgeber in § 3 Abs. 4 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) vorgeschrieben: „Eine sexuelle Belästigung ist eine Benachteiligung ,wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts, sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornografischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Erniedrigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.“ Anders als bei der einfachen Belästigungen, ist das von Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen und Beleidigungen gekennzeichnete Umfeld nicht Voraussetzung, sondern lediglich unwiderlegbares Indiz einer die Würde verletzenden Verhaltensweise, sodass eine einmalige Handlung den Tatbestand der sexuellen Belästigung erfüllen kann.
Sexuelle Belästigung: Handlungspflichten des Arbeitgebers
Den Arbeitgeber treffen nach § 12 AGG umfangreiche Vorschriften zur Vermeidung sexueller Belästigungen wie auch Reaktionspflichten auf festgestellte sexuelle Belästigungen. Grundsätzlich ist der Arbeitgeber verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligungen zu treffen. Dieser Schutz umfasst auch vorbeugende Maßnahmen. Weiterhin soll der Arbeitgeber in geeigneter Art und Weise, insbesondere im Rahmen der beruflichen Aus- und Fortbildung, auf die Unzulässigkeit sexueller Belästigungen hinweisen und darauf hinwirken, dass diese unterbleiben. Verstoßen Beschäftigte hiergegen, so hat der Arbeitgeber die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zur Unterbindung der Benachteiligung die Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung zu ergreifen.
Strafrechtliche Sanktionen für Täter
Für den Täter selbst drohen drastische Konsequenzen. Nach § 184 i Abs. 1 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer eine andere Person in sexuell bestimmter Weise körperlich berührt und dadurch belästigt, wenn nicht die Tat in anderen Vorschriften mit schwerer Strafe bedroht ist.
Bereits aus diesem Vergleich der arbeitsrechtlichen mit der strafrechtlichen Situation ergibt sich, dass der Handlungsauftrag an den Arbeitgeber weitergehend ist. Anders als in anderen Lebensbereichen ist sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz immer verboten. Und der Arbeitgeber muss vorbeugende Maßnahmen ergreifen.
Betriebsvereinbarung als vorbeugende Maßnahme
Da solche vorbeugenden Maßnahmen die Ordnung im Betrieb und das Verhalten der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz betreffen, besteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Es ist daher empfehlenswert, entsprechende Regelwerke durch Betriebsvereinbarung für alle Arbeitnehmer verbindlich zu gestalten. Das hat sich allerdings noch nicht so weit herumgesprochen. Nach der bereits zitierten „Report Mainz“-Umfrage haben nur acht von 30 Dax-Unternehmen klare Betriebsvereinbarungen zur sexuellen Belästigung.
Vorbildlich ist in diesem Zusammenhang die Konzernbetriebsvereinbarung für Gleichbehandlung und zum Schutz vor Diskriminierung im DB-Konzern. Sie bezieht inhaltlich klar Stellung dazu, dass „alle Beschäftigten unabhängig von Geschlecht, Alter, Religion, Nationalität/Herkunft, physischen und psychischen Fähigkeiten, sexueller Orientierung sowie politischer oder gewerkschaftlicher Betätigung im DB-Konzern die gleichen Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten haben und niemand benachteiligt oder belästigt werden darf.“ Weiter heißt es: „Diskriminierung am Arbeitsplatz, Mobbing und sexuelle Belästigung stellen einen Verstoß gegen das grundgesetzlich verankerte Recht auf Wahrung der Menschenwürde dar.“
Im Folgenden werden die unerwünschten und nicht tolerierten Verhaltensweisen im Einzelnen definiert. Die Themenschwerpunkte der Diskriminierung, sexuellen Belästigung und des Mobbing werden in die beruflichen Fort- und Weiterbildungsprogramme aufgenommen. Es wird ein ausdrückliches Beschwerderecht aller Beschäftigten definiert, wobei auf Wunsch des Beschwerdeführers die Vertraulichkeit gewahrt werden kann. Weiter wird geregelt, wie eine Beschwerde zu behandeln ist und welche arbeitsrechtlichen Konsequenzen bis hin zur Kündigung bei Verstößen drohen.
Bekämpfung sexueller Belästigung am Arbeitsplatz mittels Workplace Policy
Einen besonders systematischen Ansatz hat die Universitätsmedizin der Charité Berlin gewählt. Zur Erforschung der Thematik wurde eine sogenannte WPP-Studie durchgeführt. Sie dient dazu, eine Workplace Policy zu erstellen zur Prävention und zum Umgang mit sexueller Belästigung an der Charité. Eine Workplace Policy ist ein vielschichtiges Instrument, mit dem sich Unternehmen aktiv der Bekämpfung der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz stellen. Durch die Schritte Aufmerksamkeit (Watch), Schutzangebote (Protect) und vorbeugende Maßnahmen (Prevent) soll die sexuelle Belästigung aufgedeckt, eingeschränkt oder gänzlich vermieden werden.
Weitergehende Hinweise finden sich auch in dem Leitfaden für Beschäftigte, Arbeitgeber und Betriebsräte „Was tun bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz?“ der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Dort finden sich weitere Beispiele von Good Practice bedeutender Unternehmen.
Was Arbeitgeber also tun müssen
Bei sexueller Belästigung in der Arbeitswelt geht es nicht um einen Flirt, sondern um eine besonders unprofessionelle Form der Machtausübung und damit um eine Verletzung der Menschenwürde. Es liegt im Interesse des Arbeitgebers, diese Gewalt zu bekämpfen, wo immer sie auftritt, um sie vom Arbeitsplatz zu verbannen. Auch die internationale Arbeitsorganisation ILO wird bis voraussichtlich 2019 eine entsprechende Konvention ausarbeiten, mit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer besser gegen Gewalt und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz geschützt werden sollen.
Entscheidend sind ein klares Bekenntnis des Unternehmens zur Diskriminierungs- und Gewaltfreiheit, auch mit Blick auf subtile Formen, und eine Null-Toleranz-Politik.
Adäquates Handlungsinstrument für Arbeitgeber ist eine Vereinbarung mit dem Betriebsrat, in der die unerwünschten Verhaltensweisen klar benannt, die vorbeugenden Maßnahmen wie Weiterbildung und Aufklärung beschrieben und das Beschwerde- und Sanktionsverfahren festgelegt werden.
Es ist allen Arbeitgebern dringend zu empfehlen, diese Herausforderungen anzunehmen. Sie erfüllen damit eine rechtliche Pflicht, schützen sich vor Schadensersatzersatzansprüchen, schaffen eine menschenwürdige und professionelle Arbeitsumgebung und werden dadurch auch zweifellos bessere Ergebnisse erzielen.

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(Büro Frankfurt)
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