Das Thema
Wenn ein Arbeitnehmer am Ende des Arbeitsverhältnisses die Abgeltung von noch bestehenden Urlaubsansprüchen verlangt, muss er das Bestehen eines solchen Urlaubsanspruchs vor Gericht nachweisen können. Behauptet der Arbeitnehmer, dass noch Urlaubsansprüche bestünden, weil freie Tage mit seinem Zeitguthaben aus Überstunden auf einem „Flex-Konto“ zu verrechnen gewesen seien, so muss er detailliert darlegen, wie hoch sein Arbeitszeitguthaben war.
Das LAG Rheinland-Pfalz hat nun klargestellt (Urteil vom 6. Dezember 2018 – 5 Sa 204/18), dass Angaben wie „das Konto sei immer gefüllt gewesen“ diesen Anforderungen nicht genügen. Das neue Urteil des LAG passt damit zur Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zur Darlegung von Überstunden – auch dort verlangt das BAG, dass der Arbeitnehmer behauptete Überstunden im Detail darlegen und ggf. beweisen muss.
Der Fall: Überstunden abgefeiert oder Urlaub genommen?
Arbeitgeber und Arbeitnehmer stritten um die Höhe des nach § 7 Abs. 4 BUrlG abzugeltenden Urlaubsanspruchs. Hintergrund des Streits war, dass der Arbeitnehmer über ein „Flex-Konto“ verfügte, auf dem von ihm geleistete Überstunden gutgeschrieben wurden. Die auf dem Konto gebuchten „Plusstunden“ konnten dann in Form von bezahlter Freistellung von der Arbeit verwendet werden (z.B. auch bei Betriebsschließungen an Brückentagen etc.).
Konkret stritten die Parteien darüber, ob der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers aufgrund der Betriebsschließung rund um Weihnachten aufgebracht worden war, oder ob die entsprechende bezahlte Freistellung vom „Flex-Konto“ des Mitarbeiters abgezogen werden musste.
Vor Gericht behauptete der Arbeitnehmer insoweit, dass er für die streitgegenständlichen sieben Tage keinen Urlaub genommen habe. Die Tage seien vielmehr mit den Plusstunden auf seinem „immer gefüllten“ Arbeitszeitkonto zu verrechnen gewesen. Nähere Angaben, wie viele Plusstunden das Arbeitszeitkonto zum streitigen Zeitpunkt aufwies, machte der Arbeitnehmer allerdings nicht.
Das LAG hatte nun zu ermitteln, in welcher Höhe der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers bei seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis noch bestand. Konkret ging es also um die Frage, ob der Arbeitnehmer an den Brückentagen bloß Überstunden „abfeierte“ oder ob diese Tage auf seinen Erholungsurlaub anzurechnen waren.
Wann müssen “Plusstunden” gegenüber Urlaubsansprüchen vorrangig in Abzug gebracht werden?
Nachdem das Arbeitsgericht Koblenz die Klage im Wesentlichen abgewiesen hatte (Urteil vom 27. Februar 2018, 8 Ca 2117/17), bestätigte das LAG Rheinland-Pfalz das Urteil in der zweiten Instanz.
Das LAG setzte sich insbesondere damit auseinander, welche Anforderungen an die Behauptung des Arbeitnehmers zu stellen sind, dass seine „Plusstunden“ auf dem „Flex-Konto“ gegenüber seinem Urlaubsanspruch vorrangig hätten in Abzug gebracht werden müssen.
Das LAG verweist auf den allgemeinen zivilprozessrechtlichen Grundsatz, dass derjenige die Darlegungs- und Beweislast trägt, der Rechte geltend macht. Daher sei es die Aufgabe des Arbeitnehmers gewesen, sich zu den tatsächliche Umständen detailliert zu erklären, aus denen sich ergeben soll, dass ein hinreichendes Arbeitszeitguthaben bestanden hat, das für die streitigen Brückentage verwendet werden sollte.
Angesichts dieses Maßstabs sei die pauschale Behauptung des Arbeitnehmers, sein Arbeitszeitkonto sei „immer gefüllt“ gewesen, nicht ausreichend, um die geltend gemachten Ansprüche zu stützen.
