Das Thema
Wer sich schon einmal mit Betriebsratsvergütung, genauer der Vergütung freigestellter Betriebsratsmitglieder beschäftigt hat, der weiß, freigestellte Betriebsratsmitglieder haben nach § 37 Abs. 4 S. 1 BetrVG Anspruch auf das Entgelt, das sie erhalten hätten, wenn keine Betriebsratstätigkeit angefallen wäre (sog. Vergütungsschutz). Welches Entgelt dies ist, bestimmt sich anhand der betriebsüblichen Vergütungsentwicklung der Arbeitnehmer, die zum Zeitpunkt der Übernahme des Betriebsratsmandates mit dem Betriebsrat vergleichbar sind. Diese hypothetische Betrachtung führt in der Praxis oftmals zu erheblichen Schwierigkeiten, insbesondere dann, wenn man erst nachträglich versucht, die „vergleichbaren Arbeitnehmer“ zu ermitteln.
Vor noch größeren Schwierigkeiten stand kürzlich das LAG Köln (Urteil vom 19. April 2018 – 4 Sa 401/17). Denn in dem dort entschiedenen Fall fehlte es überhaupt an nur einem einzigen vergleichbaren Mitarbeiter im oben dargestellten Sinn.
Der Sachverhalt am LAG Köln
In dem vom LAG Köln entschiedenen Fall war der Kläger bei der Beklagten F, die eine Forschungseinrichtung führt, seit 1987 angestellt und seit 1988 überwiegend als Anlagenwart im Geschäftsbereich „Nuklearservice“ beschäftigt. Seit 2002 war er Betriebsratsmitglied und seit 2014 freigestellt.
Für die Beschäftigten der F findet ein Haustarifvertrag Anwendung, der auf den TVöD verweist. Im Jahr 2015 übertrug die F den überwiegenden Teil des Bereichs „Nuklearservice“ auf A, die an Tarifverträge mit ver.di gebunden ist. F und A vereinbarten dabei, dass Mitarbeiter, die dem Betriebsübergang widersprechen, im Wege der Personalgestellung von F an A ausgeliehen würden. Der Kläger widersprach dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses und übte in der Folge weiterhin sein Betriebsratsamt bei der F aus.
Er machte dann gegenüber F die Differenz zwischen dem tatsächlich auf Grundlage des TVöD gezahlten Entgelt und einer Vergütung entsprechend der bei A zur Anwendung kommenden Tarifverträge geltend. Die Klage vor dem ArbG wurde abgewiesen.
Vergleich der Gehaltsentwicklung: Aber mit wem?
Problematisch war die Betrachtung vergleichbarer Mitarbeiter: im vorliegenden Fall fehlte es an einer mit dem Kläger als Anlagenwart auch nur annähernd vergleichbaren Person bei der F, da der Bereich Nuklearservice per Betriebsübergang auf A übergegangen war.
Der Forderung des Klägers, mangels mit ihm vergleichbarer Arbeitnehmer bei der F so vergütet zu werden, wie die ehemaligen Arbeitnehmer der F, die mittlerweile bei der A beschäftigt sind, ist das LAG Köln nicht nachgekommen.
Ein Anspruch des Klägers auf Nachzahlung etwaiger Vergütungsdifferenzen aus § 611 BGB iVm § 37 Abs. 4 BetrVG bestehe nicht. Denn der anzustellende Vergleich mit der Gehaltsentwicklung eines mit dem Kläger vergleichbaren Arbeitnehmers sei in Ermangelung eines solchen nicht möglich: Nicht nur der Arbeitsplatz des Klägers, sondern die Arbeitsplätze sämtlicher mit ihm vergleichbarer Arbeitnehmer seien zwischenzeitlich weggefallen. Für diesen Fall sei die Vergütung des Betriebsratsmitgliedes – in Anlehnung an die Rechtsprechung des BAG zum Wegfall des Arbeitsplatzes des freigestellten Betriebsratsmitglieds (vom 25.10.2017 – 7 AZR 731/15) – nach der Tätigkeit zu bemessen, die ihm nach dem Arbeitsvertrag übertragen werden müsste, wenn es nicht freigestellt wäre.
