Das Thema
Viele Unternehmen vergessen (oder besser gesagt: verdrängen), dass dem Mitarbeiter für den Zeitraum der nachvertraglichen Beschränkungen eine Karenzentschädigung in Höhe von mindestens 50 Prozent der zuletzt bezogenen Vergütung gezahlt werden muss. Die Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots kann daher teuer werden. Unternehmen erhalten die Quittung oft erst zum Ende des Arbeitsverhältnisses. Zu diesem Zeitpunkt erkennen sie regelmäßig, dass die Vereinbarung des Verbots weder unternehmerisch noch finanziell sinnvoll war. Vor den Instanzgerichten, aber auch beim BAG, sind Fragestellungen rund um das nachvertragliche Wettbewerbsverbot deshalb ein beliebtes Streitthema.
Welche allgemeinen Anforderungen sind beim nachvertraglichen Wettbewerbsverbot zu beachten?
Bei der Vereinbarung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots muss auf die Einhaltung der formellen und materiellen Wirksamkeitsvoraussetzungen geachtet werden.
- Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot muss schriftlich vereinbart und dem Mitarbeiter im Original ausgehändigt werden.
- Durch ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot wird die berufliche (Fort-)Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt. Auch deshalb ist es auf maximal zwei Jahre zu begrenzen.
- In der Praxis oft vernachlässigt wird, dass Arbeitgeber ein „berechtigtes geschäftliches Interesse“ am Wettbewerbsverbot haben müssen. Ein solches besteht immer dann, wenn das Wettbewerbsverbot dem Schutz von Betriebsgeheimnissen dient, den Einbruch in bestehende Kunden- oder Lieferbeziehungen verhindern soll und in sachlicher, örtlicher und zeitlicher Hinsicht angemessen ist.
- Für die Geltungsdauer des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots schuldet der Arbeitgeber außerdem eine Karenzentschädigung, die mindestens 50 Prozent der zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen ausmachen muss. Bei der Berechnung der exakten Höhe werden neben dem Fixgehalt auch Tantieme, Boni, Gratifikationen und ähnliche Zusatzleistungen berücksichtigt.
- Immer wieder problematisch ist, ob das nachvertragliche Wettbewerbsverbot auch der Billigkeit entspricht, insbesondere den Mitarbeiter unter Beachtung der gewährten Karenzentschädigung nicht unangemessen in seinem beruflichen Fortkommen hindert.
Ob die Voraussetzungen vorliegen, ist eine Frage des jeweiligen Einzelfalls. Fehlerhafte Wettbewerbsverbote können je nach Art des Mangels nichtig oder unverbindlich sein. Ist das Verbot nichtig (z.B. bei vollständig fehlender Karenzvereinbarung), so existiert die Wettbewerbsbeschränkung de facto nicht. Ist sie hingegen unverbindlich (z.B. bei zu niedrig angesetzter Karenzvereinbarung), kann der Mitarbeiter zwischen bezahlter (niedriger) Karenz oder uneingeschränkter Wettbewerbstätigkeit wählen.
Bei welchen Mitarbeitern ist die Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots sinnvoll?
Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot sollte grundsätzlich nur mit Schlüsselfiguren vereinbart werden.
Ob der Mitarbeiter eine solche Schlüsselrolle im Unternehmen hat, wird regelmäßig mit dem Abschluss des Arbeitsvertrags entschieden. Arbeitgeber wagen einen Blick in die Zukunft und versuchen zu prognostizieren, wie wichtig der Mitarbeiter im Unternehmen sein wird. Je wichtiger die Person und je stärker seine Rolle als unternehmerische Schlüsselfigur, desto eher wird die Vereinbarung eines über die Vertragsbeendigung hinaus geltenden Wettbewerbsverbots Sinn ergeben. Verfügen neue Mitarbeiter über besonderes Know-how, oder haben sie wegen der jeweiligen Tätigkeit Zugang zu wichtigen Unternehmensinformationen, welche nach Tätigkeitsende besser nicht direkt in die Hände der Konkurrenz gelangen sollen, ist die Entscheidung meist schnell getroffen.
Doch was passiert eigentlich, wenn sich im Laufe der Jahre abzeichnet, dass diese Prognose fehlerhaft war? Wie kann ein Unternehmen reagieren, wenn der Mitarbeiter doch keine Schlüsselrolle besetzt hat?
