Das Thema
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hatte in dem Verfahren 7 Sa 38/17 darüber zu entscheiden, ob Arbeitnehmer E-Mails mit betrieblichen Informationen an ihren privaten E-Mail Account senden dürfen oder ob dies einen wichtigen Grund für eine außerordentliche arbeitgeberseitige Kündigung darstellen kann. Das LAG ist am 16. Mai 2017 in dem vorliegenden Fall zu dem Schluss gelangt, dass die außerordentliche Kündigung des Arbeitgebers gerechtfertigt war, weil der Arbeitnehmer mit der Übersendung von Firmendaten an seine private E-Mailadresse schuldhaft gegen seine arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht gemäß § 241 Abs. 2 BGB verstoßen hat. Diesen Verstoß sah das LAG als wichtigen Grund „an sich“ im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB an.
Sachverhalt: Mehr als 200 Mails mit Firmendaten an privaten Account
Der Kläger arbeitete im Vertrieb eines auf Kühlanlagen spezialisierten Unternehmens und hatte sich im April 2016 mehr als 200 E-Mails mit Firmendaten, zum Teil sogar im Minutentakt, an seine private E‑Mailadresse gesandt. Wie sich herausstellte, hatte der Kläger zu diesem Zeitpunkt bereits mit einem Konkurrenzunternehmen seines Arbeitgebers über den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages verhandelt. Die Verhandlungen über eine Beschäftigung auf einer vergleichbaren Position wie bei seinem Arbeitgeber waren bereits so weit gediehen, dass dem Kläger bereits Anfang April 2016 der Entwurf eines Arbeitsvertrages für den Beginn eines Arbeitsverhältnisses ab dem 1. Juli 2016, der Entwurf einer Handlungsvollmacht und der Entwurf eines Fahrzeugüberlassungsvertrages von dem Konkurrenzunternehmen übersandt worden waren. Der Kläger sollte lediglich noch sein Geburtsdatum für die Vervollständigung des Arbeitsvertrages mitteilen.
Nachdem der Arbeitgeber von den Verhandlungen mit dem Konkurrenzunternehmen Kenntnis erlangt hatte und im Rahmen einer Überprüfung des dienstlichen E-Mail-Accounts des Klägers in dessen Beisein und nach Genehmigung durch den Betriebsrat feststellte, dass der Kläger sich im Laufe des Monats April mehr als 200 E-Mails mit firmeninternen Daten an seine private E-Mailadresse gesandt hatte, kündigte er dem Kläger außerordentlich fristlos. Der Kläger hatte seinerseits kurz zuvor am selben Tag die Kündigung erklärt. Am 1. Juli 2016 trat er seine Tätigkeit bei dem Konkurrenzunternehmen an.
Weiterleitung von Firmendaten „an sich“ geeignet als wichtiger Grund für fristlose Kündigung
Auch eine schuldhafte Verletzung von Nebenpflichten kann als wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB „an sich“ geeignet sein. Hierbei ist insbesondere die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Vertragspartners gemäß § 241 Abs. 2 BGB zu berücksichtigen. Bereits aufgrund dieser Rücksichtnahmepflicht ist es jedem Arbeitnehmer verwehrt, sich ohne Einverständnis des Arbeitgebers betriebliche Unterlagen oder Daten anzueignen oder diese für betriebsfremde Zwecke zu vervielfältigen (vgl. auch BAG vom 08.05.2014 – 2 AZR 249/13, Rn. 32). Nach § 17 Abs. 2 Nr. 1b UWG ist die Herstellung einer verkörperten Wiedergabe von Unterlagen, die ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis betreffen, sogar strafbewehrt, wenn dies zu Zwecken des Wettbewerbs, aus Eigennutz, zugunsten eines Dritten oder in der Absicht geschieht, dem Inhaber eines Unternehmens Schaden zuzufügen.
Das LAG ging aufgrund der konkreten Vertragsverhandlungen zwischen dem Kläger und dem Konkurrenzunternehmen – Übersendung eines konkreten Vertragsangebots, eines Entwurfs einer Handlungsvollmacht und eines Entwurfs eines Fahrzeugüberlassungsvertrages – davon aus, dass der Kläger sich die Firmendaten seines Arbeitgebers an seine private E-Mailadresse weitergeleitet hatte, um seine Tätigkeit bei dem Konkurrenzunternehmen vorzubereiten und die firmeninternen Daten seines bisherigen Arbeitgebers für seine neue Tätigkeit zu nutzen.
Die Übersendung der firmeninternen Daten an die private E-Mailadresse war dem Arbeitnehmer jedoch in keiner Weise gestattet. Der Arbeitgeber hatte weder sein Einverständnis zu diesem Vorgehen erklärt, noch war es von den Regelungen des Arbeitsvertrages des Klägers gedeckt. Zwar war im Arbeitsvertrag unter der Überschrift „Verschwiegenheitspflicht“ geregelt, dass der Kläger auf Verlangen sofort bzw. bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf privaten Datenträgern gespeicherte Daten und Informationen zu löschen habe. Daraus – so das LAG – sei jedoch keine Genehmigung der Übersendung betrieblicher Daten an die private E-Mailadresse herzuleiten. Darüber hinaus war die Übersendung von betrieblichen Daten an die private E-Mailadresse aufgrund eines dienstlich zur Verfügung gestellten Laptops für die Arbeit des Klägers auch überhaupt nicht erforderlich.
Interessenabwägung: Geschäftlichen Interessen des Arbeitgebers werden in erheblichem Maße beeinträchtigt
Das Landesarbeitsgericht sah in der Weiterleitung der E-Mails mit den firmeninternen Daten an den privaten E-Mail Account eine erhebliche Pflichtverletzung des Mitarbeiters, weil sie darauf gerichtet war, die geschäftlichen Interessen des Arbeitgebers in erheblichem Maße zu beeinträchtigen, indem die Firmendaten für eine Tätigkeit bei einem Konkurrenzunternehmen genutzt werden sollten. Auch im Rahmen der Interessenabwägung war der potentiell erhebliche Schaden für den Arbeitgeber durch eine Mitnahme seiner firmeninternen Daten zu einem Konkurrenzunternehmen zu berücksichtigen. Dies führte im vorliegenden Fall dazu, dass das Beschäftigungsinteresse des Klägers bis zum Ablauf der Kündigungsfrist gegenüber dem Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zurückzutreten hatte.
Fazit
Das LAG hat mit der vorliegenden Entscheidung die Rechte der Arbeitgeber bei arbeitnehmerseitigen Verstößen gegen die vertragliche Rücksichtnahmepflicht, insbesondere im Hinblick auf die Gefährdung der Geschäftsinteressen des Arbeitgebers gestärkt. Das LAG hat die Revision gegen diese Entscheidung nicht zugelassen.

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