Auch Zeuge für angebliches “Arbeitszeitguthaben” hilft nicht
Daran ändert sich nach Auffassung des LAG auch nichts, wenn der Arbeitnehmer einen Zeugenbeweis für seine Behauptung, es habe ein ausreichendes Arbeitszeitguthaben bestanden, anbietet. Eine pauschale Behauptung des Arbeitnehmers ist einem Zeugenbeweis nicht zugänglich, da aus Sicht des Gerichts noch nicht einmal erkennbar ist, zu welchen konkreten Umständen der Zeuge Aussagen treffen können soll. Eine solche als „Ausforschungsbeweis“ bezeichnete Maßnahme ist unzulässig.
Der Arbeitnehmer behauptete zuletzt zwar, dass er seinen Vortrag nicht hätte präzisieren können, weil ihm der Arbeitgeber keinen Ausdruck aus dem Zeiterfassungssystem ausgehändigt habe. Aber auch dieses Argument überzeugte das LAG nicht: zum einen war es nach dem unstreitigen Vortrag des Arbeitgebers so, dass der Arbeitnehmer jederzeit an einem Zeiterfassungsterminal die erforderlichen Angaben hätte ablesen können. Im Übrigen sei es aber ohnehin Aufgabe des Arbeitnehmers gewesen, den Nachweis darüber zu führen, wann er welche Arbeitszeitguthaben angesammelt haben wollte.
Vorbild Überstundenprozess: Konkrete Darlegungs- und Beweislast für Überstunden
Das Urteil des LAG konkretisiert die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitnehmers bei Streitigkeiten rund um vermeintlich erbrachte Arbeitsleistungen, vor allem im Zusammenhang mit Überstunden. Es reiht sich damit in die Linie der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BAG ein (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 25. Mai 2005 – 5 AZR 319/04; Urteil vom 16. Mai 2012 – 5 AZR 347/11; Urteil vom 23. September 2015 – 5 AZR 767/13), welches seit jeher strenge Anforderungen an den Vortrag von Arbeitnehmern stellt, die z.B. eine Überstundenvergütung verlangen.
Zur Begründung eines Anspruchs auf Überstundenvergütung bzw. zur Darlegung eines entsprechenden Arbeitszeitguthabens auf einem Gleitzeitkonto hat der Arbeitnehmer daher detailliert vorzutragen, an welchen Tagen und zu welchen Tageszeiten er über die reguläre Arbeitszeit hinaus gearbeitet hat. Bestreitet der Arbeitgeber, dass der Arbeitnehmer tatsächlich gearbeitet hat, muss der Arbeitnehmer sogar Auskunft darüber geben, welche konkrete Tätigkeit er jeweils ausgeführt hat.
Aber selbst, wenn der Arbeitnehmer dem nachgekommen ist, muss er für den Anspruch auf die Vergütung solcher Überstunden bzw. für das Bestehen eines entsprechenden Arbeitszeitguthabens sogar noch darlegen (und im Streitfall beweisen), dass die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt oder jedenfalls geduldet wurden bzw. zur Erledigung der geschuldeten Arbeit erforderlich waren.
Es liegt auf der Hand, dass es in der Praxis regelmäßig schwierig ist, diesen Anforderungen zu genügen. Dennoch bestätigt das LAG Rheinland-Pfalz diese Linie des BAG.
Betriebsferien per Direktionsrecht
Der Arbeitnehmer hatte überdies noch argumentiert, dass der Urlaub schon deswegen nicht verbraucht worden sein könne, weil der Arbeitgeber den Urlaub nicht wirksam einseitig gewährt haben könne.
Auch hier bleibt das LAG der seit Jahrzehnten bestehenden Linie des BAG treu, nach der es dem Arbeitgeber erlaubt ist, kraft seines Direktionsrechts den Arbeitnehmer einseitig in den Urlaub zu schicken (vgl. nur BAG, Urteil vom 12. Oktober 1961 – 5 AZR 423/60). Die Wirksamkeit einer solchen Urlaubsanordnung hängt allein davon ab, dass diese Anordnung nach billigem Ermessen erfolgt und damit den Arbeitnehmer nicht willkürlich benachteiligt. Ruht ein Betrieb – wie im vorliegenden Fall – generell rund um Weihnachten, so bestehen in aller Regel keine Bedenken gegen eine entsprechende Urlaubsanordnung seitens des Arbeitgebers.
Insgesamt fügt das Urteil des LAG Rheinland-Pfalz dem Fallkanon zum Thema „Überstunden“ ein weiteres Mosaiksteinchen hinzu und überträgt konsequent die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Darlegungs- und Beweisleist bei Überstunden auf Fallgruppen, in denen es auf diese Darlegung nur mittelbar ankommt.
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