Das Thema
Nach dem Vorschlag deutscher Amtsärzte über die Einführung einer „Siesta“ für Arbeitnehmer – angesichts der Hitzewelle der vergangenen Wochen mit Temperaturen jenseits der 34°C – stellt sich die Frage der praktischen Realisierbarkeit einer solchen ausgedehnten Mittagsruhe auch hierzulande. Die Verlagerung der Arbeitszeiten in die frühen Morgen- und/oder späten Abendstunden mag zunächst vor allem im Hinblick auf den Schutz der Arbeitnehmer vor Gesundheitsgefahren verlockend klingen, bringt jedoch einige Probleme mit sich. Zum einen erscheint eine branchenübergreifende Einführung wenig sinnvoll, da nicht alle Arbeitsbereiche gleichermaßen stark von der Hitze betroffen sind. Zum anderen ist die Umsetzung gerade im Hinblick auf das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) nur in einem engen Rahmen möglich.
Ausgangspunkt: Gesundheitsschutz
Aus dem Arbeitsschutzgesetz ergibt sich als Ausfluss der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gegenüber seinen Arbeitnehmern die Arbeit so zu gestalten, dass eine Gefährdung von Leben sowie der physischen Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird. Als mildere Mittel gegenüber einer Verschiebung der Arbeitszeiten, die sich unweigerlich stark auf die Freizeitgestaltung der Mitarbeiter auswirkt, kann der Arbeitgeber etwa in den Büroräumen die Kleiderordnung lockern, Ventilatoren oder Klimaanlagen aufstellen oder auf Baustellen für Schatten sorgen und genügend Getränke zur Verfügung stellen. Möchte oder muss er weitergehende Maßnahmen ergreifen, ist die Möglichkeit der Anpassung der Arbeitszeiten in Betracht zu ziehen.
Anpassung der Arbeitszeiten
Findet sich in den Individualarbeitsverträgen oder in den auf diese anwendbaren Tarifverträgen keine ausdrückliche Vereinbarung zur Lage der Arbeitszeit, obliegt die Festlegung – vorbehaltlich eines etwaigen Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats oder Verhandlungen mit Gewerkschaften – grundsätzlich dem Direktionsrecht des Arbeitgebers, wonach dieser die Lage der Arbeitszeit einseitig festlegen kann. Hierbei hat er jedoch die individuellen Interessen und Belange seiner Arbeitnehmer zu berücksichtigen. Darüber hinaus erfährt die einseitige Arbeitszeitfestlegung eine Einschränkung durch das Arbeitszeitgesetz, durch branchenspezifische Regelungen in Bezug auf den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmenden aber auch ggfs. durch Ruhezeit- und Lärmschutzverordnungen von Gemeinden.
Sofern bereits in den Arbeitsverträgen eine Arbeitszeit festgelegt wurde (z.B. 8:00 -16:30 Uhr) kann grundsätzlich eine Änderung nur im Einvernehmen mit den Arbeitnehmern erfolgen. Ist der Mitarbeiter damit nicht einverstanden, bleibt dem Arbeitgeber nur die Möglichkeit einer Änderungskündigung, also einer Kündigung des derzeitigen Arbeitsverhältnisses verbunden mit einem neuen Arbeitsvertragsangebot zu den entsprechend geänderten Arbeitsbedingungen.
Grenzen setzt vor allem das Arbeitszeitgesetz
Wesentliche Vorgaben, die Unternehmen beachten müssen, bestehen vor allem hinsichtlich der täglichen Höchstarbeitszeit gem. § 3 ArbZG, der festen Ruhepausen nach § 4 ArbZG und der Einhaltung der gesetzlichen Ruhezeit von elf Stunden zwischen Beendigung der täglichen Arbeitszeit und Arbeitsantritt nach § 5 ArbZG.
Die (werk-)tägliche Arbeitszeit darf acht Stunden nicht überschreiten. Eine Verlängerung auf zehn Stunden ist nur möglich, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden (werk-)täglich nicht überschritten werden.
Weiter ist zu beachten, dass die Arbeitnehmer nicht mehr als sechs Stunden ohne Ruhepausen beschäftigt werden dürfen. Dabei ist gesetzlich bestimmt, dass ab einer Arbeitszeit von mehr als sechs bis zu neun Stunden eine 30-minütige Pause, ab einer Arbeitszeit von mehr als neun Stunden eine 45-minütige Pause zu gewähren ist. Dabei ist anzumerken, dass bei der Berechnung der täglichen und wöchentlichen Höchstarbeitszeit Pausen grundsätzlich nicht mit eingerechnet werden.
