Das Thema
Das Urlaubsentgelt bemisst sich nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst, den ein Arbeitnehmer in den letzten 13 Wochen vor dem Beginn des Urlaubs erhalten hat. Bei der Berechnung zählen variable Vergütungsbestandteile regelmäßig mit. Bei Prämien, die für die Erreichung bestimmter Zielvorgaben gezahlt werden, ist dies nach der Rechtsprechung hingegen nicht immer der Fall.
Sachverhalt
Ein Vertriebsbeauftragter streitet mit seinem Arbeitgeber über die Höhe des während des Urlaubs zu zahlenden Gehalts. Die Vergütung des Arbeitnehmers besteht im Umfang von 60 Prozent aus einem fixen Grundgehalt. Die restlichen 40 Prozent seines Jahreszielgehalts entfallen auf einen variablen Vergütungsbestandteil. Dessen Höhe hängt davon ab, ob im Voraus vereinbarte Vertriebsziele innerhalb eines Abrechnungszeitraums – von zunächst drei, später sechs Monaten – erreicht werden.
Der Arbeitnehmer meint, nicht nur das Grundgehalt, sondern auch der variable Vergütungsteil müsse der Durchschnittsberechnung für das Urlaubsentgelt zugrunde gelegt werden. Er argumentiert damit, dass die variable Vergütung nichts anderes sei als eine Provision. Nach Auffassung des Arbeitgebers stellt die bei Erreichung der Vertriebsziele gezahlte variable Vergütung hingegen keine Provision, sondern eine innerhalb genau bestimmter Abrechnungszeiträume geleistete Prämie dar. Diese werde unabhängig vom konkreten Beitrag des Arbeitnehmers für Vertriebserfolge gezahlt.
Die Entscheidung
Sowohl vor dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main als auch vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht hatte der Arbeitnehmer keinen Erfolg. Dort wies man seine Klage jeweils ab. Die Richter stuften die variable Vergütung nicht als Provision, sondern als umsatzbezogene Zielerreichungsprämie ein. Diese Prämie werde dem Arbeitnehmer während des Urlaubs zwar weitergezahlt. Dafür werden diese Zahlungen jedoch bei der Durchschnittsberechnung des Urlaubsentgelts, d.h. bei Betrachtung der letzten 13 Wochen vor Antritt des Urlaubs, nicht mitgezählt. Ansonsten käme es zu einer unzulässigen Doppelbelastung des Arbeitgebers.
Über die Revision des Klägers beim BAG wurde in der Sache nicht entschieden. Das Gericht wies den Rechtsstreit aus prozessualen Gründen zurück (Urt. v. 27.07.2021 – 9 AZR 376/20). Mit einer abschließenden Einschätzung zur Berechnung des Urlaubsentgelts bei Zielprämien durch das BAG ist somit in nächster Zeit nicht zu rechnen.
Konsequenzen für die Praxis
Die Berechnung des Urlaubsentgelts stellt Entgeltabrechner immer wieder vor Herausforderungen. Dies gilt weniger beim Fixgehalt, aber bei variablen Vergütungsbestandteilen. Von denen gibt es im Arbeitsverhältnis reichlich. Klar ist: Nicht alle, aber viele variable Vergütungsbestandteile werden in die Durchschnittsberechnung gemäß § 11 BUrlG einbezogen. Vor allem bei umsatzbezogenen Zahlungen an Arbeitnehmer stellen sich mitunter knifflige Abgrenzungsfragen. Im Grundsatz gilt: Erhält der Arbeitnehmer den variablen Vergütungsbestandteil als konkrete Gegenleistung für die von ihm im 13-wöchigen Referenzzeitraum geleistete Arbeit, zählen diese Zahlungen bei der Berechnung des Urlaubsentgelts mit. Dies ist bei Provisionen eindeutig der Fall. Hat ein Arbeitnehmer z.B. im 13-Wochen-Zeitraum vor Urlaubsantritt einen Geschäftsabschluss vermittelt, hat er damit seinen Provisionsanspruch verdient. Schließt sich daran Urlaub an, muss der Provisionsanspruch in die Berechnung des Urlaubsentgelts einbezogen werden.
Von Provisionen abzugrenzen sind Umsatzbeteiligungen, wenn sie nicht die tägliche, wöchentliche oder monatliche Tätigkeit des Arbeitnehmers honorieren, sondern auf seine Gesamtleistung während eines bestimmten, meist längeren Zeitraums abstellen. Hier ist die Rechtsprechung bislang arbeitgeberfreundlich. Bei Erreichung der vereinbarten Ziele wird die Prämie, auch wenn sich der Arbeitnehmer gerade im Urlaub befindet, zwar gezahlt. Sie zählt jedoch nicht doppelt mit und bleibt deshalb bei der Durchschnittsberechnung des Urlaubsentgelts außen vor.
Praxistipp
Arbeitgeber sollten die Entwicklung der Rechtsprechung genau verfolgen. Der Anspruch der Arbeitnehmer auf bezahlten Jahresurlaub ist durch EU-Recht zwingend vorgegeben. Aufgrund dieses Hintergrunds können zukünftige Rechtsprechungsänderungen nicht ausgeschlossen werden. Sollten sie eintreten, werden Arbeitgeber bisherige Regelungen zu Zielprämien genau prüfen und nötigenfalls anpassen müssen, um finanzielle Mehrbelastungen zu vermeiden.