Welche Lösungsmöglichkeiten gibt es?
War die ursprüngliche Prognose falsch, so gibt es für Arbeitgeber im Wesentlichen zwei Alternativen, um das nachvertragliche Wettbewerbsverbot zu beseitigen: den Abschluss eines Aufhebungsvertrags oder die Verzichtserklärung nach § 75a HGB.
Aufhebungsvertrag
Ein zwischen den Parteien vereinbartes nachvertragliches Wettbewerbsverbot kann jederzeit – das heißt während oder nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses – aufgehoben werden.
Besondere Vorsicht ist bei der Formulierung einer solchen Aufhebungsvereinbarung walten zu lassen. Zum Schutz des Arbeitnehmers werden seitens der Gerichte strenge Anforderungen an die Eindeutigkeit des Aufhebungswillens gestellt. Eine konkludente Aufhebung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots dürfte in der Praxis regelmäßig ausscheiden. Arbeitgebern ist deshalb nicht nur aus Beweisgründen zu raten, die Aufhebungsvereinbarung schriftlich (oder zumindest in Textform) zu vereinbaren.
Erforderlich ist aber wie bei jeder anderen Vereinbarung auch, dass sich die Parteien einigen können. Möchte der Mitarbeiter, aus welchen Gründen auch immer, am nachvertraglichen Wettbewerbsverbot festhalten, so scheidet der Abschluss einer Aufhebungsvereinbarung aus.
Verzichtserklärung nach § 75a HGB
In der Praxis wesentlich häufiger anzutreffen ist deshalb die Verzichtserklärung des Arbeitgebers nach § 75a HGB.
Diese erfolgt einseitig und ist nicht von einer Einigung der Parteien abhängig. Nach § 75a HGB kann der Arbeitgeber durch eine schriftliche Erklärung auf das nachvertragliche Wettbewerbsverbot mit der Wirkung verzichten, dass er mit Ablauf eines Jahres seit der Erklärung von der Verpflichtung zur Zahlung der Karenzentschädigung frei wird.
Dazu im Einzelnen:
- Die Erklärung kann nur vor Beendigung des zugrundeliegenden Vertragsverhältnisses rechtswirksam abgegeben werden. Nach Beendigung des Vertragsverhältnisses ist die Verzichtserklärung ausgeschlossen. Der letztmögliche Zeitpunkt für den Zugang der Verzichtserklärung ist damit der letzte Arbeitstag des Mitarbeiters.
- Die Verzichtserklärung ist außerdem schriftlich, d.h. mittels eigenhändiger handschriftlicher Namensunterschrift, zu erklären. Alternativ dazu kann auch die elektronische Form, also die Namenserklärung samt qualifiziert (!) elektronischer Signatur, genutzt werden. Die einfache digitale Signatur reicht nicht aus.
- Die Verzichtserklärung muss inhaltlich klar und bestimmt sein. Der Begriff „Verzicht“ muss dabei nicht fallen. Arbeitgeber sollten im Erklärungsschreiben aber deutlich zu erkennen zu geben, dass der Arbeitnehmer mit sofortiger Wirkung frei von jedweden nachvertraglichen Wettbewerbsbeschränkungen ist. Ratsam ist, sich beim Erstellen einer Erklärung am Gesetzeswortlaut des § 75a HGB zu orientieren. Die Praxis zeigt, dass sich bei der Formulierung häufig folgenschwere Fehler einschleichen, die mittels einer Orientierung am Wortlaut hätten verhindert werden können.
- Trotz des eindeutigen Gesetzestextes ist es ein weitverbreiteter Irrtum, dass Arbeitgeber direkt mit dem Zugang der Verzichtserklärung frei von der Verpflichtung zur Zahlung einer Karenzentschädigung werden. Dem ist aber nicht so. Rechtsfolge der wirksamen Verzichtserklärung ist vielmehr, dass (nur!) der Arbeitnehmer mit dem Zugang der Erklärung von seinen nachvertraglichen Wettbewerbsbeschränkungen befreit wird, der Arbeitgeber aber noch ein Jahr lang (oder je nach vereinbarter Dauer des Wettbewerbsverbots auch kürzer) zur Zahlung der Karenzentschädigung verpflichtet ist.
