Das Thema
Weil Fachkräfte in Deutschland mehr und mehr fehlen, behelfen sich Unternehmen zunehmend mit der Suche nach Mitarbeitern im Ausland. Möglich macht dies auch die räumliche Entgrenzung von Arbeit, es genügt heutzutage häufig, wenn Mitarbeiter virtuell in die Arbeitsorganisation eingebunden sind. Gerade bei vorübergehendem Arbeitskräftebedarf gerät aktuell das Geschäftsmodell des „Employer of Record“ als neue Form grenzüberschreitender Arbeitnehmerüberlassung in den Fokus der Unternehmen.
Doch wie ist diese Konstruktion vor dem Hintergrund des deutschen Arbeitnehmerüberlassungs- und Betriebsverfassungsgesetzes einzuordnen? Teil 1 unserer Beitragsserie ging bereits auf Fragen rund um das Arbeitnehmerüberlassungsrecht ein; dieser Teil 2 der Beiträge zum Modell des „Employer of Record“ beschäftigt sich mit der Mitbestimmung des Betriebsrats.
Employer of Record und das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats
Für die Mitbestimmung eines Betriebsrats in Fällen der Beschäftigung von Leiharbeitnehmern bildet § 14 AÜG eine eigenständige gesetzliche Regelung. Grundsätzlich gilt, dass jeder Einsatz eines Leiharbeitnehmers in einem Entleiherbetrieb mitbestimmungspflichtig ist (§ 14 Abs. 3 S. 1 AÜG). Es handelt sich bei den Standardfällen der Arbeitnehmerüberlassung, in denen auch tatsächlich die Beschäftigung im Betrieb des Entleihers erfolgt, stets um eine tatsächliche Eingliederung in den Einsatzbetrieb. Schon vor Inkrafttreten des § 14 Abs. 3 AÜG galt gemäß der Rechtsprechung, dass vor der Übernahme eines Leiharbeitnehmers der Betriebsrat zu unterrichten und dessen Zustimmung einzuholen ist.
Dogmatisch streitig ist, ob es sich bei § 14 Abs. 3 S. 1 AÜG um eine Rechtsgrund- oder eine Rechtsfolgenverweisung auf § 99 BetrVG handelt. Richtigerweise ist eine Rechtsgrundverweisung anzunehmen. Mit der Schaffung des § 14 Abs. 3 AÜG wollte der Gesetzgeber lediglich die schon zuvor zu § 99 BetrVG ergangene Rechtsprechung kodifizieren, wonach die Beschäftigung von Leiharbeitnehmern eine mitbestimmungspflichtige Einstellung i.S.d. § 99 BetrVG darstellt. Daraus folgt, dass die Voraussetzungen des § 99 BetrVG auch in Fällen der Beschäftigung von Leiharbeitnehmern gegeben sein müssen, z.B. muss das Entleiherunternehmen in den Anwendungsbereich des § 99 BetrVG fallen, d.h. mehr als 20 wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigen.
Betriebsrat auch bei erlaubnisfreier Arbeitnehmerüberlassung zu berücksichtigen
Wie bereits in Teil 1 des Beitrags dargestellt, bedarf ein Vertragsarbeitgeber, der Arbeitnehmer im Wege des Modells des „Employer of Record“ anderen zur Arbeitsleistung überlässt, nicht der Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis gem. § 1 Abs. 1 S. 1 AÜG. Hieraus könnte geschlussfolgert werden, dass damit auch § 14 Abs. 3 S. 1 AÜG keine Anwendung auf solche Überlassungen findet.
Vielmehr ist es aber so, dass das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in Fällen der Leiharbeitnehmerschaft unabhängig davon gilt, ob es sich um erlaubnispflichtige oder erlaubnisfreie Arbeitnehmerüberlassung handelt.
Begründet wird dies richtigerweise mit der mitbestimmungsrechtlichen Interessenlage bei der Beschäftigung von Leiharbeitnehmern: § 99 BetrVG dient, anders als die Vorschriften des AÜG, nicht dem Schutz des Leiharbeitnehmers, sondern dem der Stammbelegschaft. Dies belegen die dem Betriebsrat von Gesetzes wegen eingeräumten Zustimmungsverweigerungsgründe. Aus der Perspektive der Schutzwürdigkeit des bereits beschäftigten Arbeitnehmers kann es aber keine Rolle spielen, ob ein Arbeitnehmer oder ein Leiharbeitnehmer neu beschäftigt werden soll. Folgt man der Lehre von der doppelten Betriebszugehörigkeit von Arbeitnehmern bei gespaltener Arbeitgeberstellung, bedarf es auch keiner analogen Anwendung des § 14 AÜG.
