Arbeitsvertrag – Form oder Inhalt?
Die Gestaltung von Arbeitsverträgen wird vornehmlich von der AGB-Kontrolle und dem Nachweisgesetz getrieben. Neuverträge werden ausgegeben oder – häufiger – neue Vertragsmuster für Neuanstellungen verwendet, wenn sich die Rechtsprechung ändert oder der Gesetzgeber die Anforderungen verschärft oder verändert.
Oft genug wird dabei die Rechtsklarheit vernachlässigt: Bezugnahmeklauseln werden ohne echte Notwendigkeit aus alten Mustern übernommen, Tätigkeitsbeschreibungen unter Verweis auf „Stellenbeschreibungen“ ausgespart. Beides zeigt, dass die Verwendung von komplizierten Rechtstexten nicht immer für die gewünschte Klarheit und Rechtssicherheit sorgt, jedenfalls dann nicht, wenn sie nicht gezielt und bewusst hierfür entworfen wurden.
Wer dabei aber gänzlich vergessen wird ist der „Anwender“: Der Arbeitnehmer erhält einen Text nebst Anlagen und Datenschutzhinweisen präsentiert, ohne zu wissen, was ihn wirklich erwartet, erst recht, ohne im Text wertvolle Hinweise auf die spätere Tätigkeit zu finden oder gar einen Vorgeschmack der spannenden Projektaufgabe. Jede halbwegs professionelle Spieleanleitung für ein Brettspiel klärt (sämtliche) denkbaren Regeln und generiert Vorfreude – und ist damit besser als die meisten Arbeitsverträge. Dass das in einer klaren Sprache geschieht, ist dabei ebenso selbstverständlich wie ein Verweis auf ein YouTube-Erklärvideo.
Der Arbeitsvertrag ist – oder war es jedenfalls – komplett analog. Aus der Zeit gefallen. Schriftform, AGB-konform und oft auch: unverständlich. Nur, um es auszusprechen: Der Arbeitsvertrag und das Arbeitsverhältnis benötigen weder Form noch Schrift. Sie gelten allein aufgrund persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit oder zumindest konkludenten Handelns.
Aus der Zeit gefallen
Aktuelle politische Diskussionen lassen zwar anderes den Wunsch nach Digitalisierung erkennen, wenn aktuell etwa der „komplett digitale Arbeitsvertrag“ angepriesen wird (obwohl sich die Modernisierung auf die Anpassung vorheriger gesetzgeberischer Fehlleistungen beschränkt). Das ändert aber nichts – worauf Wahlig/Stiebert in ihrem Blogbeitrag vom 26.03.2024 zu Recht hinweisen – an den verbleibenden Gründen für eine „echte“ Schriftform von Arbeitsvertrag und erst recht Kündigung – nur „wet ink“ steht für Überlegtheit, so wohl die perpetuierte Überlegung des deutschen Gesetzgebers. Deshalb muss ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot oder auch eine Befristung stets in Schriftform vereinbart werden – im Zweifel also doch gleich der ganze Arbeitsvertrag. Das erweitert die Schriftform faktisch auf jeden Arbeitsvertrag, der mit Renteneintritt enden soll.
Diesen vom Gesetzgeber getriebenen Vertragsgestaltungsprinzipien steht – meist vernachlässigt – das Bedürfnis gegenüber, vertragliche Rechte, Aufgaben und Pflichten klar und verständlich zu regeln.
Die Gestaltung von Arbeitsverträgen stellt einen Arbeitgeber vor besondere Herausforderungen. Ein Arbeitsvertrag sollte modern, ansprechend und einfach gestaltet sein, damit das Erfassen des Inhalts für den (potentiellen) Vertragspartner attraktiv und einfach ist. Gleichzeitig setzen das Gesetz und die Rechtsprechung hohe Anforderungen an die Ausgestaltung der im Arbeitsvertrag anzugebenden Vertragsbedingungen.
Ein Spannungsverhältnis, das manch Unternehmen zunehmend durch moderne Wege zu lösen versucht: Wenn der Nachweis ohnehin separat erfolgen muss, kann der Vertrag auch freier, klarer und verständlicher sein.
“Der visuelle Arbeitsvertrag” – Konzept und Zielsetzung
Zunehmend ist die Vertragsgestaltung vom Wunsch nach Vereinfachung, Verständlichkeit und Verbindlichkeit getrieben: Der Arbeitgeber will geltende Regen und Pflichten vereinbaren als Gegenleistung der Vergütung und des Kündigungsschutzes.
Dabei wird das Gute mit dem Nützlichen verbunden. Wenn schon kein Text den Anforderungen genügt, die Formularhandbücher oder Juristen propagieren: Warum dann nicht gleich zeichnen? Auch anderswo geht der Trend von der Sprache zum Bild, seien es Emojis, seien es aber auch Arbeitsverträge. Dass Verständlichkeit und Verbindlichkeit dabei über das „Du“ hinausgehen, das in manchen Einrichtungshäusern zum ungefragten Standard geworden ist, bedarf keiner Erwähnung. Auch hier mag eine Orientierung an Bedienungsanleitungen, Behördensprache oder Spielregeln Orientierung bieten, die der Vertragsgestaltung teilweise abhandenkam.
