Das Thema
Die erforderliche Zustimmung des Betriebsrats zur Durchführung personeller Einzelmaßnahmen nach § 99 BetrVG beschäftigt nicht nur regelmäßig die Betriebsparteien, sondern ist auch Gegenstand zahlreicher Entscheidungen der Arbeitsgerichte. Durch das weite Begriffsverständnis des BAG zur Versetzung i.S.d. § 95 Abs. 3 BetrVG wird das Direktionsrecht des Arbeitgebers jedoch nicht vollends eingeschränkt; wie so oft kommt es – so auch beim Outplacement – auf die konkrete Ausgestaltung an.
Als Outplacement wird allgemein eine professionelle Qualifizierungsmaßnahme zur beruflichen Neuentwicklung bezeichnet. Das Outplacement soll helfen, eine berufliche Perspektive nach Wegfall des Arbeitsplatzes aufzubauen. Dabei erfolgt das Outplacement innerbetrieblich oder durch einen externen Berater entweder durch eine Einzelberatung, ein Gruppen-Outplacement oder ausschließlich unter Nutzung elektronischer Kommunikationsmittel beim sog. ePlacement.
Mit seinem aktuellen Beschluss vom 9. April 2019 (1 ABR 25/17) musste das BAG über die Verweigerung der Zustimmung des Betriebsrat zum Wechsel eines Arbeitnehmers in die Betreuung durch eine innerbetriebliche „Job Service und Placement“ befinden. Da es sich um eine zustimmungspflichtige Versetzung i.S.d. § 99 Abs. 1 BetrVG handle, müsse sich die Unterrichtung im Zustimmungsverfahren auch auf das vorangegangene innerbetriebliche Auswahlverfahren erstrecken. Das BAG bestätigte die Rechtsauffassung des Betriebsrats.
Einrichtung einer innerbetrieblichen „Job Service und Placement“ Einheit
Die Arbeitgeberin und der Gesamtbetriebsrat schlossen eine Rahmenvereinbarung zur Auswahl der Beschäftigten, die aufgrund eines Interessenausgleichs von einem Arbeitsplatzwegfall betroffen oder jedenfalls teilbetroffen waren. Unter Berücksichtigung festgelegter Kriterien wurden die Arbeitnehmer durch ein paritätisch besetztes Komitee ausgewählt, welche in die Betreuung durch eine innerbetriebliche „Job Service und Placement“ Einheit (JSP) übergehen.
Dort sollten die Arbeitnehmer bis zur Weitervermittlung auf einen anderen Arbeitsplatz betreut und auf der Suche nach anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeiten unterstützt werden. Die Arbeitnehmer blieben zu temporären Projekteinsätzen und Qualifizierungsmaßnahmen verpflichtet. Nachdem das Umsetzungsteam im streitgegenständlichen Fall den Wegfall des Arbeitsplatzes des betroffenen Arbeitnehmers feststellte und zum Wechsel in die JSP auswählte, beantragte die Arbeitgeberin die Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung des Arbeitnehmers. Der Betriebsrat verweigerte die Zustimmung. Beteiligt auf Seiten des Betriebsrats ist der neu errichtete, regionale Betriebsrat aufgrund eines geänderten Zuordnungstarifvertrages gem. § 3 BetrVG.
BAG: Übergang in Qualifizierungseinheit ist Versetzung
Nachdem das Arbeitsgericht die Anträge der Arbeitgeberin mangels ordnungsgemäßer Unterrichtung abwies, hat das Landesarbeitsgericht (LAG) die Beschwerde der Arbeitgeberin mit der Begründung zurückgewiesen, der Übergang des Arbeitnehmers sei keine mitbestimmungspflichtige Versetzung.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) folgte jedoch der Auffassung des Betriebsrats und stellte fest, dass der Übergang des Arbeitnehmers in die Betreuung durch JSP eine Versetzung darstelle, Beschluss vom 9. April 2019 (1 ABR 25/17). Die im Rahmen des Zustimmungsverfahrens erfolgte Anhörung des Betriebsrats sei jedoch nicht ordnungsgemäß erfolgt. Damit war die Beschwerde des Betriebsrats gegen die Entscheidung des LAG erfolgreich.
Eingangs betonte das BAG im Rahmen der Zulässigkeit die Anwendbarkeit des Grundsatzes der Kontinuität der betrieblichen Interessenvertretung auf gewillkürte Betriebsratsstrukturen i.S.d. § 3 BetrVG. Nach Änderung, Ende oder Ergänzung eines Tarifvertrages ist folglich der darauf errichtete Betriebsrat – ebenso wie nach erfolgter Neuwahl des Gremiums – Funktionsnachfolger, wenn die vor und nach der tariflichen Änderung von den Betriebsräten jeweils repräsentierten organisatorischen Einheiten zuverlässig voneinander abgegrenzt werden können.
Wann liegt eine zustimmungspflichtige Versetzung vor?