Fazit und Handlungsempfehlungen
Ist das nachvertragliche Wettbewerbsverbot erst einmal vereinbart, so kann man sich hiervon nur schwer lösen. Oft hängt es wie ein „Klotz am Bein“ der Arbeitgeber.
Aufhebungsvertrag und Verzichtserklärung nach § 75a HGB stellen regelmäßig die einzigen Mittel dar, um die Wettbewerbsbeschränkungen nachträglich zu beseitigen. Nur bei weitergehenden Sachverhaltsumständen, wie (gravierenden) Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers, bestehen zusätzliche Beseitigungsmöglichkeiten. Angesichts der teils immensen finanziellen Belastungen sollte daher wohl überlegt sein, in welchem Vertrag eine nachvertragliche Wettbewerbsklausel sinnvoll ist und in welchem nicht. Es besteht die reale Gefahr der Übersicherung des Arbeitgebers, die in keinerlei Verhältnis zu den potenziellen Kosten steht.
Für die unternehmerische Praxis lassen sich daraus folgende Schlussfolgerungen ziehen:
- Begrenze Beseitigungsmöglichkeiten
Die Beseitigungsmöglichkeiten eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots sind begrenzt. Stimmt der Mitarbeiter einem Aufhebungsvertrag nicht zu, verbleibt dem Arbeitgeber oft nur die einseitige Verzichtserklärung, die den Arbeitnehmer sofort von seinen Verpflichtungen freispricht. Arbeitgeber sind hingegen regelmäßig noch 12 weitere Monate (oder je nach vereinbarter Dauer des Wettbewerbsverbots auch kürzer) an die Pflicht zur Zahlung einer Karenzentschädigung gebunden. - Vorausschauende Vertragsgestaltung
Unternehmen sollten in jedem Einzelfall mit Bedacht entscheiden, bei welchen Mitarbeitern ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot Sinn macht und bei welchen nicht. Entscheidet man sich für die Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots, so ist auf die formellen und materiellen Wirksamkeitsvoraussetzungen zu achten. Ein mit Fehlern belastetes nachvertragliches Wettbewerbsverbot ist sein Geld nämlich ganz sicher nicht wert. - Regelmäßige Überprüfung aller Mitarbeiter mit nachvertraglichem Wettbewerbsverbot
Um ein böses Erwachen zum Ende des Arbeitsverhältnisses zu vermeiden, ist es ratsam, in regelmäßigen Abständen die Verträge von Mitarbeitern mit nachvertraglichem Wettbewerbsverbot zu überprüfen. So kann immer wieder neu verifiziert werden, ob das nachvertragliche Wettbewerbsverbot noch sinnvoll ist. - Befristung des Arbeitsverhältnisses auf das Erreichen der Regelaltersgrenze
Praxisrelevant sind immer auch wieder Fälle, in denen das Arbeitsverhältnis auf den Eintritt in das Rentenalter befristet ist. Auch in solchen Fällen sollte kritisch hinterfragt werden, ob das nachvertragliche Wettbewerbsverbote Sinn macht oder ob nicht besser der einseitige Verzicht erklärt werden sollte. Automatisch erlischt es bei Erreichen der Regelaltersgrenze nämlich nicht. - Schnelles Handeln
Stellt sich Rahmen einer Überprüfung oder aus anderen Gründen heraus, dass die Rolle des Arbeitnehmers dauerhaft – und anders als zu Beginn gedacht – doch keine Schlüsselrolle ist, sollte zügig über den einseitigen Verzicht nachgedacht werden. Gerade bei Mitarbeitern mit langer Kündigungsfrist kann sich der einseitige Verzicht finanziell besonders rentieren. Die Rechtsfolgen der Verzichtserklärung müssen bei der Entscheidung aber stets berücksichtigt werden. So können unnötige Karenzzahlungen vermieden und bares Geld gespart werden.
(Anm. d. Red.: Vgl. zum Thema auch die #EFAR-Beiträge „Nachvertragliches Wettbewerbsverbot: Keine Berücksichtigung von Restricted Stock Units der Muttergesellschaft bei der Berechnung der Karenzentschädigung“ und „Nachvertragliches Wettbewerbsverbot für Organmitglieder: (Jetzt) Ein Ding der Unmöglichkeit?“)