Das Thema
Bereits im Jahr 2019 haben wir uns im Beitrag „Büchergutscheine, Tablets und Co.: Wie Anbieter von BR-Schulungen Betriebsräte und Unternehmen gefährden“ mit dem Thema Geschenke bei der Teilnahme an Betriebsratsschulungen befasst. Denn diese bringen sowohl für Arbeitgeber als auch Betriebsratsmitglieder Risiken mit sich. Nun hatte das BAG in einem Fall darüber zu entscheiden, ob die Buchung von Einsteigerschulungen mit kostspieligen Beigaben von der Kostentragungspflicht des Arbeitgebers nach §§ 40 Abs. 1, 37 Abs. 6 BetrVG gedeckt ist (Beschl. v. 17.11.2021 – 7 ABR 27/20).
Kostentragungspflicht des Arbeitgebers nach dem BetrVG
Der Arbeitgeber hat gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG grundsätzlich die Kosten für die erforderliche Betriebsratstätigkeit zu tragen. § 37 Abs. 6 BetrVG konkretisiert diesen Grundsatz für die Kosten, die durch die Teilnahme an einer Schulung entstehen, bei der erforderliche Kenntnisse für ein Betriebsratsmitglied vermittelt werden. Dreh- und Angelpunkt der Kostentragungspflicht ist immer die „Erforderlichkeit“ einer Maßnahme. Denn nur dann besteht eine Kostentragungspflicht für Unternehmen. Dies gilt nicht nur für die Erstattung von Schulungskosten, sondern beispielsweise auch bei dem häufig streitigen Thema der Erstattung von Rechtsanwaltskosten des Betriebsrats oder Reisekosten der Betriebsratsmitglieder.
Erforderliche Schulungsinhalte
Bezogen auf Schulungskosten geht das BAG jedenfalls bei erstmals gewählten Betriebsratsmitgliedern unzweifelhaft davon aus, dass die Teilnahme an einer Grundlagenveranstaltung, bei der wesentliche Kenntnisse über das Betriebsverfassungsrecht und das allgemeine Arbeitsrecht vermittelt werden, erforderlich ist. Möchte das Betriebsratsmitglied dagegen an einer sonstigen Schulungsmaßnahme teilnehmen, muss hierfür ein konkreter Anlass bestehen, aus dem sich ergibt, dass das bei der Schulung vermittelte Wissen akut für die Tätigkeit des Betriebsrats benötigt wird. So wurde zum Beispiel eine Schulung über das Thema Burnout für erforderlich gehalten, wenn der Betriebsrat regelmäßig von Mitarbeitern auf dieses Thema angesprochen wird. Einer konkreten Darlegung der Erforderlichkeit bedarf es ferner dann, wenn ein wiedergewähltes Betriebsratsmitglied an einer Grundlagenveranstaltung teilnehmen möchte und eine solche Schulung bereits in der Vergangenheit besucht bzw. durch seine Gremienarbeit Vorkenntnisse erworben hat.
Die Schulung im Wellnesshotel
Neben den Inhalten, die bei der Schulung vermittelt werden, spielt auch der Ort der Schulung eine entscheidende Rolle bei der Frage der Erforderlichkeit. Denn der Arbeitgeber muss über § 40 Abs. 1 BetrVG nicht nur die Teilnahmegebühr für die Schulung zahlen, sondern auch die Reisekosten sowie die Hotel- und Verpflegungskosten. Entscheidet sich der Betriebsrat dann für eine Schulung am Timmendorfer Strand oder auf Sylt im 4-Sterne-Hotel inkl. Wellnessbereich, kann sich der Arbeitgeber berechtigterweise fragen, inwieweit diese Schulungsatmosphäre „erforderlich“ für die Arbeit seines Betriebsrats ist.
An dieser Stelle kann dann der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit weiterhelfen, der nach der Rechtsprechung bei der Kostenerstattungspflicht zu beachten ist sowie das nach § 2 Abs. 1 BetrVG zu wahrende Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Danach hat das Betriebsratsmitglied bei der Verursachung von Kosten darauf zu achten, diese auf das notwendige Maß zu beschränken. So hat das BAG bereits entschieden, dass Betriebsratsmitglieder unter Beachtung dieser Grundsätze das kostengünstigste Verkehrsmittel für die Anreise zur Betriebsratsschulung nutzen müssen. In diesem Zusammenhang kann auch relevant werden, dass insbesondere Auffrischungsschulungen für wiedergewählte Betriebsratsmitglieder, z.B. ein „Arbeitsrecht Fresh-up“, von den meisten Anbietern mittlerweile online als Webinar angeboten werden. Hierdurch entfallen nicht nur Reise- und Übernachtungskosten, auch Reisezeiten werden eingespart. Zu beachten ist hierbei jedoch, dass der Betriebsrat nach der Rechtsprechung des BAG keine Preise verschiedener Anbieter vergleichen muss, um das günstigste Angebot zu ermitteln und auch nicht stets das günstigste Seminar (und den günstigsten Seminarort) auswählen muss. Er kann vielmehr auch das Seminar buchen, das er für qualitativ besser hält. Der Beurteilungsspielraum obliegt hier dem Betriebsrat.
Und wie steht es nun um die Tablets?
Nach der Entscheidung des BAG muss der Arbeitgeber die Kosten für Seminare inkl. teurer Beigaben erstatten. Wesentlich waren hier zwei Aspekte: zum einen waren Grundlagenseminare ohne Tablet und Co. bei anderen Anbietern nicht wesentlich günstiger zu buchen, bei anderen wohl aber auch noch einmal teurer. Zum anderen konnte das Seminar nicht ohne die kostspieligen Beigaben zu einem günstigeren Preis gebucht werden. Insbesondere wurde dasselbe Seminar vom Veranstalter in der Vergangenheit ohne Tablet zum selben Preis angeboten. Aus diesem Grund sprach vieles dafür, dass die Beigaben hier keinen Einfluss auf den Seminarpreis hatten. Der Betriebsrat hat bei der Buchung des Seminars daher den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt. Nicht entschieden hat das BAG dabei, ob die Seminarbeigaben unter die Kostentragungspflicht das Arbeitgebers fallen würden, falls diese extra zu bezahlen wären. Dies wäre dann wieder daran zu messen, ob die Seminarbeigaben für die Durchführung der Schulung erforderlich waren.
Die Erforderlichkeit von Tablets für die Gremienarbeit haben wir bereits in unserem vorangegangenen Beitrag „Büchergutscheine, Tablets und Co.: Wie Anbieter von BR-Schulungen Betriebsräte und Unternehmen gefährden“ angezweifelt. Auch die Anbieter von Betriebsratsschulungen scheinen hier mittlerweile umgedacht zu haben. Denn bei den aktuell angebotenen Einsteigerschulungen beinhalten die Starter-Sets zumindest keine Tablets mehr. Geboten werden hier ganz klassisch Rucksäcke, mitsamt „Fitting“ und Arbeitsgesetzen sowie die kostenlose anwaltliche Erstberatung. Das dürfte für einen guten Start in die Gremienarbeit wohl auch ausreichend sein.