Das Thema
Die Bedeutung des elektronischen Rechtsverkehrs im Arbeitsrecht steigt. Durch geplante Gesetzesänderungen sollen Arbeitgeber in Zukunft vermehrt in einigen Fällen anstelle der strengen Schriftform auf die Übermittlung von Erklärungen in Textform (z.B. E-Mail) zurückgreifen können. Die vielerorts positiv zur Kenntnis genommene Erklärung des Bundesjustizministers Marco Buschmann vom 21. März 2024 zum „Durchbruch beim Nachweisgesetz“ verspricht etwa dass „der Nachweis über die wesentlichen Vertragsbedingungen in Textform ermöglicht werden [soll], sofern das Dokument für den Arbeitnehmer zugänglich ist, gespeichert und ausgedruckt werden kann und der Arbeitgeber einen Übermittlungs- oder Empfangsnachweis erhält“.
Der vorliegende Beitrag gibt einen Überblick über aktuelle Rechtsprechung zu Fragen der Zustellung von E‑Mails (“Übermittlungs- oder Empfangsnachweis”) und gibt Hinweise für die Umsetzung nach aktuellem Stand in der arbeitsrechtlichen Praxis. Gleichzeitig ergeben sich daraus Hinweise an den Gesetzgeber im Rahmen der avisierten Neuregelungen.
Ausgangslage
Im deutschen Arbeitsrecht nimmt die Bedeutung der Digitalisierung und des elektronischen Rechtsverkehrs weiter zu. Etliche Schriftformerfordernisse „passen nicht ins digitale Zeitalter“ und sollen in diesem Rahmen durch die Textform (z.B. E-Mail) ersetzt werden.
So sieht zum Beispiel der (noch aktuelle) Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums vom 11. Januar 2024 zum Bürokratieentlastungsgesetz weitreichende Änderungen arbeitsrechtlicher Schriftformerfordernisse vor. Im Rahmen der geplanten Änderungen nach diesem Entwurf des Nachweisgesetzes soll die strenge Schriftform durch die Textform gem. § 126b BGB ersetzt werden. Weiterhin sollen zukünftig u.a. Elternzeit- und Elternteilzeitanträge, sowie Ablehnungen der beantragten Elternteilzeit durch den Arbeitgeber in Textform möglich sein. Trotz des digitalen Zeitalters betreffen die geplanten Gesetzesänderungen nur einige Schriftformerfordernisse. So setzen zum Beispiel Kündigungen, befristete Arbeitsverträge und Aufhebungsverträge weiterhin die strenge Schriftform (d.h. eine eigenhändige Namensunterschrift) voraus.
In der arbeitsrechtlichen Praxis ist die E-Mail in der Regel die häufigste und praktikabelste Art der Textform. Durch die geplanten Änderungen könnten Arbeitgeber in Zukunft vermehrt auf eine elektronische Unterschrift und Übermittlung per E-Mail zurückgreifen. Gerade aufgrund der voraussichtlich auch weiterhin bestehenden Bußgeldvorschriften des Nachweisgesetzes (§ 4 NachwG) und der Fiktion der Zustimmung im Falle eines nicht rechtzeitig abgelehnten Elternteilzeitantrags (§ 15 Abs. 7 BEEG) ist es für Arbeitgeber in Zukunft notwendig, rechtssicher die Erfüllung ihrer Verpflichtungen nachweisen zu können.
Dies umfasst in der Praxis vor allem die Frage, wann E-Mails im Verhältnis Arbeitgeber zu Arbeitnehmer rechtssicher als zugestellt gelten.
