Das Thema
Im kommenden Jahr in der Zeit vom 1. März bis 31. Mai finden deutschlandweit die regelmäßigen Betriebsratswahlen finden statt. Natürlich werden auch außerhalb dieses Zeitraumes Betriebsräte gewählt. In beiden Fällen wichtig: Aus Arbeitgebersicht kommt es auf eine frühzeitige und gute Planung an, um fehlerhafte Zusammensetzungen, unzutreffende Mitgliederzahlen und damit eventuelle Anfechtungen und eine Wiederholung der Wahl zu vermeiden.
Zuständig für die Organisation und Durchführung der Betriebsratswahl ist der Wahlvorstand. Und dieser hat dabei mit einigen inhaltlichen Herausforderungen zu kämpfen, nicht zuletzt mit der sich ständig verändernden Corona-Lage in den Unternehmen. Die Corona-Pandemie erschwert(e) etwa die Bestellung und Arbeit des Wahlvorstandes.
Was beispielsweise tun, wenn Arbeitsgerichte einen Antrag auf gerichtliche Bestellung eines Wahlvorstands ablehnen, eine Betriebsversammlung aber aufgrund von Corona zur Bestellung des Wahlvorstandes nicht stattfinden kann?
Wahlvorstand: Die Bestellung
In Betrieben mit Betriebsrat ist dieser für die Bestellung des Wahlvorstandes zuständig. Ist kein Betriebsrat vorhanden, bestellt der Gesamt- beziehungsweise Konzernbetriebsrat den Wahlvorstand.
Besteht auch dieser nicht, erfolgt die Wahl des Wahlvorstands durch die Mitarbeiter auf einer Betriebsversammlung. Findet trotz Einladung keine Betriebsversammlung statt oder wählt die Betriebsversammlung keinen Wahlvorstand, bestellt ihn das Arbeitsgericht.
Im vereinfachten Wahlverfahren wird der Wahlvorstand durch den bestehenden Betriebsrat beziehungsweise Gesamt- oder Konzernbetriebsrat bestellt. In Betrieben ohne Betriebsrat beziehungsweise Gesamt- oder Konzernbetriebsrat erfolgt die Wahl auf einer Wahlversammlung durch die Mitarbeiter.
Wahlvorstand und Corona: Wie die Bestellung vornehmen?
Die Corona-Pandemie erschwert(e) die Durchführung von Betriebsversammlungen erheblich und führte sogar zum Teil zu einer Unmöglichkeit der Versammlungen. Als alternative Option wurde demnach teilweise die Bestellung des Wahlvorstands durch das zuständige Arbeitsgericht ohne vorherige Einladung zu einer Betriebsversammlung erwogen.
Die Hürden dazu liegen allerdings hoch.
Das hat das Arbeitsgericht (ArbG) Darmstadt jetzt klargestellt und einen Antrag auf gerichtliche Bestellung eines Wahlvorstands mit Beschluss vom 15.06.2021 abgelehnt (Az.: 4 BV 7/21).
Arbeitsgericht lehnt Antrag auf Bestellung ab
Die gerichtliche Bestellung eines Wahlvorstands hatten in diesem Fall drei Beschäftigte eines Betriebes ohne Betriebsrat beim ArbG Darmstadt beantragt. Zu einer erforderlichen Betriebsversammlung luden die drei Antragsteller jedoch nicht ein, sondern beantragten direkt die Bestellung des Wahlvorstands durch das ArbG gemäß § 17 Abs. 4 BetrVG. Sie argumentierten, dass aufgrund der Corona-Pandemie und der einzuhaltenden Schutzmaßnahmen eine Betriebsversammlung weder im Betrieb noch in anderen Räumlichkeiten durchgeführt werden könne.
