Das Thema
Die am 16. Dezember 2019 in Kraft getretene Whistleblower-Richtlinie (RL(EU)2019/1937) vom 23. Oktober 2019 ist durch die EU-Mitgliedsstaaten binnen 2 Jahren, also bis Dezember 2021, in nationales Recht umzusetzen. Für Unternehmen, die mehr als 50 Mitarbeiter beschäftigen oder deren Jahresumsatz EUR 10 Mio. übersteigt, bedeutet dies, dass sie ein internes Meldesystem zur Aufdeckung von Verstößen gegen Unionsrecht zu etablieren haben. Hieraus ergeben sich arbeitsrechtliche Implikationen, die rechtzeitig vorbereitet werden sollten.
Nach einem ersten Hinweis hier im #EFAR noch einmal ein Aufriss zu den zu berücksichtigenden Punkten in den nächsten Monaten.
Der Status Quo im Arbeitsrecht: Ein Überblick
- Bereits jetzt definieren § 17 Abs. 2 ArbSchG, §§ 13, 27 AGG und §§ 84 ff. BetrVG einen Schutz vor Benachteiligung bei einer Beschwerde durch Beschäftigte
- Hinzu kommt das Maßregelungsgebot gem. § 612 a BGB, das jegliche Benachteiligung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber verbietet, sofern der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausgeübt hat
- Aufgrund arbeitsvertraglicher Loyalitätspflichten gem. § 241 Abs. 2 BGB waren bislang Arbeitnehmer dazu verpflichtet, sich zunächst an unternehmensinterne Stellen zu wenden, es sei denn, dass Abhilfe nicht zu erwarten war
- Bislang trägt der Arbeitnehmer die Beweislast für etwaige Repressalien gegen ihn aufgrund Whistleblowings
- Bislang haben Arbeitsgerichte fristlose Kündigungen gegenüber Arbeitnehmern wegen vorschneller Anzeigen angeblichen Fehlverhaltens des Arbeitgebers gegenüber Behörden grundsätzlich bestätigt (z. B. LAG Köln, Urt. v. 5. Juli 2012 – 6 Sa 71/12)
Whistleblowing: Das kommt im Arbeitsrecht auf Sie zu
- Unternehmen, die die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen, müssen künftig sog. Hinweisgebersysteme einrichten, die bestimmte Mindestvorgaben einhalten
- Ebenso haben sie künftig speziell ausgebildete sog. Whistleblower-Verantwortliche zu beschäftigen, die entsprechende Hinweise angemessen zu verwalten haben
- Whistleblower haben künftig das Recht, sich mit ihrer Beschwerde über unternehmensinterne Vorgänge direkt an eine zuständige Behörde zu wenden, ohne dass der Arbeitgeber sie hierfür sanktionieren (insbes. Kündigen) könnte
- Auch die künftige EU-Whistleblower-Richtlinie wird gesondert definieren, dass die Suspendierung, Entlassung, Herabstufung oder Versagung einer Beförderung sowie die Nichtverlängerung eines Zeitarbeitsvertrages verboten sind, sofern diese Maßnahmen auf dem Hinweis eines Whistleblowers beruhen
- Dabei regelt die EU-Whistleblower-Richtlinie eine Beweislastumkehr zu Lasten der Unternehmen; damit verbunden ist ein Missbrauchsrisiko dergestalt, dass Arbeitnehmer versuchen könnten, sich durch einen rechtzeitigen „Hinweis“ unlauter Kündigungsschutz zu verschaffen um sich so z. B. vor einem anstehenden Personalabbau zu schützen
- Zwar soll ein solcher Schutz nur bestehen, wenn der Whistleblower gutgläubig in Bezug auf den Wahrheitsgehalt der von ihm gemeldeten Informationen war; jedoch soll es nicht auf seine Motive ankommen. Fühlt sich also jemand in seiner Ehre gekränkt und beabsichtigt deshalb, seinen Arbeitgeber im Falle des Vorliegens eines möglichen Verstoßes öffentlich zu belasten, fällt eine solche Beschwerde dennoch in den Schutz der Richtlinie, wenn die zugrundeliegende Information objektiv wahr ist
Handlungsempfehlungen und Umsetzungserfordernisse für Unternehmen
- Die Unternehmen werden entweder entsprechende Hinweisgebersysteme einrichten oder bestehende Systeme überprüfen und ggf. anpassen müssen
- Die Einrichtung oder Änderung von solchen Hinweisgebersystemen ist grundsätzlich mitbestimmungspflichtig gem. §§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG und auch gem. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, wenn es sich um eine technische Einrichtung handelt
- Da bei den Hinweisgebersystemen auch regelmäßig personenbezogene Daten erhoben und verarbeitet werden, und zwar sowohl in Bezug auf den Whistleblower, als auch über die Person, über die eine Meldung erfolgt und auch eine Gewährleistung der Vertraulichkeit mit der DS-GVO vereinbar werden muss, wird dies auch noch eine datenschutzrechtliche Herausforderung
Rechtzeitige Implementierung von Hinweisgebersystemen notwendig
Betroffene Unternehmen sind daher gut beraten, sich rechtzeitig auf die zwingend notwendige Implementierung von solchen Hinweisgebersystemen ggf. mit Hilfe von Betriebsvereinbarungen (im Falle der Existenz von Betriebsräten) zur künftigen Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie vorzubereiten.
Wegen der anstehenden Umkehr der Beweislast haben Unternehmen dabei die Herausforderung zu meistern, sich durch umfassende Dokumentationen für arbeitsrechtlich relevante Situationen hinreichend abzusichern. Hinzu kommen Schnittstellen zum Datenschutzrecht, wenn es um das Einsichtsrecht von Mitarbeitern in derartige Hinweisgebersysteme geht.