Grundlagen: E-Mail als Textform im Sinne des Gesetzes
Die Textform im Sinne des § 126b BGB setzt voraus, dass eine lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist, auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben wird. Ein dauerhafter Datenträger ist jedes Medium, das es dem Empfänger ermöglicht, eine auf dem Datenträger befindliche, an ihn persönlich gerichtete Erklärung so aufzubewahren oder zu speichern, dass sie ihm während eines für ihren Zweck angemessenen Zeitraums zugänglich ist, und geeignet ist, die Erklärung unverändert wiederzugeben. Diesen sperrig formulierten Anforderungen genügt eine Erklärung per E‑Mail.
Neben der formgerechten Abgabe muss die E-Mail jedoch auch wirksam dem Empfänger zugehen. Für E-Mails als Willenserklärungen gegenüber Abwesenden richtet sich der Zugang nach § 130 BGB. Hiernach liegt der Zugang dann vor, wenn die Willenserklärung derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass dieser nach allgemeinen Umständen von ihr Kenntnis erlangen kann (vgl. LAG Köln Urt. v. 11.1.2022 – 4 Sa 315/21).
Im Bereich der elektronischen Kommunikation können sich hierbei Schwierigkeiten ergeben: Gilt die E‑Mail bereits bei Eingang auf den Mailserver des Empfängers als wirksam zugegangen oder muss der Empfänger die E-Mail tatsächlich öffnen? Wann gilt ein der E-Mail beigefügter Anhang als wirksam zugegangen? Wer trägt das Risiko eines technischen Fehlers oder der Zugangsverhinderung durch eine Firewall? Das jedenfalls das reine Absenden einer E-Mail keinen Anscheinsbeweis für den Zugang der E-Mail begründet, entscheid zuletzt ausdrücklich das OLG Rostock (Urteil vom 3. April 2024 – 7 U 2/24).
Elektronischer Geschäftsverkehr im B2B-Bereich
Der BGH hat mit Urteil vom 6. Oktober 2022 (VII ZR 895/21) entschieden, dass im elektronischen geschäftlichen Verkehr eine E-Mail dann grundsätzlich als zugegangen gilt, wenn sie innerhalb der üblichen Geschäftszeiten auf dem Mailserver des Empfängers abrufbereit zur Verfügung steht. Auf den tatsächlichen Abruf oder die Kenntnisnahme soll es hierbei nicht ankommen.
Offen gelassen hat der BGH in seiner Entscheidung, ob diese Grundsätze nur im Hinblick auf den E‑Mail-Text oder auch den Anhang einer E-Mail gelten. Das OLG Hamm hat zuvor hierzu entschieden (Beschl. v. 9.3.2022 – 4 W 119/20), dass der Zugang erst erfolge, wenn der Anhang tatsächlich geöffnet wird. Aufgrund des allgemeinen Virenrisikos kann es dem E-Mail-Empfänger nicht zugemutet werden, E‑Mail‑Anhänge unbekannter Absender zu öffnen. Dies leuchtet ein.
Und die E-Mail Korrespondenz im Arbeitsrecht?
Beide Entscheidungen betreffen allerdings den elektronischen Geschäftsverkehr im B2B-Bereich. Auf das Verhältnis Arbeitgeber zu Arbeitnehmer lassen sich die Grundsätze über den Zugang von E‑Mails nicht eins zu eins zu übertragen. Bei der Übermittlung einer E-Mail an die private E-Mail-Adresse eines Arbeitnehmers bestehen keine „üblichen Geschäftszeiten“ innerhalb derer auf einen Zugang abgestellt werden kann.
Im Zusammenhang mit Onlinepostfächern, die Arbeitgeber zur betrieblichen Kommunikation einrichten, kann ebenfalls nicht auf „übliche Geschäftszeiten“ abgestellt werden, sondern es kann lediglich mit einer Einsichtnahme während der Arbeitszeiten des Arbeitnehmers gerechnet werden.
