Das Thema
Cannabis wird in Deutschland nicht erst seit dem 1. April 2024 konsumiert. Arbeitsschutz im Zusammenhang auch mit diesem Rauschmittelkonsum ist also nichts per se Neues. Die Legalisierung des Cannabiskonsums durch das zum 1. April 2024 in Kraft getretene Cannabisgesetz (CanG) bringt dieses Thema aber in das Bewusstsein der Arbeitgeber und Cannabis künftig wohl auch häufiger in den Betrieb.
Arbeitgeber müssen sich deshalb auch aus dem Blickwinkel des Arbeitsschutzes mit der Legalisierung von Cannabis beschäftigen. Denn dem Arbeitgeber zur Kenntnis kommender Cannabiskonsum in zeitlicher Nähe zur Aufnahme der Tätigkeit, während dieser oder in den Pausen bringt die Vermutung einer Gefährdung mit sich und zwingt den Arbeitgeber zum Handeln: Beschäftigungsverbote werden auszusprechen sein!
Neuregelungen durch das CanG im Bereich Arbeitsschutz
Das CanG enthält in Bezug auf den Arbeitsschutz lediglich zwei Vorschriften: Durch Artikel 9 wird das Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG) dahingehend ergänzt, dass auch Personen, die nach dem Konsumcannabisgesetz (KCanG) oder dem Medizinal-Cannabisgesetz (MedCanG) verurteilt worden sind, Jugendliche nicht beschäftigen und ausbilden dürfen.
Artikel 10 sieht eine Änderung der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) dahingehend vor, dass der Nichtraucherschutz nicht mehr nur in Bezug auf Tabak gilt, sondern auch in Bezug auf Rauche und Dämpfe von Cannabisprodukten – und ebenfalls neu: E-Zigaretten.
Regeln der DGUV im Arbeitsschutz reichen bis zum Beschäftigungsverbot
Rauschmittel sind auch bisher beim Arbeitsschutz bedacht worden. Die wesentlichen arbeitsschutzrechtlichen Regelungen enthalten die seitens der Unfallversicherungsträger erlassene DGUV Vorschrift 1 (Grundsätze der Prävention) und die DGUV Regel 100-001.
Laut § 7 Abs. 2 DGUV Vorschrift 1 dürfen Arbeitgeber Arbeitnehmer nicht mit einer Tätigkeit betrauen, die erkennbar nicht in der Lage sind, die Arbeit ohne Gefahr für sich und andere auszuführen (Stichwort „Befähigung für Tätigkeiten“). Die DGUV Regel 100-001 gibt eine Vorgehensweise bei nicht vorhandener Befähigung im Sinne der vorgenannten Vorschrift § 7 DGUV Vorschrift 1 vor: Liegen konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass ein Arbeitnehmer nicht in der Lage ist, die ihm zugewiesenen Tätigkeit zu erbringen, ohne sich selbst oder andere zu gefährden, besteht ein Beschäftigungsverbot für diese Tätigkeiten.
Einer der beispielhaft genannten Gründe für die fehlende Befähigung ist der Konsum von Drogen oder anderer berauschender Mittel. Es sind aber „konkrete Anhaltspunkte“ dafür erforderlich, dass der Arbeitnehmer nicht in der Lage ist, die Arbeit gefahrlos auszuführen.
Ein besonders strenger Maßstab ist bei sicherheitsrelevanten Tätigkeiten anzulegen, die sich aus der Eigenart des Betriebes und der ausgeübten Tätigkeit ergeben können, wie z.B. das Führen von Fahrzeugen oder Maschinen.
Regeln der DGUV statuieren eigene Verhaltenspflicht für Arbeitnehmer
Neben der Arbeitgeberpflicht statuiert § 15 Absatz 2 DGUV Vorschrift 1 auch eine eigene Verhaltenspflicht für die Arbeitnehmer. Diese dürfen sich nicht durch den Konsum von Alkohol, Drogen oder anderen berauschenden Mitteln in einen Zustand versetzen, durch den sie sich selbst oder andere gefährden. Die DGUV Regel 100-001 lässt hier wenig Raum für Zweifel: „Der Konsum von Alkohol lässt, wie der Konsum von Drogen oder anderen berauschenden Mitteln, in der Regel eine Gefährdung vermuten“.
Ein Verstoß des Arbeitnehmers gegen § 15 Abs. 2 DGUV Vorschrift 1 stellt eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einer Geldbuße von bis zu EUR 10.000 geahndet werden kann ( § 32 DGUV Vorschrift 1 i.V.m. § 209 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII).