Das ArbG Darmstadt war davon nicht überzeugt und wies den Antrag zurück. Eine Einladung zu einer Betriebsversammlung sei grundsätzlich nicht verzichtbar. Zwar hätte man dies bspw. im März 2021 zu Hochinzidenzzeiten noch anders sehen können – so wie das ArbG Lingen (Beschl. v. 19.3.2021 – 1 BV 1/21), das ArbG Mainz (Beschl. v. 10.12.2020 – 9 BV 25/20 nkr.) oder das ArbG Saarland (Beschl. v. 12.2.2021 – 10 BV 94/20).
Zu diesem Zeitpunkt sei es nicht zumutbar und verantwortungsvoll gewesen, eine Betriebsversammlung mit 190 Personen in einem Raum durchzuführen. Die derzeitige Lage sei jedoch nicht mit der Lage im März 2021 vergleichbar. Die erheblichen Kontaktbeschränkungen gelten in dieser Strenge nicht mehr und die Inzidenz habe deutschlandweit seinerzeit in vielen Landkreisen bei weit über 100 gelegen.
Zum Zeitpunkt der Entscheidung lag die Inzidenz in Darmstadt jedoch bei unter 13. Die Antragsteller könnten zudem auch vorab anfragen, ob Arbeitnehmer bereit sind, zu erklären, ob sie bereits vollständig geimpft oder genesen sind. Wenn dies auf eine größere Zahl an Mitarbeitern zuträfe, könnten auch Veranstaltungen mit weit mehr als 100 Personen stattfinden. Die Lage könne sich zwar zugegebenermaßen jederzeit wieder ändern. Das Gericht ging aber zumindest für die Sommermonate aufgrund des warmen Wetters, der fortschreitenden Impfung der Bevölkerung und der Einreisebeschränkungen aus Hochrisikogebieten und Gebieten mit Mutationen des Virus nicht davon aus, dass eine Betriebsversammlung nicht stattfinden könne.
Rechte und Pflichten des Wahlvorstands
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Wahlvorstand mit den erforderlichen Informationen und Sachmitteln zu versorgen; zudem kann sich der Wahlvorstand schulen lassen. Der Wahlvorstand muss prüfen, ob und in welchem Umfang er die Zurverfügungstellung von Sachmitteln für erforderlich halten darf.
Je nach Umständen des Einzelfalls wird zu einer erforderlichen Ausstattung eines Wahlvorstands insbesondere gehören, dass der Arbeitgeber
- einen Raum mit Stühlen und Tischen
- eine Druck-/Kopiermöglichkeit
- einen verschließbaren Schrank
- einen Computer/Laptop mit E-Mail und Internetzugang
- Wahlurnen
- Bürokleinmaterialien
- Möglichkeiten für Bekanntmachungen
- Wahlraum
zur Verfügung stellt.
Dabei muss der Betriebsrat im Auge behalten, dass er nur für eine sehr begrenzte Zeit im Amt ist. Das bedeutet, dass es in der Regel ausreicht, ihm temporär bereits vorhandenes Equipment und Räume des Arbeitgebers zur Mitnutzung anzubieten. So darf es der Wahlvorstand regelmäßig nicht für erforderlich halten, dass der Arbeitgeber Drucker, Kopierer, höhenverstellbares Mobiliar, Stempel für den Wahlvorstand anschafft oder Räume anmietet.
Der Wahlvorstand kann die Zurverfügungstellung tatsächlich erforderlicher Sachmittel auch im Rahmen einer einstweiligen Verfügung vom Arbeitgeber verlangen.
Auch Unterlagen sind dem Wahlvorstand zur Verfügung zu stellen
Entsprechendes gilt für die Zurverfügungstellung der für die Wahl erforderlichen Informationen nebst Unterlagen. Hierzu gehört insbesondere:
- Übersicht über die im Betrieb Beschäftigten (Name, Vorname, Geschlecht, Geburtsdatum, Dauer der Beschäftigung
- Informationen zu (möglichen) leitenden Angestellten
Auch diese Informationen nebst Unterlagen kann der Wahlvorstand im Wege der einstweiligen Verfügung vom Arbeitgeber verlangen. Eine solche einstweilige Verfügung scheidet indessen aus, wenn der Wahlvorstand die Wahl (wenn auch unter erschwerten Bedingungen) ohne diese Informationen und Unterlagen durchführen kann.
