Das Thema
Urlaub – die schönste Zeit des Jahres. Umso ärgerlicher für Arbeitnehmer, wenn ausgerechnet für diesen Zeitraum eine behördlich angeordnete häusliche Quarantäne verhängt wird. Ob Arbeitgeber in solchen Fällen verpflichtet sind, bereits genehmigten Urlaub dem Urlaubskonto des Arbeitnehmers wieder gutzuschreiben und zu einem anderen Zeitraum zu gewähren, soll nun der EuGH entscheiden (BAG v. 16.8.2022 – 9 AZR 76/22 (A)).
Denn für Zeiten einer während des Erholungsurlaubs behördlich angeordneten Quarantäne sah jedenfalls bis Herbst 2022 weder das nationale Recht noch das Unionsrecht explizit die Nachgewährung von Urlaub vor. Der deutsche Gesetzgeber hat mit § 59 Abs. 1 IfSG zwischenzeitlich klargestellt, dass die Tage der Quarantäne nicht auf den Jahresurlaub anzurechnen sind. Die Regelung ist allerdings (erst) am 17. September 2022 in Kraft getreten, sodass die Entscheidung des EuGH für Fälle vor diesem Zeitpunkt – und das wiederum dürfte die Mehrzahl sein – sehr relevant sein wird. Das Vorabentscheidungsersuchen selbst wurde erst am 7. Dezember 2022 beim EuGH eingereicht.
Im Urlaub Anordnung häuslicher Quarantäne, aber keine Arbeitsunfähigkeit: Und nun?
In dem zugrunde liegenden Fall stritten der Arbeitgeber und der bei ihm als Schlosser beschäftigte Arbeitnehmer darüber, ob der Anspruch des Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub erfüllt wird, wenn für den bereits bewilligten Urlaubszeitraum durch die zuständige Behörde wegen des Verdachts auf Ansteckung mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 eine häusliche Quarantäne angeordnet wird.
Auf Antrag des Arbeitnehmers bewilligte der Arbeitgeber acht Tage Erholungsurlaub. Die Freude über den angetretenen Urlaub währte nicht lange, denn bereits zwei Tage nach Urlaubsantritt ordnete die zuständige Behörde die Absonderung des Arbeitnehmers in häusliche Quarantäne an, weil der Arbeitnehmer Kontakt zu einer mit dem Coronavirus infizierten Person hatte.
Dem Arbeitnehmer war unter anderem untersagt, seine Wohnung ohne ausdrückliche Zustimmung des Gesundheitsamtes zu verlassen. Arbeitsunfähig erkrankt war er während der gesamten Zeit jedoch nicht.
Der Arbeitnehmer verlangt Nachgewährung seiner Urlaubstage. Er ist der Ansicht, diese seien wegen der verhängten Quarantäne nicht verbraucht, da er seinen Urlaub nicht selbstbestimmt gestalten konnte. Den entbrannten Streit darüber, ob die mit der Quarantäne zusammenfallenden Urlaubstage vom Arbeitgeber wieder gutgeschrieben werden müssen, soll nun der EuGH klären.
Arbeitgeber schuldet keinen „Urlaubserfolg“
Umstände, die nach der Bewilligung des Urlaubs dazu führen, dass der Arbeitnehmer seine Urlaubszeit nicht oder nicht uneingeschränkt in der beabsichtigten Weise nutzen kann, sind grundsätzlich dem persönlichen Lebensbereich des Arbeitnehmers zuzuordnen und fallen damit regelmäßig in seine Risikosphäre. Mit der Festlegung des Urlaubszeitraums auf Wunsch des Arbeitnehmers (§ 7 Abs. 1 BUrlG) hat der Arbeitgeber als Schuldner des Anspruchs auf bezahlte Freistellung das zu seiner Leistung Erforderliche im Sinne von § 362 Abs. 1 BGB getan. Der Arbeitgeber ist grundsätzlich nicht dafür verantwortlich, dass der Arbeitnehmer den bereits bewilligten Urlaub auch so nutzen kann, wie er es sich vorgestellt hat.
Ausnahme: Erkrankung während des Urlaubs
Eine Ausnahme von diesem Grundsatz liegt unter anderem dann vor, wenn der Arbeitnehmer während des Urlaubs arbeitsunfähig erkrankt. Während der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit liegt der Fokus des Arbeitnehmers typischerweise auf seiner Genesung und der Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit. Dies läuft dem Zweck des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub zuwider, der darin besteht, dem Arbeitnehmer die Möglichkeit zu geben, sich zu erholen und über einen Zeitraum der Entspannung und Freizeit zu verfügen. Die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit werden daher nach § 9 BUrlG nicht auf den Jahresurlaub angerechnet.
Für Zeiten einer während des Erholungsurlaubs behördlich angeordneten Quarantäne sah im streitgegenständlichen Zeitraum jedoch weder das nationale Recht noch das Unionsrecht explizit die Nachgewährung von Urlaub vor.
Keine analoge Anwendung von § 9 BUrlG
Die Frage des Zusammenfalls von Quarantäne und Urlaub war im Zuge der Pandemie mehrfach Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen. Die Rechtsprechung hat bislang überwiegend keinen Anlass dafür gesehen, das Risiko des „Urlaubserfolgs“ – über den gesetzlichen Regelungsbereich des § 9 hinaus – dem Arbeitgeber aufzuerlegen.
Eine analoge Anwendung des § 9 BUrlG bei einer behördlichen Quarantäneanordnung wegen einer Infektion mit dem Coronavirus lehnt das BAG auch in diesem dem Vorabentscheidungsersuchen zugrunde liegenden Fall im Gegensatz zur Vorinstanz ab. Die Situation eines von einer behördlichen Anordnung zur häuslichen Quarantäne Betroffenen, der selbst nicht arbeitsunfähig erkrankt sei, unterscheide sich wesentlich von der eines wegen Arbeitsunfähigkeit misslungenen Urlaubs, so das BAG.
Das Gericht hält es aber gleichzeitig für geboten, diese Frage dem EuGH vorzulegen, und von diesem prüfen lassen, ob europarechtliche Vorgaben – insb. Art. 7 RL 2003/88/EG und Art. 31 II GrC – entgegenstehen.
Klare Regelung für die Zukunft
Der deutsche Gesetzgeber hat mit § 59 Abs. 1 IfSG zwischenzeitlich klargestellt, dass die Tage der Quarantäne nicht auf den Jahresurlaub anzurechnen sind und damit eine den §§ 9, 10 BUrlG vergleichbare Regelung für die Zukunft geschaffen.
Die Regelung ist am 17. September 2022 in Kraft getreten, sodass die Entscheidung des EuGH nur für Fälle – und das wiederum dürfte die Mehrzahl sein – vor diesem Zeitpunkt relevant werden dürfte.
(Anm. der Redaktion: In der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung werden die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie noch Stück für Stück weiter aufgearbeitet – > Ein aktueller Überblick).