Problem für Arbeitgeber: Erkennbarkeit der Ausfallerscheinungen
Arbeitgeber sehen sich vor dem Problem, dass die durch Cannabiskonsum bedingten Ausfallerscheinungen mitunter nur schwer von außen erkennbar sind und häufig die Wirkzeit nicht nur den akuten Rauschzustand umfasst, sondern auch darüber hinaus andauern kann. Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen nennt hier bspw. verminderte Reaktion und Merkfähigkeit, verschwommenes Sehen, Blutdruckabfall, Schwindel und Orientierungslosigkeit.
All diese Ausfallerscheinungen haben gemein, dass sie einen ganz erheblichen Einfluss auf die Fähigkeit von Arbeitnehmern haben können, Maschinen oder Fahrzeuge zu bedienen.
Fehlende Befähigung, § 7 Abs. 2 DGUV Vorschrift 1
Die Handlungsempfehlung der DGUV Regel 100-001 hilft bei der Frage der Beantwortung nach der fehlenden Befähigung nur bedingt: Die Beurteilung der aktuellen Befähigung des Versicherten könne z.B. durch arbeitsmedizinische Untersuchungen (bspw. durch den Betriebsarzt) ermöglicht werden. Allerdings sind körperliche und klinische Untersuchungen von Arbeitnehmern aufgrund der verfassungsrechtlich garantierten Achtung und des Schutzes der Würde und der Freiheit des Menschen sowie seines Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit nur mit Einwilligung der betroffenen Person zulässig
Auch vor diesem Hintergrund geht die DGUV Regel 100-001 davon aus, dass bereits die auf Verhaltensbeobachtungen oder Hinweise gestützte subjektive Einschätzung des Vorgesetzten für das Aussprechen eines Beschäftigungsverbots ausreiche.
Kommt der Arbeitgeber also bei dieser subjektiven Beobachtung zur Schlussfolgerung, dass die Befähigung fehlt, ist ein Beschäftigungsverbot auszusprechen. Dieses erfordert nicht zwingend, dass der Arbeitnehmer auch den Betrieb verlassen muss, sondern ist tätigkeitsbezogen. Andere Tätigkeiten, bei denen die entsprechenden Ausfallerscheinungen die Befähigung nicht beeinträchtigen, sind unverändert möglich – wobei schwer vorstellbar ist, welche Tätigkeiten hiernach übrig bleiben könnten. Ob im Fall, dass keine alternativen Tätigkeiten vom Arbeitnehmer erledigt werden können, ein Annahmeverzugslohnanspruch entsteht, ist bislang nicht entschieden. Es spricht jedoch viel dafür, dass Arbeitnehmer, die unter arbeitsschutzrechtlichen Gesichtspunkten nicht eingesetzt werden dürfen, ihre Arbeitsleistung nicht ordnungsgemäß anbieten, sodass kein verzugsbegründender Tatbestand vorliegt. Der Arbeitgeber sollte – so unsere Empfehlung – das Entgelt entsprechend kürzen.
Gefährdungen begründender Zustand, § 15 Abs. 2 DGUV Vorschrift 1
Nicht nur für den Arbeitnehmer, sondern auch für den Arbeitgeber bietet aber die Vermutung, die die DGUV Regel 100-001 in Ziff. 3.1.2 aufstellt, eine wichtige Hilfestellung. Nach dieser oben dargestellten Regel lässt allein der Konsum von Alkohol, Drogen oder anderen berauschenden Mitteln „in der Regel eine Gefährdung“ i.S.v. § 15 Abs. 2 DGUV Vorschrift 1 erkennen, ohne dass es hierbei auf die Art der Tätigkeit ankommt.
Die DGUV Regel 100-001 hält zudem fest, dass auch ein Konsum im privaten, zeitlich der Arbeit vorgelagerten Bereich, genüge, um eine Gefährdung zu begründen – und ein solcher auch die Befähigung nach § 7 DGUV Vorschrift 1 beeinträchtigen kann.
Sollte der Arbeitgeber also Kenntnis davon erhalten, dass der Arbeitnehmer im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Tätigkeit Cannabis konsumiert, liegt ein Beschäftigungsverbot nahe.
Fazit: Arbeitgeber werden zum Handeln gezwungen sein
Ein zu erwartender erhöhter Cannabiskonsum in Deutschland wird eine ebenfalls erhöhte Aufmerksamkeit der Arbeitgeber für diese Droge fordern. Dem Arbeitgeber zur Kenntnis kommender Konsum in zeitlicher Nähe zur Aufnahme der Tätigkeit, während dieser oder in den Pausen bringt die Vermutung einer Gefährdung mit sich und zwingt den Arbeitgeber zum Handeln. Beschäftigungsverbote werden auszusprechen sein.
Im Übrigen wird der Arbeitgeber auf Ausfallerscheinungen achten müssen – nichts Neues, vor allem in Bezug auf Alkoholkonsum, mit der Schwierigkeit, dass alkoholbedingte Ausfallerscheinungen mitunter leichter zu entdecken sein dürften als jene durch Cannabiskonsum.