Übertragung auf das Geschäftsmodell des „Employer of Record“: Kollisionsrechtliche Betrachtung
Jedoch könnte das Kollisionsrecht gegen die Anwendbarkeit des § 14 AÜG sprechen. Für die Absätze 2 und 3 des § 14 AÜG gilt laut der herrschenden Meinung in der Literatur für die Bestimmung des anwendbaren Rechts Art. 8 Rom I-Verordnung. Gemäß Art. 8 Abs. 2 S. 1 Rom I-Verordnung unterliegt der Arbeitsvertrag dem Recht des Staates, in dem oder von dem aus heraus der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrags gewöhnlich seine Arbeit verrichtet. Im Falle des Rechtsverhältnisses zwischen Entleiher und Arbeitnehmer fehlt es zwar an einem Arbeitsvertrag, der dieses Verhältnis rechtlich determinieren könnte, aber Art. 8 Rom I-Verordnung ist dennoch die korrekte Kollisionsnorm, da sie nicht nur für Arbeitsverträge, sondern auch für Arbeitsverhältnisse gilt. Die Rechtsbeziehung zwischen Entleiher und Arbeitnehmer ist arbeitsrechtlich geprägt: Der Entleiher gliedert – jedenfalls im Fall der klassischen Arbeitnehmerüberlassung – den Arbeitnehmer vorübergehend in seinen Betrieb ein und gestaltet die Erbringung der Arbeitsleistung durch die Ausübung des ihm vom Verleiher übertragenen arbeitsrechtlichen Direktionsrechts.
Für das Geschäftsmodell des „Employer of Record“ würde hieraus folgen, dass das Rechtsverhältnis zwischen dem Arbeitnehmer und dem Auftraggeber durch das Recht des Heimatstaates des Arbeitnehmers bestimmt wird. Mithin wäre § 14 Abs. 3 AÜG auf dieses Rechtsverhältnis nicht anwendbar.
Im gegebenen Kontext sei darauf hingewiesen, dass auch für das Betriebsverfassungsgesetz das Territorialitätsprinzip gilt. Das Bundesarbeitsgericht hat im Zusammenhang mit im Ausland tätigen Arbeitnehmern entschieden, dass das BetrVG für alle in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Betriebe unabhängig vom Vertragsstatut der dort beschäftigten Arbeitnehmer gilt. Ob es auch im Ausland tätige Arbeitnehmer deutscher Betriebe erfasse, sei eine Frage seines persönlichen Geltungsbereichs. Erfasst werden nur solche Mitarbeiter, bei deren Tätigkeit es sich um eine „Ausstrahlung“ des Inlandsbetriebs handele. Erforderlich sei eine Beziehung zum Inlandsbetrieb, die es rechtfertige, die Auslandstätigkeit der im Inland entfalteten Betriebstätigkeit zuzurechnen. Dies sei bei einer ständigen Beschäftigung im Ausland regelmäßig nicht der Fall. Überträgt man diese vom BAG entwickelten Grundsätze auf den Fall der Arbeitnehmerüberlassung, bei der die Tätigkeitserbringung ausschließlich im Ausland stattfindet, würde § 14 Abs. 3 AÜG keine Anwendung finden.
Letztlich kann aber auch eine kollisionsrechtliche Verneinung der Anwendbarkeit des § 14 AÜG nicht überzeugen.
Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Personalangelegenheiten betreffend im Ausland tätiger Leiharbeitnehmer
Hintergrund des Einbezugs von Leiharbeitnehmern in das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gem. §§ 14 Abs. 3 S. 1 AÜG, 99 BetrVG ist, dass sich durch die Beschäftigung von Leiharbeitnehmern Auswirkungen auf die Stammbelegschaft ergeben können. Auf solche möglichen Auswirkungen hat der Betriebsrat im Rahmen seines Mitbestimmungsrechts zu achten. So ist es bspw. möglich, dass ein Leiharbeitnehmer einen Arbeitsplatz besetzt, der zuvor durch einen eigenen Arbeitnehmer des Entleihers besetzt war. Für die angesprochenen möglichen Auswirkungen auf die Stammbelegschaft ist es ohne Belang, an welchem Ort (im Inland an der Betriebstätte des Entleihers, im inländischen Home Office oder irgendwo im Ausland) der Leiharbeitnehmer seine Tätigkeit ausübt. Von Relevanz ist hingegen, dass er (auf digitalem bzw. virtuellem Wege) in die Arbeitsorganisation im Inland eingegliedert ist und auf dieselbe Art und Weise arbeitsrechtlichen Weisungen unterliegt. Dies aber erfüllt die Definition des Begriffs der Einstellung i.S.d. § 99 Abs. 1 BetrVG. Die „Übernahme” eines Leiharbeitnehmers i.S.v. § 14 Abs. 3 S. 1 AÜG ist die als Einstellung i.S.v. § 99 Abs. 1 BetrVG zu erachtende Eingliederung.
