Das Thema
Bei der Formulierung von (wirksamen) Verfallklauseln in Arbeitsverträgen war schon immer höchste Vorsicht geboten. Eine neue Entscheidung des BAG wird in vielen Fällen erneut eine Anpassung etwaiger Arbeitsvertragsmuster notwendig machen, um Ansprüche aus vorsätzlicher Vertragsverletzung und vorsätzlicher unerlaubter Handlung ausdrücklich ausnehmen zu können.
Rechtsprechungsänderung des BAG zur Reichweite von Verfallklauseln
Das BAG hatte im Sachverhalt zu seinem Urteil vom 26.11.2020 (8 AZR 58/20) über die Wirksamkeit der folgenden (bisher) üblichen arbeitsvertraglichen Verfallklausel zu entscheiden:
„Alle Ansprüche, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergeben, sind binnen einer Ausschlussfrist von zwei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen und im Fall der Ablehnung durch die Gegenpartei binnen einer Ausschlussfrist von einem Monat einzuklagen.“
Auf Grundlage dieser Klausel nahm der Arbeitgeber seine ehemalige Buchhalterin i. H. v. EUR 113.278,72 wegen der Begleichung privater Rechnungen mit Firmengeldern in Anspruch.
Das LAG hatte unter Bezugnahme auf eine frühere Entscheidung des BAG ausgeführt, dass die Verfallklausel dahingehend auszulegen sei, dass Schadensersatzansprüche wegen vorsätzlicher Vertragsverletzung und vorsätzlicher unerlaubter Handlung von der Klausel nicht erfasst werden. Von dieser Auffassung nahm der Senat nun ausdrücklich Abstand.
Das BAG ist nunmehr der Auffassung, dass von einer solchen arbeitsvertraglichen Verfallklausel grundsätzlich alle wechselseitigen Ansprüche der Vertragsparteien erfasst sind. Damit seien auch Schadensersatzansprüche aus vorsätzlicher Vertragsverletzung und aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung erfasst.
Die früher vertretene Auffassung käme einer nach § 306 BGB verbotenen geltungserhaltenden Reduktion gleich.
Neue Auslegung führt zur Unwirksamkeit der Klausel
Die neue Auslegung des BAG führt dazu, dass die Verfallklausel mangels ausdrücklicher Herausnahme derartiger Schadenersatzansprüche insgesamt unwirksam ist. Die streitgegenständliche Klausel sei wegen eines Verstoßes gegen § 202 Abs. 1 BGB nach § 134 BGB nichtig.
Gem. § 202 Abs. 1 BGB kann die Verjährung bei Haftung wegen Vorsatzes nicht im Voraus durch Rechtsgeschäft erleichtert werden.
Da die Klausel wegen des Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot und nicht wegen eines Verstoßes gegen AGB-Recht unwirksam ist, greifen die Grundsätze über die personale Teilunwirksamkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht. Der Verwender von AGB kann sich grundsätzlich nicht auf die Unwirksamkeit einer Klausel nach den §§ 307 ff. BGB berufen. Dieser Grundsatz ist aber nicht anwendbar, sofern eine Klausel wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB nichtig ist.
Anpassungsbedarf in Arbeitsverträgen: Klauselvorschlag
Was dem Arbeitgeber in diesem Fall (ausnahmsweise) zu Gute kam, bedeutet für gewöhnlich aber ein erhebliches Risiko für Arbeitgeber. Eine Verfallklausel soll den Arbeitsvertragsparteien, insbesondere dem Arbeitgeber, zügig Gewissheit darüber verschaffen, welche Ansprüche noch geltend gemacht werden können. Ist die Verfallklausel unwirksam, können Arbeitnehmer noch Jahre später Ansprüche geltend machen.
Daher sollte auf die Formulierung von Verfallklauseln in Arbeitsverträgen ein besonderes Augenmerk gelegt werden. Insbesondere sollten zukünftige Arbeitsverträge an die neue Rechtsprechung angepasst werden und Ansprüche aus vorsätzlicher Vertragsverletzung und vorsätzlicher unerlaubter Handlung ausdrücklich ausnehmen.
Zusätzlich sollten stets Ansprüche nach dem MiLoG sowie Ansprüche aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit von der Verfallklausel ausgenommen werden.
Eine an diese Rechtsprechungsänderung angepasste Klausel im Arbeitsvertrag könnte wie folgt lauten:
[…] Verfall
- Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, soweit sie nicht innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Fälligkeit in Textform gegenüber der anderen Partei geltend gemacht werden.
- Lehnt die leistungspflichtige Partei den Anspruch in Textform ab oder erklärt sich innerhalb von zwei Wochen nach Geltendmachung des Anspruchs nicht hierzu, verfällt der Anspruch auch dann, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten nach Ablehnung oder nach Ablauf der zweiwöchigen Erklärungsfrist gerichtlich geltend gemacht wird.
- Diese Regelung gilt nicht für Ansprüche aus einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Vertragsverletzung oder vorsätzlichen oder grob fahrlässigen unerlaubten Handlung, Ansprüche aus einer Verletzung der Körpers, der Gesundheit oder des Lebens, Ansprüche auf Mindestlohn aus dem Mindestlohgesetz, dem Arbeitnehmerentsendegesetz oder dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz und andere gesetzliche Mindestarbeitsbedingungen sowie für andere gesetzliche oder tarifliche Ansprüche, auf die nicht verzichtet werden kann.
Und gilt bei einer tarifvertraglich vereinbarten Verfallklausel?
Häufig werden Arbeitsverhältnisse durch Tarifverträge ausgestaltet. Diese enthalten in der Regel ebenfalls Verfallklauseln, die die neue Rechtsprechung nicht berücksichtigt.
Eine Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB findet hierbei gem. § 310 Abs. 4 S. 1 BGB grundsätzlich nicht statt. Das ist auch dann der Fall, wenn der Tarifvertrag durch den Arbeitsvertrag in Bezug genommen wird und das Arbeitsverhältnis im Geltungsbereich des Tarifvertrags liegt.
Etwas anderes könnte sich für Verfallklauseln aus der neuen Rechtsprechung des BAG ergeben, da die Verfallklausel nicht wegen eines Verstoßes gegen AGB-Recht, sondern wegen eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot unwirksam war. In diesem Fall findet § 310 Abs. 4 S. 1 BGB keine Anwendung.
Arbeitgeber, die in Arbeitsverträgen auf Tarifverträge verweisen, sollten sich daher nicht auf die tarifliche Verfallklausel verlassen, sondern zusätzlich im Arbeitsvertrag eine wirksame Verfallklausel vereinbaren.