[Update der Red., 13. Juni 2018: Inzwischen hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 6. Juni 2018 – 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14 – die Verfassungsmäßigkeit des Vorbeschäftigungsverbotes bestätigt. Darüber weist das Bundesverfassungsgericht darauf hin, das – entgegen der Auffassung des BAG – das Vorbeschäftigungsverbot nicht dahingehend ausgelegt werden, dass eine weitere sachgrundlose Befristung zwischen denselben Vertragsparteien zulässig ist, wenn zwischen den Arbeitsverhältnissen ein Zeitraum von mehr als drei Jahren liegt.]
Das Thema
Nach der Rechtsprechung des BAG aus dem Jahr 2011 (Urteil vom 6.4.2011 − 7 AZR 716/09; bestätigt mit Urteil vom 21.9.2011 – 7 AZR 375/10) ist das Vorbeschäftigungsverbot bei sachgrundlosen Befristungen gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG zeitlich nicht unbegrenzt. Konkret: Nach Auffassung des BAG steht ein früheres Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers mit demselben Arbeitgeber einer sachgrundlosen Befristung dann nicht entgegen, wenn das Ende des vorangegangenen Arbeitsverhältnisses mehr als drei Jahre zurückliegt.
Mit den Landesarbeitsgerichten (LAG) Niedersachsen, Schleswig-Holstein und zuletzt Hessen haben sich weitere LAG bei der sachgrundlosen Befristung gegen das Bundesarbeitsgericht (BAG) gestellt. Nach Ansicht der genannten Landesarbeitsgerichte ist dieses sog. Vorbeschäftigungsverbot entgegen der Rechtsprechung des BAG zeitlich unbegrenzt. Streitpunkt der Instanzen ist die Regelung in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG, wonach ein früheres Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers mit demselben Arbeitgeber einer sachgrundlosen Befristung entgegensteht – eine zeitliche Begrenzung nennt das Gesetz nicht.
Rebellen fordern zeitlich unbegrenztes Vorbeschäftigungsverbot
Bereits das LAG Baden-Württemberg hat dem BAG gleich in drei Entscheidungen die Gefolgschaft verweigert (Urteil vom 11.8.2016 – 3 Sa 8/16, Urteil vom 13.10.2016 – 3 Sa 34/16, sowie Urteil vom 26.9.2013 – 6 Sa 28/13).
Nun haben auch kurz hintereinander das LAG Niedersachsen (Urteil vom 23.05.2017 – 9 Sa 1304/16) und das LAG Schleswig-Holstein (Urteil vom 27.7.2017 – 4 Sa 221/16) entschieden, dass ein früheres Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers mit demselben Arbeitgeber einer sachgrundlosen Befristung auch dann entgegensteht, wenn das Ende des vorangegangenen Arbeitsverhältnisses mehr als drei Jahre zurückliegt.
Und jüngst hat sich nun auch die 8. Kammer des LAG Hessen in einem vor Kurzem ergangenen Urteil den „Rebellen“ angeschlossen: „In § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist gesetzlich ein zeitlich unbegrenztes Vorbeschäftigungsverbot geregelt. Dieses ist nicht auf frühere Arbeitsverhältnisse beschränkt, die weniger als drei Jahre zurückliegen.“ (Urteil vom 11.07.2017 – 8 Sa 1578/16).
Die Begründung der Rebellen
Nach Ansicht der LAG ist dieses sog. Vorbeschäftigungsverbot entgegen der Rechtsprechung des BAG zeitlich unbegrenzt. Die LAG und auch die sich zur Linie des BAG überwiegend kritisch äußernde Literatur meinen, dass weder der Wortlaut noch der Zweck oder die Entstehungsgeschichte des Gesetzes ausreichende Anhaltspunkte für eine zeitliche Begrenzung enthalten. Auch seien durchgreifende unions- oder verfassungsrechtliche Bedenken gegen ein zeitlich unbegrenztes Vorbeschäftigungsverbot nicht ersichtlich. Aufgrund der überwiegend deutlichen Kritik an der Rechtsprechung des BAG könnten Arbeitgeber auf die Wirksamkeit der Befristung auch nicht vertrauen.
In einem anderen, dieselbe Rechtsfrage betreffenden Verfahren hat das Arbeitsgericht Braunschweig das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Das Bundesverfassungsgericht hat über den Vorlagebeschluss noch nicht entschieden (Az. 1 BvL 7/14). Zudem ist auch eine Verfassungsbeschwerde mit demselben Streitgegenstand beim Bundesverfassungsgericht anhängig (Az. 1 BvR 1375/14).
Und was, wenn die Rebellion erfolgreich ist?
Soweit ersichtlich, sind allen genannten LAG-Entscheidungen nicht rechtskräftig, sondern die Revisionsverfahren dazu beim BAG anhängig. Die entsprechenden Entscheidungen des BAG werden mit Spannung erwartet. Der Ausgang kann vor dem Hintergrund der massiven Kritik an der Rechtsprechung des BAG und vor allem auch aufgrund eines zwischenzeitlichen “Personalwechsels” im für das Befristungsrecht zuständigen 7. Senat des BAG durchaus als offen bezeichnet werden.
Das bedeutet für Arbeitgeber, dass sie sich auf eine zeitliche Begrenzung des Vorbeschäftigungsverbot auf die drei Jahre vor der erneuten sachgrundlosen Befristung nicht verlassen können. Im Zweifel ist zu prüfen, ob eine Befristung mit Sachgrund darlegbar und beweisbar ist.
Ansonsten gilt jedenfalls bei sachgrundlosen Befristungen, die nach der Linie der genannten LAG-Entscheidungen wegen Verstoßes gegen das Vorbeschäftigungsverbot unwirksam sein könnten, obwohl der Drei-Jahres-Abstand eingehalten worden ist: Erhebt der Arbeitnehmer rechtzeitig, d.h. innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsvertrages Entfristungsklage (§ 17 S. 1 TzBfG)?
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