Des Weiteren lässt sich als Argument vorbringen, dass Unternehmen das Mitbestimmungsrecht großflächig aushöhlen könnten, indem sie ihre Arbeitnehmer in nicht unerheblicher Zahl durch Leiharbeitnehmer ersetzen, welche alle ausschließlich außerhalb Deutschlands tätig sind. Dies kann – nimmt man eine betriebsverfassungsrechtliche Perspektive ein – nicht gewollt sein. Darüber hinaus spricht für diese Rechtsansicht, dass mit § 14 Abs. 3 S. 1 AÜG die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und die schon früher herrschende Meinung im rechtswissenschaftlichen Schrifttum kodifiziert und bestätigt wurde, wonach auch für Leiharbeitnehmer dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht gem. § 99 BetrVG zusteht. Es bedarf also nicht des § 14 Abs. 3 S. 1 AÜG, um § 99 BetrVG auf Leiharbeitnehmer anzuwenden.
Entscheidend ist, dass § 14 Abs. 3 S. 1 AÜG, der auf § 99 BetrVG verweist, ein inländisches Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat determiniert und es eben dadurch, bei Lichte betrachtet, kein Ausgreifen einer deutschen Rechtsnorm auf einen ausländischen Sachverhalt gibt. Es gibt daher keinen Raum für eine etwaige kollisionsrechtliche Unanwendbarkeit des § 14 Abs. 3 S. 1 AÜG, weil die Norm nicht der Bestimmung des Inhalts des Rechtsverhältnisses zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher dient. Vielmehr hat die Norm des § 14 Abs. 3 S. 1 AÜG betriebsverfassungsrechtlichen Gehalt.
Für das Geschäftsmodell des „Employer of Record“ bedeutet dies, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Personalangelegenheiten betreffend im Ausland tätiger Leiharbeitnehmer nach hiesiger Auffassung zu bejahen ist. Der Auftraggeber muss den Betriebsrat über jedes Tätigwerdenlassen eines Leiharbeitnehmers im Ausland vor Tätigkeitsbeginn unterrichten und sich ggf. eine Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats entgegenhalten lassen.
Es stellt auch keinen Wertungswiderspruch dar, wenn einerseits die Arbeitnehmerüberlassung im Wege des Modells des „Employer of Record“ erlaubnisfrei ist, aber andererseits dem Betriebsrat des Entleiherbetriebs ein Mitbestimmungsrecht eingeräumt wird. Die Erlaubnispflicht des § 1 Abs. 1 S. 1 AÜG ist eine gewerberechtliche Norm mit öffentlich-rechtlichem Charakter. Hingegen ist § 14 Abs. 3 S. 1 AÜG eine zivilrechtliche Norm mit betriebsverfassungsrechtlichem Charakter. Bei der Prüfung der Erlaubnispflicht kommt es auf die Anwendbarkeit des § 1 AÜG und mithin das Territorialitätsprinzip an, für dessen Verständnis der Tätigkeitsort entscheidend ist, während es bei der Prüfung des Mitbestimmungsrechts auf den Telos der Norm und das von ihr determinierte Rechtsverhältnis ankommt und das Territorialitätsprinzip nicht tangiert ist. Ein Auseinanderfallen von Erlaubnispflicht gem. § 1 Abs. 1 S. 1 AÜG und Mitbestimmungsrecht gem. §§ 14 Abs. 3 S. 1 AÜG, 99 BetrVG ist daher ohne Weiteres denkbar.
