Das Thema
Die Kirche zählt zu den größten Arbeitgebern Deutschlands. Und für diesen Arbeitgeber gelten zahlreiche Sonderregelungen; Kirche und Arbeitsrecht – eine besondere Ehe. Mehrere Verfahren und Entscheidungen – zuletzt durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) – (vgl. Urteil vom 17. April 2018 – Rechtssache C-414/16 sowie Urteil vom 11. September 2018 – Rechtssache C-68/17) werfen indes immer wieder die Frage auf, ob und gegebenenfalls wie lange diese noch gelten können. Denn eigentlich sind doch ALLE auf hoher See und vor Gericht gleich. Eigentlich.
Aus der arbeitsrechtlichen Blogosphäre
Nach Art. 140 GG sind die Vorschriften der Weimarer Reichsverfassung (WRV) über die Rechte der Religionsgemeinschaften Bestandteil des Grundgesetzes. Art. 137 Abs. 3 Satz WRV sieht vor, dass jede Religionsgesellschaft ihre Angelegenheiten innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes selbständig ordnet und verwaltet. Die Kirchen können demnach ihre inneren Angelegenheiten – worunter auch ihre Arbeits- und Dienstverhältnisse fallen – selbständig regeln. Das hat auch das BVerfG bestätigt (Beschluss vom 22. Oktober 2014 – 2 BvR 661/12 )
Der EuGH bläst nun zum Sturm auf dieses Selbstbestimmungsrecht. Ausgangspunkt war das Ersuchen um Auslegung der Antidiskriminierungsrichtlinie (Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. 2000, L 303, S. 16)). Nach dieser Richtlinie ist es grundsätzlich verboten, einen Arbeitnehmer wegen seiner Religion oder seiner Weltanschauung zu diskriminieren. Kirchen und andere Organisationen, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruht, können aber dann eine mit ihrem Bekenntnis zusammenhängende Anforderung aufstellen, wenn dieses ihrem Ethos nach eine nach der Art der fraglichen Tätigkeit oder den Umständen ihrer Ausübung wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt. Aber eben auch nur dann – wie Rechtsanwältin Dr. Alexa Paehler im Blog „Arbeitsrecht.Weltweit“ von KLIEMT.Arbeitsrecht betont.
Nach Meinung des EuGH erfordert die von einem Chefarzt ausgeübte Tätigkeit nicht, dass dieser das katholische Eheverständnis befolgt. Das gilt umso mehr als an die leitend tätigen Beschäftigten je nach deren (fehlender) Konfession unterschiedliche Anforderungen an das loyale und aufrichtige Verhalten im Sinne dieses Ethos gestellt werden. Dürfen also protestantische oder konfessionslose Chefärzte weniger loyal zur katholischen Glaubens- und Sittenlehre sein? Das fragt sich Rechtsanwalt Sören Langer im Blog von CMS Hasche Sigle.
Rechtsanwalt Thomas Köllmann erläutert im Blog von Küttner: „Die Anforderungen, welche die Kirche an ihre Arbeitnehmer in Bezug auf ein loyales Verhalten im Sinne der Religion stellt, müssen Gegenstand einer gerichtlichen Kontrolle sein. Dabei muss das nationale Gericht prüfen, ob die Religion im Hinblick auf die beruflichen Tätigkeiten eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt.“ Er betont, dass der EuGH ausdrücklich darauf hinweist, dass nach seinem Verständnis für die Tätigkeit eines Chefarztes die Akzeptanz des katholischen Eheverständnisses keine wesentliche berufliche Anforderung darstellt.
Vertreter der katholischen Kirche kommentieren Bewertungen des EuGH kritisch
Nach Auffassung des Sekretärs der Deutschen Bischofskonferenz, Hans Langendörfer, verkennt die Entscheidung die verfassungsrechtliche Position der Kirchen. Und Prof. Dr. Stoffels führt dazu im Beck-Blog aus, dass es Sache der Kirche sei im Sinne ihres Selbstbestimmungsrechts Loyalitätserwartungen an ihre Mitarbeiter zu formulieren.
Es bleibt abzuwarten was das Bundesarbeitsgericht aus der als Vorlageverfahren entschiedenen Fragestellung macht. Abzuwarten bleibt auch, ob das beklagte katholische Krankenhaus anschließend erneut den Gang nach Karlsruhe antritt und wie dieses entscheidet, meint Rechtsanwalt Tobias Törnig im Handelsblatt Rechtsboard.
Wie auch immer sich die arbeitsrechtlichen Entwicklungen gegenüber den Kirchen als Arbeitgeber darstellen werden: Die Kirchen und kirchennahen Institutionen müssen umdenken, meint Alexander Zumkeller – Präsident des Bundesverbandes der Arbeitsrechtler in Unternehmen in seinem Beitrag für HAUFE Online.
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