Das Thema
In diesem Zusammenhang stellte das LAG klar, dass der Sonderkündigungsschutz gemäß § 15 Abs. 3b KSchG erst nach Ablauf der sechsmonatigen Wartezeit entstehe. Ferner machte das Gericht deutlich, dass ein Arbeitnehmer, der erst nachträglich geltend macht, zum Zeitpunkt der Kündigung eine Betriebsratswahl vorbereitet zu haben, diesen Sonderkündigungsschutz verliere, wenn er den Arbeitgeber nicht innerhalb von drei Wochen nach Erhalt der Kündigung, jedenfalls aber nicht innerhalb von drei Monaten nach Abgabe einer öffentlich beglaubigten Absichtserklärung über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 15 Abs. 3b KSchG, informiere.
Sachverhalt
Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 07.03.2024 als Sicherheitsmitarbeiter eingestellt. Bereits sechs Tage nach der Aufnahme seines Arbeitsverhältnisses ließ er notariell beglaubigen, dass er die Gründung eines Betriebsrats beabsichtige. Mit E-Mail vom 20.03.2024 teilte der Beschäftigte der Arbeitgeberin sodann mit, dass er für den Fall, dass im Unternehmen noch kein Betriebsrat existiere, beabsichtige, die Wahl eines solchen anzustoßen und zu einer entsprechenden Wahlversammlung einzuladen und bat um ein Verzeichnis der wahlberechtigten Arbeitnehmer. Daraufhin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich fristgerecht innerhalb der Probezeit zum 28.03.2024.
Der Kläger erhob gegen die Kündigung Kündigungsschutzklage. Er berief sich zunächst auf einen vermeintlichen Verstoß gegen das Verbot der Behinderung der Betriebsratswahl gemäß § 20 Abs. 1 BetrVG. Mit Schriftsatz vom 15.10.2024 machte er im weiteren Verfahrensverlauf zudem den Sonderkündigungsschutz gemäß § 15 Abs. 3b KSchG geltend. Die Vorschrift schütze nach seiner Auffassung auch sog. „Vorfeld-Initiatoren“, die eine Betriebsratswahl erst vorbereiten. Der Schutz beginne dabei nach Ansicht des Klägers bereits vor der offiziellen Einladung zur Wahlversammlung, soweit die Absicht des sog. „Vorfeld-Initiators“ zur Gründung eines Betriebsrats notariell beglaubigt worden sei.
Die Beklagte war dagegen der Auffassung, der Sonderkündigungsschutz gemäß § 15 Abs. 3b KSchG finde auf den vorliegenden Fall keine Anwendung, da die Kündigung noch innerhalb der sechsmonatigen Wartezeit erfolgt sei. Zunächst sei der Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes gemäß § 1 Abs. 1 KSchG vor Ablauf der sechsmonatigen Wartezeit nicht eröffnet. Ferner ergebe sich dies bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift, der nur Kündigungen aus Gründen „in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers“ erfasse. Die Probezeit sei jedoch nicht aus Gründen „in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers“ erfolgt, sondern, weil sich der Kläger aus Sicht der Beklagten im Rahmen seiner Tätigkeit als Sicherheitsmitarbeiter nicht bewährt habe und daher aus ihrer Sicht für eine solche Tätigkeit nicht geeignet sei.
Das Arbeitsgericht gab der Kündigungsschutzklage zunächst statt, da es die Voraussetzungen des Sonderkündigungsschutzes nach § 15 Abs. 3b KSchG als erfüllt ansah. Eine Frist, innerhalb derer sich ein Arbeitnehmer auf diesen Sonderkündigungsschutz berufen müsse, ließe sich dem KSchG nicht entnehmen.
Gegen dieses Urteil legte die Beklagte sodann Berufung zum LAG München ein.
Entscheidungsgründe
Das LAG München gab der Berufung der Beklagten statt und hob das arbeitsgerichtliche Urteil auf (Urt. v. 20.08.2025 – 10 SLa 2/25).