Elfstündige Ruhezeit nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit
Den größten Stolperstein für die Festlegung einer verlängerten Mittagsruhe stellt die grundsätzlich festgesetzte gesetzliche Ruhezeit von elf Stunden zwischen Arbeitsende und dem nächsten Arbeitsbeginn dar, die den Arbeitnehmern ununterbrochen zu gewähren ist.
Zur Verdeutlichung: Ist der Arbeitsbeginn auf 7:00 Uhr festgelegt und wird um 11:00 Uhr die gesetzliche Pause von 30 Minuten durchgeführt, wobei diese bis 16:00 Uhr „ausgedehnt“ wird, muss der Arbeitnehmende bei einem Acht-Stunden-Tag bis 20:00 Uhr arbeiten. Beginnt die Arbeit am nächsten Tag wieder um 7:00 Uhr, wird exakt die Ruhezeit von elf Stunden eingehalten.
Auch die Möglichkeit der Verkürzung dieser elfstündigen Ruhezeit auf zehn Stunden, die in bestimmten Arbeitsbereichen, wie in Gaststätten und dem Beherbergungswesen, in Verkehrsbetrieben oder in der Landwirtschaft und der Tierhaltung, durch tarifvertragliche Regelung oder durch aufgrund eines Tarifvertrags getroffenen Betriebs- oder Dienstvereinbarung rechtlich zulässig ist, vereinfacht die Einführung einer „Siesta“ nur unwesentlich. Grund hierfür ist, dass die erfolgten Abkürzungen der Ruhezeit innerhalb eines Monats oder innerhalb von vier Wochen durch Verlängerung einer anderen Ruhezeit auf mindestens zwölf Stunden ausgeglichen werden müssen.
Eine noch weitergehende Verkürzung der Ruhezeit auf neun Stunden ist möglich, sofern eine Rechtsverordnung der Bundesregierung dies aus betrieblichen Gründen unter Gewährleistung des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmenden regelt. De lege lata fehlt es an einer entsprechenden Rechtsverordnung, doch wäre dies durchaus eine Möglichkeit, um die klassische „Siesta“ von 11:00 bis 16:00 Uhr in den heißen Monaten in bestimmten Branchen praktikabler umzusetzen.
Nicht vergessen werden dürfen auch die sich aus dem JArbSchG sowie aus dem MuSchG ergebenden gesetzlichen Einschränkungen, wonach die tägliche Freizeit von Jugendlichen zwölf Stunden und die Ruhezeit werdender oder stillender Mütter elf Stunden betragen muss.
Alternativen zur starren ausgedehnten Mittagspause/„Siesta“
Um Konflikte, die mit der Festlegung einer starren langen Mittagspause einhergehen können, zu vermeiden, stehen dem Arbeitgeber diverse andere Möglichkeiten offen:
- Eine Alternative kann es sein, den Mitarbeitern die Option einzuräumen, Gleitzeit einzuführen, sodass diesen ein Zeitfenster für die Erfüllung der Arbeit zur Verfügung steht, innerhalb dessen sie ihre Arbeitszeit flexibel festlegen können.
- Eine weitere Möglichkeit ist es, die Arbeit im Homeoffice – in Arbeitsbereichen, in denen das Arbeiten von zu Hause möglich ist – zu erlauben.
- Auch in Betracht kommen reduzierte Arbeitszeitmodelle oder die Einführung von Arbeitszeitkonten, auf denen Überstunden und Minusstunden gesammelt werden. Flexible Arbeitszeitmodelle könnten auch feste Kernarbeitszeiten festlegen und darüber hinaus den Arbeitnehmenden die Einteilung der täglichen Arbeitszeit überlassen.
- Letztlich besteht eine weitere Möglichkeit in der saisonalen bzw. vorrübergehenden Verkürzung der täglichen Arbeitszeiten in den heißen Monaten und der vorübergehenden Erhöhung der täglichen Arbeitszeit in kälteren Monaten – dies natürlich im Rahmen des rechtlich Zulässigen.
Fazit
Ob sich eine „Siesta“ auch im deutschen Arbeitsleben etablieren wird, ist angesichts der komplizierten Durchsetzbarkeit und der nur teilweise betroffenen Mitarbeiter (beispielsweise Arbeiten im Straßenbau, landwirtschaftliche Arbeiten oder allgemein Arbeiten, die unter freiem Himmel stattfinden) fraglich. Bisher sind Unternehmen in Deutschland auch noch unsicher bei der Umsetzung dieser Thematik, so dass eine „Siesta“ in den Sommermonaten auch für deutsche Arbeitnehmer wohl vorerst (noch) keine gängige Praxis – zumindest nicht flächendeckend – werden wird.