Das Thema
Gem. § 108 Abs. 1 Satz 1 GewO hat der Arbeitgeber bei Zahlung des Arbeitsentgelts eine Abrechnung zu erteilen. Diese bedarf der Textform. Um der Textform nach § 126b BGB zu genügen, ist zu gewährleisten, dass der Arbeitgeber nach der Erteilung der Abrechnung nicht nachträglich noch Änderungen an seiner Erklärung vornehmen kann. Das System muss also so aufgebaut sein, dass ein Zugriff des Arbeitgebers auf diese geschützten Bereiche nicht möglich ist.
Die erforderlichen Inhalte der Entgeltabrechnung ergeben sich aus der gem. § 108 Abs. 3 Satz 1 GewO erlassenen Entgeltbescheinigungsvorordnung (EBV). Mitarbeitende sollen auf diesem Wege in die Lage versetzt werden, die Berechnung des ausgezahlten Arbeitsentgelts nachzuvollziehen. Dafür bedarf es eines Zugangs entsprechend § 130 BGB, d.h. die Entgeltabrechnung muss so in dem Machtbereich der jeweiligen Mitarbeitenden gelangen, dass nach gewöhnlichen Umständen mit einer Kenntnisnahme zu rechnen ist.
Nutzung von Onlineportalen
Zunehmend nutzen Arbeitgeber cloudbasierte Personalwirtschaftssysteme mit Onlineportalen. Bei diesen erhalten Mitarbeitende Zugangsdaten, über die sie in dem System bestimmte Handlungen vornehmen können, wie Anträge stellen etc., über die aber ebenfalls die im System generierte Entgeltabrechnung zum Download zur Verfügung gestellt wird.
Während der Arbeitgeber bei an ihn gerichteten Erklärungen (Urlaubsanträgen etc.) im Rahmen seiner Organisation ein solches Onlineportal als Zugangseinrichtung bereitstellen kann, gilt dies nicht ohne Weiteres für die umgekehrte Richtung eines Zugangs bei den Mitarbeitenden. Der persönliche Bereich eines solchen Systems stellt nur und erst dann einen Bereich der Mitarbeitenden als Empfänger für Erklärungen im Sinne eines rechtlich relevanten Zugangs dar, wenn eine entsprechende Widmung durch die einzelnen individuellen Mitarbeitenden gegeben ist. Nur in diesem Falle löst die bloße Zurverfügungstellung der Entgeltabrechnung in dem Onlineportal einen Zugang aus.
Keine Erfüllung ohne Zustimmung der Mitarbeitenden
Das LAG Niedersachsen (Urt. v. 16.01.2024 – 9 Sa 575/23).) hat auf dieser Grundlage darauf erkannt, dass der Anspruch auf eine Entgeltabrechnung gegenüber den jeweiligen Mitarbeitenden nicht erfüllt wird, wenn der Arbeitgeber Abrechnungen in einem Onlineportal zum Download für Mitarbeitende bereitstellt, die nicht jeweils individuell diesem Wege einer Übermittlung zugestimmt haben.
Für Arbeitgeber bedeutet dies administrativen Aufwand. Auch wenn eine solche Zustimmung an keine besondere Form gebunden ist, bedarf sie im Streitfalle der Möglichkeit eines Nachweises. Anders als etwa bei einer datenschutzrechtlichen Einwilligung könnte eine solche Zustimmung auch bereits im Arbeitsvertrag erteilt werden.
Zustimmungsersetzende Regelungen in Betriebsvereinbarungen?
Ist ein Betriebsrat zuständig, stellt sich die Frage, ob eine individuelle Zustimmung der jeweiligen Mitarbeitenden durch Regelungen in einer Betriebsvereinbarung ersetzt werden kann. Das LAG Niedersachsen hat diese Möglichkeit ausdrücklich abgelehnt. Es hat seine Auffassung darauf gestützt, dass kein Mitbestimmungsrecht bei einer solchen Zustimmung bestehe, insbesondere § 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG allein die Modalitäten der Auszahlung des Arbeitsentgelts, nicht jedoch der Entgeltabrechnung betreffe.
Diese Argumentation ist durchaus angreifbar, da das BAG in der Vergangenheit die Begründung von Pflichten der Mitarbeitenden durch Betriebsvereinbarungen – dies auch unter Eingriff in (Formular-) Arbeitsverträge – auch außerhalb der zwingenden Mitbestimmung, etwa im Rahmen einer Altersgrenze in einer Betriebsvereinbarung zugelassen hat (BAG, Urt. v. 05.03.2013 – 1 AZR 417/12).
Die Revision gegen das Urteil des LAG Niedersachsen ist derzeit beim BAG anhängig, sodass das Ergebnis mit Spannung abzuwarten ist. Da in Betrieben mit Betriebsrat Personalabrechnungssysteme ohnehin vielfach zugleich nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG der Mitbestimmung des Betriebsrates unterliegen und diesbezügliche Betriebsvereinbarungen geschlossen werden, könnte sich ggf. – falls das BAG dem LAG Niedersachsen nicht folgt – durch solche Regelungen das Erfordernis der Einholung individueller Zustimmungen überwinden lassen.
Fazit und Praxistipp
Da arbeitgeberseitig zur Verfügung gestellte Mitarbeitenden-Portale keine Zugangseinrichtungen der einzelnen Mitarbeitenden darstellen, bedarf es der Widmung für eine solche Zweckbestimmung, d.h. einer der Mitarbeitenden-Zustimmung zu diesem Zugangsweg. Ohne diese ist nach der Entscheidung des LAG Niedersachsen keine Erfüllung der Pflicht zur Entgeltabrechnung anzunehmen. Dies ist im Rahmen einer HR-Compliance einzubeziehen.
Über die Entgeltabrechnung hinaus sollten Arbeitgeber genau bedenken, welche Erklärungen sie über derartige Portale zu Verfügung stellen, um rechtliche Nachteile zu vermeiden. Es empfiehlt sich ein klar definierter Prozess, für den sodann eine Zustimmung einzuholen ist.
Sollte das BAG – anders als das LAG – eine entsprechende Regelung in einer Betriebsvereinbarung zulassen, wäre eine administrative Erleichterung eröffnet.