Eine Versetzung liegt nach Ansicht des BAG vor, wenn sich das gesamte Bild der Tätigkeit des Arbeitnehmers so verändert hat, dass die neue Tätigkeit vom Standpunkt eines mit den betrieblichen Verhältnissen vertrauten Beobachters nunmehr als eine „andere“ anzusehen ist. Eine solche Änderung liegt jedoch dann nicht vor, wenn dem Arbeitnehmer die Tätigkeiten vollständig entzogen werden und kein neuer Arbeitsbereich zugeordnet wird. Daher stellt eine Freistellung für den Lauf der Kündigungsfrist keine Versetzung vor (vgl. BAG v. 08.11.2016 – 1 ABR 56/14). Dies soll nach der bisherigen Rechtsprechung auch dann gelten, wenn dem Arbeitnehmer allgemeine Fortbildungs- und Schulungsmaßnahmen zugewiesen werden (LAG Schleswig-Holstein v. 14.07.2016 – 6 TaBV 53/15).
Vorliegend sollten dem Arbeitnehmer seine bisherigen Arbeitsaufgaben entzogen werden. Ihm wurde aufgetragen, sich aktiv an der Weitervermittlung zu beteiligen sowie auf Anforderung temporäre Projekteinsätze durchzuführen. Daher hat sich nach Auffassung des BAG die Tätigkeit geändert. Es ist nicht lediglich ein Entzug der Arbeitsaufgaben bei gleichzeitiger Durchführung allgemeiner Fortbildungs- und Schulungsmaßnahmen. Der Wechsel in die JSP stellt eine „andere“ Tätigkeit dar. Die Arbeitspflichten sind aufgrund der Verpflichtung zu temporären Projekteinsätzen nicht dauerhaft suspendiert, so dass es sich um eine zustimmungspflichtige Versetzung handelt.
BAG betont die Rechte des Betriebsrates im Rahmen personeller Einzelmaßnahmen
Der Betriebsrat muss aufgrund der Unterrichtung in die Lage versetzt werden zu prüfen, ob einer der in § 99 Abs. 2 BetrVG genannten Zustimmungsverweigerungsgründe vorliegt (BAG v. 13.03.2013 – 7 ABR 39/11). Da es sich bei der Rahmenvereinbarung zwischen Arbeitgeberin und Gesamtbetriebsrat über das Auswahlverfahren um eine Richtlinie i.S.d. § 95 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 99 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG handelt und damit ein Verstoß gegen die Auswahlrichtlinie zur Verweigerung der Zustimmung berechtigt, muss der Betriebsrat in der Lage sein zu prüfen, ob die Vorgaben des Auswahlverfahrens eingehalten worden sind. Vorliegend lagen dem Betriebsrat nicht hinreichende Angaben vor, um zu prüfen, ob die Vorgaben des Auswahlverfahrens eingehalten worden sind.
Mit dieser Entscheidung betont das BAG die Rechte des Betriebsrates im Rahmen der personellen Einzelmaßnahmen. Da es sich um eine personelle Einzelmaßnahme handelt, darf diese ohne Zustimmung des Betriebsrats nicht durchgeführt werden. Der Arbeitnehmer darf nicht die geänderte Tätigkeit aufnehmen; auch wenn – wie im vorliegenden Fall – der bisherige Arbeitsplatz entfallen ist.
Handlungsempfehlungen für die Praxis
Bei Unsicherheit über das Vorliegen einer personellen Einzelmaßnahme ist ein vorsorgliches Zustimmungsverfahren zu empfehlen. Sollte jedoch eine schnelle Lösung ohne Zustimmung des Betriebsrats dringend erforderlich sein, kann die personelle Einzelmaßnahme nach § 100 BetrVG zunächst vorläufig durchgeführt werden.
Verweigert der Betriebsrat die Zustimmung zur vorläufigen Durchführung, hat der Arbeitgeber die Ersetzung der Zustimmung – binnen drei Kalendertagen (!) – zu beantragen. Während des Zustimmungsersetzungsverfahrens kann der Arbeitgeber hiervon unberührt die Maßnahme ausführen und häufig wird sich diese bereits im Laufe des Verfahrens durch Zeitablauf erledigen.
Wechsel in reine Outplacementmaßnahme bleibt ohne Einholung der Zustimmung des Betriebsrats möglich
Erfreulicherweise qualifiziert das BAG weiterhin ein Outplacement nicht grundsätzlich als Versetzung im Sinne des § 95 Abs. 1 BetrVG. Somit bleibt der Wechsel von Arbeitnehmern in eine reine Outplacementmaßnahme bzw. Qualifizierungseinheit ohne Einholung der Zustimmung des Betriebsrats möglich.
Entscheidend ist dabei, dass die Arbeitnehmer nicht – wie im vorliegenden Fall – projektweise zur Arbeit abberufen werden können oder geänderte Arbeitsaufgaben übertragen bekommen. Sofern eine Maßnahme nicht länger als einen Monat andauert und keine erhebliche Änderung mit sich bringt, bleibt die Durchführung ohne die Zustimmung des Betriebsrats ebenfalls möglich.
Damit können Arbeitnehmern ohne Zustimmung des Betriebsrats wiederholt kurzfristige Qualifizierungseinheiten aufgetragen werden, sofern diese nicht länger als einen Monat andauern.