Das Thema
Wenn sich Arbeitgeber arbeitsvertraglich verpflichten, mit dem Arbeitnehmer Ziele zu vereinbaren, an deren Erreichen eine Bonuszahlung geknüpft ist, erfüllten sie diese Pflicht regelmäßig nur, wenn sie über den Abschluss einer Zielvereinbarung verhandeln und dem Mitarbeiter möglich ist, auf die Festlegung der Ziele Einfluss zu nehmen.
Der Fall
Ein Arbeitnehmer war seit dem 16.03.2020 bis zu seinem Ausscheiden durch Eigenkündigung am 31.12.2020 bei der beklagten Arbeitgeberin beschäftigt. Der Arbeitsvertrag sah vor, dass er einen Bonus-Anspruch von bis zu 180.000 Euro brutto pro Jahr erreichen konnte. Der Vertrag sah zudem vor, dass Festlegung und Höhe des Bonus zwischen Mitarbeiter und Unternehmen vereinbart werden. Bei Fehlen einer entsprechenden Vereinbarung würden die Kriterien für den Bonus seitens des Unternehmens nach billigem Ermessen vorgegeben.
Bezüglich des Zeitraums ab Juni 2020 gab es Unstimmigkeiten im Hinblick auf die Festlegung und die Höhe des Bonus. Zunächst forderte die Arbeitgeberin den Mitarbeiter auf, einen Vorschlag für eine Zielvereinbarung abzugeben. Nachdem der Arbeitnehmer keinen Vorschlag gemacht hatte, übermittelte sie einen eigenen Vorschlag für die Ziele für 2020 mit der Bitte um Rückmeldung. Darauf antwortete der Beschäftigte mit einem abweichenden Entwurf für eine Zielvereinbarung. Diesen Entwurf lehnte das Unternehmen am 26.08.2020 ab und übermittelte einseitig Ziele für den Bonus 2020. In der Zeit vom 26. Juni bis 18. August, vom 28. September bis zum 5. Oktober sowie vom 18. bis zum 25. November war der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt. Vom 26. Oktober bis 8. November wurde er freigestellt. Vom 26. November bis 31. Dezember nahm er Urlaub.
Der Mitarbeiter vertrat die Auffassung, dass er einen Bonus in Höhe von 97.000 Euro brutto für die Zeit vom 16.06. – 31.10.2020 hätte verdienen können.
Die Entscheidung
Nach dem BAG (Urt. v. 03.07.2024 – 10 AZR 171/23) hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Schadensersatz wegen entgangener variabler Vergütung. Das Unternehmen hat seine Pflicht verletzt, mit ihm für die Zeit vom 16.06. – 31.10.2020 eine Zielvereinbarung abzuschließen. Die Ziele einseitig vorzugeben, war nach Auffassung des Gerichts unzulässig. Eine solche Regelung für den Fall, dass die Verhandlungen über eine Zielvereinbarung scheitern, sei eine unangemessene Benachteiligung des Mitarbeiters. Zwar könne ein Arbeitgeber ganz grundsätzlich nach billigem Ermessen einseitig Ziele vorgeben. In der vorliegenden Konstellation könnte er sich allerdings in die einseitige Zielvorgabe „flüchten“ und Verhandlungen über eine Zielvereinbarung grundlos verweigern oder abbrechen. Insbesondere hatte es nach der Auffassung des BAG noch keine richtigen Verhandlungen gegeben. Diese setzten nämlich voraus, dass das Unternehmen den Kerninhalt der von ihm vorgeschlagenen Zielvereinbarung ernsthaft zur Disposition stellt und dem Beschäftigten Gestaltungsfreiheit zur Wahrung seiner Interessen einräume.
Bei der Höhe eines möglichen Schadensersatzes geht das BAG davon aus, dass ein Arbeitnehmer vereinbarte Ziele erreicht hätte, es sei denn, besondere Umstände würden diese Annahme ausschließen. Solche Umstände lagen in dem zu entscheidenden Fall jedoch nicht vor.
Fazit und Handlungsempfehlung
Sofern der Arbeitsvertrag eine Regelung vorsieht, nach der eine einseitige Zielvorgabe durch den Arbeitgeber erst dann möglich ist, wenn die Arbeitsvertragsparteien gemeinsam keine Ziele vereinbaren konnten, muss er vorrangig mit dem Mitarbeiter eine ausdrückliche Vereinbarung über die konkreten Ziele schließen. Eine einseitige Zielvereinbarung ist nur dann möglich, wenn Verhandlungen gescheitert sind. Die Entscheidung des BAG zeigt, dass das Unternehmen dem Arbeitnehmer im Rahmen der Verhandlungen über eine Zielvereinbarung allerdings auch Gestaltungsfreiheit zur Wahrung seiner eigenen Interessen einräumen muss. Es kann den Inhalt einer Zielvereinbarung im Rahmen der Verhandlungen daher nicht einfach einseitig aufzwingen.
Die Entscheidung zeigt, wie hoch die Anforderungen an die Pflicht von Arbeitgeber zur Verhandlung über eine Zielvereinbarung sind. Kommt es im Rahmen der Verhandlungen zu keiner Einigung, können Unternehmen nur dann Ziele einseitig vorgeben, wenn die Verhandlungen offensichtlich gescheitert sind. Ob die Verhandlungen gescheitert sind, wird jedoch stets eine Fallfrage sein. Um das Risiko eines Schadensersatzanspruchs (bis zur vollen Höhe des vertraglich festgelegten Bonus) auszuschließen, sollten Arbeitgeber daher keine Zielvereinbarungsklausel, sondern stets nur eine Zielvorgabeklausel verwenden.
(Anm. d. Red.: Vgl. zu verspäteten Zielvorgaben auch die EFAR-Beiträge „Schadensersatz: Bonus ohne Zielvorgabe“ und „Verspätete Zielvorgabe von unternehmensbezogenen Zielen“.)