Das Thema
Das Modell Desksharing hat Hochkonjunktur, reagieren Arbeitgeber u.a. auch damit vermehrt auf den Wunsch der Arbeitnehmer und Bewerber, auch außerhalb des Büros arbeiten zu können. Arbeitsrechtlich besteht Handlungsbedarf bei der Umsetzung insbesondere im Bereich Gesundheitsschutz und Datenschutz. Auch sind weitreichende Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zu beachten.
Wenn Arbeitnehmer teilweise außerhalb des Büros arbeiten, sind weniger Arbeitnehmer gleichzeitig im Büro anwesend als zuvor. Insofern bietet es sich an, dass nicht mehr für alle Arbeitnehmer ein eigener Schreibtisch im Büro vorgehalten wird, sondern sich mindestens zwei Arbeitnehmer einen Arbeitsplatz teilen. Dieses Modell wird als Desksharing bezeichnet. Ein Überblick zu den arbeitsrechtlichen Herausforderungen:
Einführung von Desksharing als Ausfluss des Direktionsrechts
Arbeitnehmer haben grundsätzlich – vorbehaltlich einer abweichenden Vereinbarung – keinen Anspruch auf einen bestimmten und insbesondere nicht auf einen eigenen Arbeitsplatz. Arbeitgeber können daher gegenüber Arbeitnehmern im Rahmen ihres Weisungsrechts nach § 106 GewO – auch täglich neu – einen Arbeitsplatz zuweisen. Voraussetzung ist lediglich, dass bei Ausübung des Direktionsrechts die Grenzen des billigen Ermessens eingehalten werden (LAG Rheinland-Pfalz v. 13. Mai 2020 – 7 Sa 380/19). Danach muss der Arbeitsplatz im individuellen Fall dem Arbeitnehmer zumutbar sein, d.h. den entsprechenden Vorgaben, insbesondere zum Gesundheitsschutz entsprechen. Hierbei ist stets eine Einzelfallbetrachtung vorzunehmen.
Voraussetzung von Desksharing ist es jedoch auch, dass Arbeitnehmer nicht ausschließlich im Büro arbeiten. Denkbar ist insofern, dass Arbeitnehmer freiwillig im Home Office oder an einem anderen Ort arbeiten.
Was tun, wenn nicht alle Mitarbeiter am Desksharing teilnehmen wollen?
Problematisch wird es jedoch, wenn nicht genügend Arbeitnehmer bereit sind, beim Desksharing mitzumachen oder die Wünsche der Arbeitnehmer, wann diese im Büro arbeiten möchten, jedenfalls nicht insgesamt umsetzbar sind.
Für Arbeitgeber stellt sich dann die Frage, ob Arbeitnehmer (zeitweise) angewiesen werden können, außerhalb des Betriebs zu arbeiten. Jedenfalls die Zuweisung eines Arbeitsplatzes im Home Office dürfte regelmäßig nicht vom Weisungsrecht gedeckt sein (vgl. LAG Berlin-Brandenburg v. 14. November 2018 – 17 Sa 562/18). Der Rechtmäßigkeit einer solchen Weisung steht insbesondere die grundrechtlich geschützte Unverletzlichkeit der Wohnung entgegen. Ob die Zuweisung eines mobilen Arbeitsplatzes möglich ist, hängt vom Einzelfall und insbesondere davon ab, ob ein bestimmter Arbeitsort (etwa „der Betrieb des Arbeitgebers in München“) vertraglich vereinbart wurde. Auch haben Arbeitgeber zu beachten, dass Arbeitnehmern mobiles Arbeiten ggf. unzumutbar sein kann. Wohnen Arbeitnehmer mit ihrer Familie auf engem Raum und geht es nicht um das Arbeiten auf einer Dienstreise (etwa im Zug), kann von ihnen kaum verlangt werden, eine eigene Bürofläche anzumieten. Gleiches gilt, wenn Arbeitnehmer, etwa im Falle einer Schwerbehinderung, besondere Arbeitsplätze benötigen, die nur innerhalb des Büros zur Verfügung gestellt werden können.
Zusammenfassend lässt sich damit festhalten, dass die einseitige Einführung von Desksharing für Arbeitgeber meist schwierig umsetzbar ist. Ziel sollte daher sein, in einem Dialog mit den Arbeitnehmern deren Zustimmung zu erreichen.
Besteht ein Betriebsrat, kann mobile Arbeit und damit Desksharing auch gegen den Willen der Arbeitnehmer eingeführt werden. Bei Abschluss einer entsprechenden Betriebsvereinbarung ist jedoch darauf zu achten, dass diese Härtefallregelungen für Arbeitnehmer vorsieht, denen aufgrund persönlicher Umstände das mobile Arbeiten nicht zugemutet werden kann.