Im Verhältnis Arbeitgeber zu Arbeitnehmer hat das LAG Hamm mit Urteil vom 23. September 2021 (2 Sa 179/21) zudem entschieden, dass – sofern der Arbeitnehmer keine dienstliche E-Mail-Adresse besitzt – ein Zugang elektronisch übermittelter Erklärungen nur dann bewirkt werden kann, wenn der Arbeitnehmer dieser Form der Übermittlung an eine private E-Mail-Adresse ausdrücklich oder konkludent zugestimmt hat.
Risiken, dass eine E-Mail aufgrund technischer Fehler oder aufgrund eines Zugangsverhinderung durch eine Firewall, nicht wirksam in den Speicher des Empfängers gelangen, bestehen im Verhältnis Arbeitgeber zu Arbeitnehmer jedoch ebenfalls. Auch im arbeitsrechtlichen Kontext trifft den Absender einer E-Mail gemäß § 130 BGB die volle Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die E-Mail dem Empfänger zugegangen ist (vgl. LAG Köln Urt. v. 11.1.2022 – 4 Sa 315/21).
Warum eine einfache Lese- oder Empfangsbestätigung problematisch ist
In diesem Rahmen hat das LAG Köln auch entschieden, dass eine fehlende Unzustellbar-Benachrichtigung keinen Anscheinsbeweis für den Zugang einer E-Mail darstellt. Das Risiko, dass eine E-Mail aufgrund eines technischen Fehlers nicht zugestellt werden kann, könne nicht dem Empfänger aufgebürdet werden, sondern vielmehr dem Absender, der sich für diesen Übermittlungsweg entschieden habe. Arbeitgeber müssten daher im Bestreitensfalle den Zugang auf andere Art und Weise beweisen. In Betracht kommt insoweit die Anforderung einer Lesebestätigung oder einer Empfangsbestätigung.
Ob und wann eine Lebebestätigung oder eine Empfangsbestätigung zurückgesendet wird, liegt jedoch im Ermessen des Empfängers. Und da liegt das praktische Problem: Ohne Empfangsbestätigung ist es für Arbeitgeber daher unter den Voraussetzungen der aktuellen Rechtsprechung schwierig zu beweisen, dass und wann eine E-Mail dem Arbeitnehmer zugegangen ist. Dies gilt insbesondere bei der Übermittlung einer E-Mail an die private E-Mail-Adresse eines Arbeitnehmers und im Falle der Übermittlung eines E-Mail-Anhangs.
Fazit: Noch bietet die Übermittlung per E-Mail keine Gewähr
Die geplanten Änderungen arbeitsrechtlicher Schriftformerfordernisse sollen Bürokratie im Arbeitsrecht abbauen – gut so. Arbeitgeber können somit in Zukunft vermehrt auf die Übermittlung per E-Mail zurückgreifen und zum Beispiel ihre Nachweispflichten aus dem Nachweisgesetz durch Übermittlung per E-Mail nachkommen. Der Nachweis des Zugangs der Erklärungen per E-Mail obliegt jedoch in diesem Fall dem Arbeitgeber als Absender. Und hier liegt die Herausforderung – auch für die avisierten Änderungen durch BM Buschmann.
Angesichts zahlreicher noch offener Rechtsfragen bietet die Übermittlung per E-Mail allein wenig Gewähr dafür, dass Arbeitgeber den Zugang der E-Mail im Bestreitensfall beweisen können. Dies gilt insbesondere bei Erklärungen, die als E-Mail-Anhang versendet werden. Es ist insoweit dringend Arbeitgebern zu raten auf einen Übermittlungs- und Empfangsnachweis des Empfängers zu bestehen. Ob ein solcher Empfangsnachweis jedoch abgegeben wird, liegt im Ermessen des Empfängers.
Gerade bei fristgebundenen Willenserklärungen sollten es Arbeitgeber – Stand jetzt – daher nach wie vor in Erwägung ziehen, die Erklärung dem Arbeitnehmer vorsorglich auch per Schreiben durch Übermittlung mittels Boten zukommen zu lassen. Das hat noch nichts mit einer vollständigen Digitalisierung zu tun.