Es schloss sich der Auffassung der Beklagten an und stellte klar, dass der besondere Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 3b KSchG während der sechsmonatigen Wartezeit gemäß § 1 Abs. 1 KSchG keine Anwendung finde. Gemäß § 15 Abs. 3b Satz 1 KSchG ist die Kündigung eines Arbeitnehmers, der Vorbereitungshandlungen zur Errichtung eines Betriebsrats unternimmt und eine öffentlich beglaubigte Erklärung mit dem Inhalt abgegeben hat, dass er die Absicht hat, einen Betriebsrat zu errichten, unzulässig, soweit sie aus Gründen erfolgt, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen. Der besondere Kündigungsschutz gilt gemäß § 15 Abs. 3b Satz 2 KSchG von der Abgabe der Erklärung nach Satz 1 an bis zum Zeitpunkt der Einladung zu einer Betriebsversammlung oder Wahlversammlung, längstens jedoch für drei Monate. Eine Auslegung des § 15 Abs. 3b KSchG ergibt nach Auffassung des LAG München, dass die Vorschrift ausschließlich für Kündigungen gelte, die in den zeitlichen Anwendungsbereich des KSchG fielen. Dies gelte sowohl unter Beachtung des insoweit eindeutigen Wortlauts der Vorschrift als auch unter Berücksichtigung der Gesetzessystematik, die klar aufzeige, dass § 1 Abs. 1 KSchG den Anwendungsbereich für alle nachfolgenden Vorschriften zum Kündigungsschutz regelt und daher auch auf den Sonderkündigungsschutz nach § 15 Abs. 3b KSchG Anwendung finde.
Daneben sah das LAG den Sonderkündigungsschutz gemäß § 15 Abs. 3b KSchG in dem vorliegenden Fall als verwirkt an. Es stellte in diesem Zusammenhang klar, dass ein Arbeitnehmer, der erst nachträglich geltend mache, zum Zeitpunkt der Kündigung eine Betriebsratswahl vorbereitet zu haben, den Sonderkündigungsschutz verliere, wenn er den Arbeitgeber nicht innerhalb von drei Wochen nach Erhalt der Kündigung, jedenfalls aber nicht innerhalb von drei Monaten nach Abgabe einer öffentlich beglaubigten Absichtserklärung über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 15 Abs. 3b KSchG, informiere. Dem Kläger sei eine derartige Information der Beklagten mangels entgegenstehender Anhaltspunkte auch zumutbar gewesen. Jedenfalls sei der Beklagten nach Ablauf von – wie hier – mehr als sechs Monaten jegliche Reaktionsmöglichkeit auf die behauptete Anwendbarkeit von § 15 Abs. 3b KSchG genommen.
Die vollständigen Entscheidungsgründe des Urteils liegen bislang noch nicht vor und bleiben mit Spannung abzuwarten. Zudem ist das Urteil des LAG München bislang noch nicht rechtskräftig, da die Revision zugelassen wurde.
Fazit und Praxishinweis
Das Urteil ist aus Arbeitgebersicht begrüßenswert. Denn das Gericht stellt darin klar, dass Mitarbeiter sich durch die (angebliche) Vorbereitung einer Betriebsratswahl nicht wirksam vor einer Probezeitkündigung schützen können. Aus dem Urteil folgt insbesondere, dass Beschäftigte, die als „Betriebsratsgründungs-Hopper“ agieren, indem sie unmittelbar nach Beginn ihres Arbeitsverhältnisses die Initiative zur Gründung eines Betriebsrats ergreifen, mit dem Ziel, aus diesem Grund (vermeintlich unwirksam) gekündigt zu werden und im Kündigungsschutzprozess eine hohe Abfindung zu kassieren, keinen Sonderkündigungsschutz genießen.
Gleichwohl haben Arbeitgeber Unternehmen auch im Fall von Probezeitkündigungen das Verbot der Behinderung von Betriebsratswahlen gemäß § 20 Abs. 1 BetrVG zu berücksichtigen. Auch eine Probezeitkündigung darf mithin nicht auf die von dem Arbeitnehmer ergriffene Initiative zur Gründung eines Betriebsrats gestützt werden.
Unternehmen ist aus diesem Grund zu raten, frühzeitig zu reagieren und Rechtsberatung einzuholen, wenn Mitarbeiter bereits kurz nach Beginn ihres Arbeitsverhältnisses oder dann, wenn sie eine Probezeitkündigung erwarten, die Initiative zur Gründung eines Betriebsrats anzeigen. Insbesondere dann, wenn der Beschäftigte sich erst im laufenden Kündigungsschutzprozess auf den Sonderkündigungsschutz nach § 15 Abs. 3b KSchG beruft, ist es aus Arbeitgebersicht ratsam, die Fragen des Bestehens und der Verwirkung des Sonderkündigungsschutzes anwaltlich prüfen zu lassen.
Die Veröffentlichung der vollständigen Entscheidungsgründe des Urteils bleibt mit Spannung abzuwarten; ebenso, ob das BAG sich im Rahmen eines Revisionsverfahrens künftig mit diesen Fragen zu befassen haben wird und – wenn ja – wie seine Entscheidung dazu aussehen wird.