Herausforderungen im Arbeits- und Gesundheitsschutz
Arbeitgeber haben gem. § 3a Abs. 1 S. 1 ArbStättV die Pflicht, Arbeitsstätten so einzurichten und zu betreiben, dass Gesundheitsgefährdungen für Arbeitnehmer möglichst vermieden werden. Insoweit ist zunächst eine Gefährdungsbeurteilung nach § 3 ArbStättV durchzuführen, mit der die Risiken für die Sicherheit und Gesundheit von Arbeitnehmern, die mit der geplanten Gestaltung der Arbeitsstätte einhergehen, ermittelt werden.
Die flexible Nutzung von Arbeitsplätzen führt oft dazu, dass Arbeitsmittel (etwa PC, Maus, Tastatur, Headset) von mehreren Personen verwendet werden. Arbeitgeber müssen dann nach § 4 Abs. 2 ArbStättV sicherstellen, dass nicht nur die Büros, sondern auch die gemeinschaftlich genutzten Arbeitsmittel den hygienischen Erfordernissen entsprechend regelmäßig gereinigt werden. Im Regelfall können Arbeitgeber von Arbeitnehmern nicht verlangen, dass diese die Reinigung der Arbeitsmittel selbst vornehmen, da diese Tätigkeiten zumeist nicht zu den arbeitsvertraglichen Aufgaben der Arbeitnehmer gehören.
Da Arbeitgeber bei der Gestaltung von Arbeitsplätzen als eigenverantwortliche Aufgabe auch ergonomische Anforderungen zu bestimmen und zu berücksichtigen haben, ist bei einer Nutzung eines Büroarbeitsplatzes durch mehrere Arbeitnehmer darauf zu achten, dass die Arbeitsplätze auf die verschiedenen Arbeitnehmer angepasst werden können, d.h. etwa Bürostühle leicht verstellbar sind. Sollen Arbeitnehmer diese Anpassungen selbst vor Arbeitsbeginn vornehmen, ist diese Zeit zu vergüten und die Arbeitnehmer sind entsprechend zu schulen.
Desksharing als psychische Belastung?
Desksharing kann zudem psychische Belastungen für Arbeitnehmer verursachen. Diese müssen Arbeitgeber – wenn möglich – abmildern. Solche Belastungen können insbesondere dann entstehen, wenn eine Vergabe der Arbeitsplätze nach dem „first come, first serve“-Prinzip erfolgt. Hierdurch kann Stress erzeugt werden, möglichst frühzeitig eine Anmeldung vorzunehmen, um besonders begehrte Arbeitsplätze zu erhalten. Hier gilt es, gemeinsam mit den Arbeitnehmern Lösungen zu entwickeln.
So kann etwa bei Mehrfachbelegung eines Arbeitsplatzes das Los über die Zuteilung entscheiden oder besonders begehrte Arbeitsplätze können einer eigenen Kategorie zugeordnet werden, auf deren Zuteilung Arbeitnehmer beispielsweise an einem Tag je Woche zwingend Anspruch haben.
Herausforderung Datenschutz
Datenschutzrechtlich müssen Arbeitgeber gewährleisten, dass personenbezogene Daten nur denjenigen Arbeitnehmern zur Verfügung stehen, die diese Daten zu einem legitimen Zweck nutzen. Es ist sicherzustellen, dass Arbeitnehmer betriebliche Unterlagen nach Dienstschluss nicht auf dem Schreibtisch, den am nächsten Tag andere Arbeitnehmer nutzen, belassen. Es sind daher Orte im Betrieb auszuweisen, an denen Arbeitnehmer dienstliche Unterlagen lagern können. So können etwa Boxen oder Rollkoffer zur Verfügung gestellt werden, in denen Arbeitnehmer nach Dienstschluss aktuell benötigte Arbeitsunterlagen (etwa temporäre Ausdrucke digitaler Akten) lagern können. Gleichzeitig ist sicherzustellen, dass diese Arbeitsunterlagen, wenn sie durch Arbeitnehmer nicht mehr genutzt werden, vernichtet oder an den dauerhaften Lagerort verbracht werden. Da es sich um dienstliche Unterlagen handelt, dürfen Arbeitgeber selbst den Zugriff auf diese Unterlagen nicht verlieren, was etwa bei einer Langzeiterkrankung von Arbeitnehmern relevant werden kann.
Sind einzelne Arbeitnehmer mit besonders sensiblen Daten befasst – wie etwa Arbeitnehmer der Personalabteilung oder der Lohnbuchhaltung – muss sichergestellt werden, dass diese sensiblen Daten nicht an Unbefugte gelangen. Gleiches gilt im Hinblick auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Befinden sich mehrere Arbeitsplätze in einem Büro, können sensible Daten etwa dadurch geschützt werden, dass das betreffende Büro Arbeitnehmern einer bestimmten Abteilung oder eines bestimmten Bereichs vorbehalten bleibt.