Mitbestimmung des Betriebsrats bei “Employer of Record”: Mögliche Folgefragen
Nimmt man – wie hier – ein solches Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats an, so kann dies Folgefragen mit sich bringen. So ist der Entleiher gem. § 14 Abs. 3 S. 2 AÜG verpflichtet, dem Betriebsrat die Erklärung des Verleihers nach § 12 Abs. 1 S. 3 AÜG vorzulegen. In einer solchen Erklärung versichert der Verleiher, dass er im Besitz der Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis gem. § 1 Abs. 1 S. 1 AÜG ist. Wie bereits dargestellt, ist aber nach herrschender und auch hier vertretener Rechtsansicht der Anwendungsbereich des AÜG nicht eröffnet und daher die Arbeitnehmerüberlassung im Geschäftsmodell des „Employer of Record“ nicht erlaubnispflichtig. Der Auftraggeber wäre in einem solchen Falle also gar nicht in der Lage, dem Betriebsrat die Erklärung gem. § 12 Abs. 1 S. 3 AÜG vorzulegen. Dies kann zu Konflikten mit dem Betriebsrat dann führen, wenn der Auftraggeber den Rechtsstandpunkt vertritt, die betreffende Arbeitnehmerüberlassung sei nicht erlaubnispflichtig, der Betriebsrat jedoch den gegenteiligen Standpunkt einnimmt und die Vorlage der Erklärung gem. § 12 Abs. 1 S. 3 AÜG verlangt.
Soll einem Leiharbeitnehmer während eines laufenden Fremdpersonaleinsatzes gekündigt werden, steht diesbezüglich dem Betriebsrat im Entleihbetrieb kein Mitbestimmungsrecht gem. § 102 BetrVG zu. Der Arbeitnehmer steht in einem Arbeitsverhältnis zum Verleiher (vgl. § 14 Abs. 1 AÜG), sodass eine Kündigung durch den Entleiher ausgeschlossen ist.
Gem. § 7 S. 2 BetrVG sind Leiharbeitnehmer im Entleiherbetrieb bei der Betriebsratswahl wahlberechtigt, wenn sie länger als drei Monate im Betrieb eingesetzt werden. Auch die Gesetze zur unternehmerischen Mitbestimmung verweisen auf diese Norm (u.a. §§ 10 Abs. 2 S. 2, 18 S. 2 MitbestG, 5 Abs. 2 S. 2 DrittelbG, 8 Abs. 2 S. 2 MitbestErgG)). Eine Wahlberechtigung von im Ausland tätigen Leiharbeitnehmern, welche im Rahmen des Modells des „Employer of Record“ überlassen werden, ist jedoch nach hier vertretener Auffassung zu verneinen. Ausschlaggebend ist das Territorialitätsprinzip, das für das BetrVG und damit auch für § 7 S. 2 BetrVG gilt. Die Norm bestimmt die Rechte des Leiharbeitnehmers zum Entleiherbetrieb und damit ein grenzüberschreitendes Rechtsverhältnis. Für das Territorialitätsprinzip ist aber der Tätigkeitsort entscheidend, welcher bei Arbeitnehmern, die mittels des Modells des „Employer of Record“ eingesetzt werden, in Gänze außerhalb Deutschlands liegt.
Rechtsprechung und Literatur betonen, dass die Dauer und der zeitliche Umfang des Einsatzes des Leiharbeitnehmers bei der Frage der Mitbestimmungspflicht gem. §§ 14 Abs. 3 S. 1 AÜG, 99 BetrVG keine Rolle spielen.
Nach hier vertretener Rechtsmeinung sind Arbeitnehmerüberlassungen im Wege des Modells des „Employer of Record“ mitbestimmungspflichtig. Ist der Leiharbeitnehmer vorübergehend beim Entleiher vor Ort in Deutschland tätig, und sei es auch noch so kurzfristig, ist daher ebenfalls (oder erst recht) von einem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats auszugehen.
Fazit: Geschäftsmodell „Employer of Record“ und betriebliche Mitbestimmung
Arbeitnehmer, welche im Rahmen des Geschäftsmodells „Employer of Record“ für ein deutsches Unternehmen im Ausland tätig sind, unterliegen dem Mitbestimmungsrecht des § 14 Abs. 3 S. 1 AÜG, 99 BetrVG. Für die Anwendbarkeit dieser Normen ist es ohne Bedeutung, dass der überlassene Arbeitnehmer seine Tätigkeit in Gänze außerhalb Deutschlands verrichtet, denn er wird im inländischen Betrieb „übernommen“ i.S.d. § 14 Abs. 3 S. 1 AÜG und damit „eingestellt“ i.S.d. § 99 BetrVG.
Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in Anwendungsfällen des Modells des „Employer of Record“ stellt im Ergebnis keine zusätzliche Belastung des Einsatzunternehmens dar, da es auch bei der Einstellung eines eigenen Arbeitnehmers oder bei Überlassung eines Leiharbeitnehmers im Inland das Mitbestimmungsrecht beachten müsste.
***Mit freundlicher Genehmigung der Fachzeitschrift “Der Betrieb”, in welcher beide Beitragsteile als Fachaufsatz in leicht abgewnadelter Form bereits erschienen sind (DB, Heft 12/2023).