Mitglieder des Wahlvorstands haben Anspruch auf Schulungen
Die Wahlvorstandsmitglieder haben grundsätzlich Anspruch auf eine Schulung über die Wahlvorschriften, wenn sie erforderlich ist. Die Erforderlichkeit der Teilnahme an einer Schulung wird am konkreten Wissensstand des einzelnen Wahlvorstandsmitglieds im Hinblick auf die zur ordnungsgemäßen Durchführung der Betriebsratswahl notwendigen Kenntnisse bestimmt.
Bei erstmals berufenen Wahlvorstandsmitgliedern ist die Erforderlichkeit der Vermittlung dieser Kenntnisse in aller Regel zu bejahen, ohne dass dies vom betreffenden Wahlvorstandsmitglied näher dargelegt werden müsse.
Das Betriebsrätemodernisierungsgesetz, das nun virtuelle Sitzungen des Betriebsrats erlaubt, wenngleich unter sehr strengen Voraussetzungen, hat für Wahlvorstände keine Erleichterungen in Richtung Digitalisierung gebracht.
Das ist aus Sicht der Praxis wenig verständlich. Die Arbeit des Wahlvorstands ist wie die Betriebsratswahl selbst nach wie vor analog. Online-Wahlen etc. bleiben unzulässig. Mit vielen Beschäftigen im Homeoffice macht das die Arbeit des Wahlvorstands nicht leichter.
Wichtige Aufgaben des Wahlvorstands
In einem ersten Schritt erstellt der Wahlvorstand eine Liste der Wahlberechtigten (Wählerliste). Die Betriebsratswahl wird durch den Erlass des Wahlausschreibens eingeleitet. Hierzu muss der Wahlvorstand prüfen, für welche organisatorische Einheit überhaupt ein Betriebsrat zu wählen ist.
Entscheidend für die Betriebsratswahl ist also, in welchen Unternehmensteilen Betriebsräte gewählt werden können. Grundsätzlich ist das der Betrieb. Betriebsratsfähig sind Betriebe mit mindestens fünf wahlberechtigten Arbeitnehmern. Aber auch in Betriebsteilen, die vom Hauptbetrieb weit entfernt oder/und durch ihren Aufgabenbereich und ihre Organisation eigenständig sind, können Betriebsräte gebildet werden.
Mehrere Unternehmen können zudem einen gemeinsamen Betrieb bilden. Hiervon ist auszugehen, wenn die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel für einen einheitlichen arbeitstechnischen Zweck zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt werden und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert wird.
Dazu müssen sich die beteiligten Unternehmen zumindest rechtlich zu einer gemeinsamen Führung verbunden haben. Diese einheitliche Leitung muss sich auf die wesentlichen Funktionen eines Arbeitgebers in sozialen und personellen Angelegenheiten erstrecken. Entscheidend ist, dass ein arbeitgeberübergreifender Personaleinsatz praktiziert werden muss, der für den normalen Betriebsablauf charakteristisch und prägend ist.
Liegt ein gemeinsamer Betrieb vor, ist für diesen ein einheitlicher Betriebsrat zu wählen.
Betriebsratswahl: Erster Fokus auf den Wahlvorstand
Der Wahlvorstand hat die komplexe Anforderungen an eine rechtssichere Betriebsratswahl zu managen, muss allerdings zuvor erstmal fehlerfrei implementiert werden.
Das ist (auch) zu Zeiten von Corona nicht immer leicht und stellt schon aktuell viele Unternehmen gleich zu Beginn einer Betriebsratswahl vor Herausforderungen.