Weitere Herausforderungen, die gelöst werden sollten
In vielen Betrieben ist es üblich, bestimmte private Gegenstände im Büro zu lagern (etwa eine Krawatte bei unerwartetem Kundenkontakt). Wird Desksharing eingeführt, können Arbeitgeber dies entweder für die Zukunft untersagen oder aber bestimmte Flächen für eine solche Lagerung ausweisen. In jedem Falle empfiehlt sich eine „Clean Desk Policy“, da sich das flexible Arbeitsplatzsystem nur durch Entfernung der nicht zum Arbeitsplatz gehörenden Gegenstände hinreichend realisieren lässt. Soll derselbe Ort zur Lagerung von dienstlichen und privaten Gegenständen genutzt werden, empfiehlt es sich zudem, die Arbeitnehmer anzuweisen, eine eindeutige Kennzeichnung vorzunehmen, wo sich private Gegenstände befinden. Durch die eindeutige Trennung kann sichergestellt werden, dass Datenschutzgesichtspunkte Arbeitgebern den Zugriff auf dienstliche Unterlagen nicht erschweren.
Wird eine elektronische Lösung zur Verteilung der Arbeitsplätze gewählt, muss der entsprechende Zugriff aller Arbeitnehmer gewährleistet sein. Die Nutzung einer App kann nur angeordnet werden, wenn die Arbeitnehmer über ein Diensthandy verfügen. Andernfalls kann dies nur auf freiwilliger Basis erfolgen. Soll die Buchung des Arbeitsplatzes im Internet erfolgen, muss dies (etwa am Firmenlaptop) während der Arbeitszeit ermöglicht werden.
Erfolgt die Zuweisung der Arbeitsplätze einseitig durch den Arbeitgeber, empfiehlt es sich, ein Eskalationssystem für die Arbeitnehmer vorzusehen: Dieses sollte eine Kontaktperson nennen, an welche sich die Arbeitnehmer wenden können, wenn aufgrund persönlicher Umstände mobile Arbeit an diesem Tag nicht möglich ist oder an einem Tag ein bestimmter Arbeitsplatz (weniger Lärmbelästigung, mehr Licht) benötigt wird.
Desksharing und Betriebsrat
Besteht ein Betriebsrat, ist dieser bei zahlreichen Aspekten des Desksharings zu beteiligen: So kann ein Mitbestimmungsrecht bei der Erstellung von Gefährdungsbeurteilungen und beim Gesundheitsschutz gem. § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG bestehen. Auch kann durch die Einführung von Desksharing die mitbestimmungspflichtige Ordnung des Betriebs nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG betroffen sein, etwa wenn es um die Lagerung privater Gegenstände geht. Zuletzt kann ein Buchungstool je nach Ausgestaltung als eine an sich zur Leistungskontrolle geeignete technische Einrichtung i.S.v. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG anzusehen sein, bei deren Einführung und Nutzung ebenso ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats besteht. Jedenfalls ist der Betriebsrat vor der Einführung des Desksharings gem. § 90 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 BetrVG zu unterrichten, da ihm ggf. Informations- und Beratungsrechte zustehen.
Die Einführung von Desksharing kann je nach konkreter Ausgestaltung auch eine Betriebsänderung i.S.v. § 111 BetrVG darstellen, da es im Einzelfall zu einer grundlegenden Änderung der Betriebsanlagen oder der Einführung einer grundlegend neuen Arbeitsmethode (vgl. ArbG Frankfurt a.M. v. 8. Januar 2003 – 2 BVGa 587/02) kommen kann. Liegt eine solche Betriebsänderung vor, ist mit dem Betriebsrat ein Interessenausgleich zumindest zu versuchen und – soweit Nachteile für Arbeitnehmer denkbar sind – ein Sozialplan abzuschließen.
Sofern die Zuweisung eines geteilten Arbeitsplatzes den Voraussetzungen des § 95 Abs. 3 BetrVG entspricht, kann es sich im Einzelfall auch um eine mitbestimmungspflichtige Versetzung handeln.
Fazit: Die Einführung von Desksharing ist kein Selbstläufer
Mit der Einführung von Desksharing reagieren Arbeitgeber auf den Wunsch der Arbeitnehmer und Bewerber, vermehrt außerhalb des Büros zu arbeiten. Ohne eine Mitwirkung der Arbeitnehmer kommt die Einführung eines solchen Modells zumeist jedoch nur mittels Betriebsvereinbarung in Betracht.
Besteht ein Betriebsrat kommen diesem weitreichende Mitbestimmungsrechte hinsichtlich des Desksharings zu.
In jedem Fall müssen Arbeitgeber beim Desksharing noch stärker als sonst den Anforderungen des Gesundheitsschutzes und des Datenschutzes Rechnung tragen.