Herausforderung einer rechtssicheren Ausgestaltung
Die weit verbreitete veraltete Gestaltung der meisten Arbeitsverträge ist auf eine lange Entwicklung zurückzuführen, welche insgesamt der Eindeutigkeit und Rechtssicherheit dienen soll. Dabei ist jedoch die Verständlichkeit und Attraktivität auf der Strecke geblieben. Der Versuch einer moderneren Gestaltung eines Arbeitsvertrages darf jedoch nicht zulasten der Rechtssicherheit gehen. Dieser Spagat stellt bei einer modernen Gestaltung in Form eines visuellen Arbeitsvertrags die größte Herausforderung dar.
Der Arbeitsvertrag als synallagmatischer Vertrag gem. § 611a BGB unterliegt dem Prinzip der Vertragsfreiheit. § 105 GewO stellt insoweit klar, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer den Abschluss, den Inhalt und die Form des Arbeitsvertrags frei vereinbaren können, soweit nicht zwingende gesetzliche Vorschriften, Bestimmungen eines anwendbaren Tarifvertrages oder einer Betriebsvereinbarung entgegenstehen.
Formerfordernis
Für den Abschluss eines Arbeitsvertrages besteht zwar grundsätzlich kein Schriftformerfordernis gem. § 126 BGB, sodass ein solcher also auch mündlich oder konkludent geschlossen werden kann. Ausnahmsweise kann sich ein Formerfordernis jedoch aus Gesetz, Tarifvertrag oder dem Arbeitsvertrag selbst ergeben.
Dabei ist zwischen konstitutivem und deklaratorischem Formerfordernis zu unterscheiden. Bei der Ausgestaltung von visuellen Arbeitsverträgen sind insbesondere folgende gesetzliche deklaratorische Formerfordernisse zu beachten:
- § 11 BBiG für den Ausbildungsvertrag
- § 11 Abs. 1 AÜG für den Leiharbeitsvertrag
- § 2 Abs. 1 NachwG zum Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen eines Arbeitsverhältnisses
- § 2 Abs. 1a NachwG zum Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen einer Praktikantentätigkeit
Zwar führt ein Verstoß gegen ein bloß deklaratorisches Formerfordernis nicht zur Nichtigkeit gem. § 125 BGB. Es können sich hieraus jedoch insbesondere Schadensersatzansprüche und Geldbußen ergeben. So hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer unter Einhaltung des Nachweisgesetzes die wesentlichen Vertragsbedingungen spätestens einen Monat nach Vertragsschluss derzeit noch schriftlich, künftig auch in Textform auszuhändigen, sofern zuvor kein schriftlicher Arbeitsvertrag geschlossen wurde. Dies könnte auch in Form einer separaten Übersicht der wesentlichen Vertragsbedingungen erfolgen.
Zudem gilt gem. § 14 Abs. 4 TzBfG für einen befristeten Arbeitsvertrag die Schriftform nur hinsichtlich der Befristungsabrede selbst, nicht jedoch für den ganzen Arbeitsvertrag.
AGB-Recht
Die Schriftform trägt auch dem Umstand Rechnung, dass Arbeitsverträge der AGB-Kontrolle unterliegen und die Voraussetzungen der AGB-Rechtsprechung zu beachten sind. Gem. § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB sind bei der Anwendung der §§ 305 ff. BGB auf Arbeitsverträge die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen und die § 305 Abs. 2 und Abs. 3 BGB nicht anzuwenden.
Der visuelle Arbeitsvertrag hat insbesondere den Anforderungen des § 307 Abs. 1 BGB standzuhalten. Er muss klar und verständlich sein und darf den potentiellen Arbeitnehmer als Verwender nicht entgegen dem Gebot von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.
Das Transparenzgebot verpflichtet den Arbeitgeber als Verwender der AGB im Arbeitsvertrag dazu, die Rechte und Pflichten eines durchschnittlichen und aufmerksamen Vertragspartners so klar und durchschaubar wie möglich und nötig verständlich zu machen.
Die visuelle Darstellung muss daher trotz verkürzter inhaltlicher Ausgestaltung entsprechende Rechte und Pflichten des potentiellen Arbeitnehmers klar und transparent abbilden. Dieser darf nicht zum Vertragsschluss bewegt werden, weil ihm Informationen fehlen.
Insbesondere darf man bei visuellen Arbeitsverträgen nicht der Versuchung aufsitzen, das visuell gestaltete Dokument durch entsprechend großzügige Verweisungen zu entschlacken.
Auf der anderen Seite darf das Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 BGB auch nicht überspannt und der Verwender dadurch überfordert werden. Es kann insbesondere nicht verlangt werden, in den AGB alle denkbaren Konstellationen zu erfassen.
Fazit und Praxishinweis
Die visuelle Darstellung der Vertragsbedingungen stellt durchaus ein denkbares Modell zur Vereinfachung des verbreiteten förmlichen Arbeitsvertrags dar. Dabei besteht die Herausforderung, die Darstellung auf das Wesentliche zu reduzieren, ohne dabei das Notwendige wegzulassen.
„Der visuelle Arbeitsvertrag“ bietet zugleich die Chance, einen zeitgemäßen, modernen und leicht verständlichen Vertrag zu schaffen. Dabei ist auf Klarheit und Transparenz zu achten. Zudem sollte der auszugestaltende Inhalt des Vertrags, insbesondere auch die Aufnahme von Ausschlussklauseln, stets individuell geprüft werden.