Das könne hier entgegen der Auffassung des Klägers allerdings nicht dazu führen, dass der Kläger von der F so zu vergüten sei, als wäre er mittlerweile bei der A beschäftigt. Die Tätigkeit, die dem Kläger nach dem Arbeitsvertrag zugewiesen wäre, sei vielmehr bei der F zu suchen, da F und A gerade keine Vereinbarung über die Gestellung des Klägers getroffen hatten. Deshalb müsse in diesem Fall auf eine hypothetische, bei der F beschäftigte Vergleichsperson abgestellt werden, die nach abstrakten Kriterien danach zu bestimmen sei, wie die berufliche Entwicklung hypothetischer vergleichbarer Arbeitnehmer bei der F generell gestaltet sei.
Der vom Kläger für sich in Anspruch genommene Verlauf (Gestellung an die A) sei keine typische Entwicklung, sondern nur ein Ausnahmefall, aus dem gerade keine Regelhaftigkeit abgeleitet werden könne.
Empfehlungen zur “richtigen” Betriebsratsvergütung
Das Urteil des LAG Köln betrifft sicher einen Sonderfall. Der Verweis auf einen „abstrakt hypothetischen Mitarbeiter mit hypothetischer beruflicher Entwicklung“ ist damit als Steigerung der Komplexität, die bereits im Normalfall eines freigestellten Betriebsratsmitglieds immer gegeben ist.
Für den Rechtsanwender ist dieser Zustand nicht zuletzt in Anbetracht der hohen Haftungsrisiken – bei Verstößen gegen das Begünstigungs- bzw. Benachteiligungsverbot droht nach § 119 BetrVG unter Umständen sogar eine Strafbarkeit – schwierig. Angesichts der Vielzahl an möglichen Fallgestaltungen kann die Rechtsprechung nur bedingt weiterhelfen. Die Revision des Klägers (7 AZR 286/18) wird daher, über diesen speziellen Fall hinaus, kaum für mehr Rechtssicherheit sorgen können.
Arbeitgebern ist daher dringend zu raten, bei Beginn der Tätigkeit, spätestens aber mit Freistellung eines Betriebsratsmitgliedes genau zu dokumentieren, wer als Vergleichsperson angesehen werden kann und eine entsprechende Vergleichsgruppe festzulegen. Dies kann auch durch Regelungsabrede erfolgen. In einer solchen konkretisierenden Regelungsabrede können Vergleichspersonen festgelegt werden, an denen sich die Betriebsratsvergütung messen soll. Solche Vergleichspersonen müssen – in Übereinstimmung mit § 37 Abs. 4 BetrVG – im Zeitpunkt der Übernahme des Betriebsratsamtes ähnliche, im Wesentlichen gleich qualifizierte Tätigkeiten wie das Betriebsratsmitglied ausgeübt haben und dafür in ähnlicher Art und Weise wie das BR-Mitglied fachlich und persönlich qualifiziert sein (BAG vom 21.02.2018 – 7 AZR 496/16; BAG vom 18.01.2017 – 7 AZR 205/15) – dazu näher der Kollege Prof. Dr. Kliemt hier im #EFAR. Ferner sollte die Vergütung von Betriebsratsmitgliedern regelmäßig im Rahmen der betriebsüblichen Gehaltsgespräche überprüft werden.
Ran an die Altfälle!
Ansonsten sind in der Praxis oft extrem aufwändige Prüfungen notwendig, durch die – zum Teil über Jahrzehnte hinweg – eine betriebsübliche Gehaltsentwicklung nachgezeichnet werden muss, ohne dass hierfür sinnvoll Daten zur Verfügung stehen. Dass dieses Risiko keineswegs theoretisch ist, zeigt die Zunahme an Rechtsprechung zu diesem Thema.
Angesichts der persönlichen Haftung und Strafbarkeit von Vorstandsmitgliedern sollten trotz des Aufwandes die Altfälle umgehend aufgearbeitet werden. Bei neuen Betriebsratsmitgliedern erleichtert eine ordnungsgemäße Dokumentation den Nachweis der rechtmäßigen Vergütung von Beginn an sehr – die gerade erfolgten Neuwahlen sollten Anlass sein, sich diese Mühe zu machen.
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