Sexuelle Dienste vereinbart
Was schreibt man eigentlich in ein Arbeitszeugnis, wenn es sich bei der erbrachten Leistung um sexuelle Handlungen handelt? Mit dieser Frage muss sich ein Bochumer Unternehmer nach einer Entscheidung des LAG Hamm (Urteil vom 6.6.2019 – 17 Sa 46/19) auseinandersetzen. Er hatte in einem schriftlichen Vertrag mit einer 35 Jahre alten Frau zwar offiziell vereinbart, dass sie Arbeiten im Haushalt erbringen muss. Tatsächlich sollte sie aber sexuelle Dienste leisten. Und nun muss er ihre Leistung und ihr Verhalten bewerten.
Eine frühere Mitarbeiterin hatte dem Unternehmer erzählt, dass ihre Freundin einen „Sugar Daddy“ suche, also einen Mann, der sie finanziell unterstützt und dem sie dafür Geschlechtsverkehr anbietet.
Bei einem Treffen mit besagter Freundin im Juni 2017 wurde nach den Angaben des Mannes vereinbart, dass die Frau ihn künftig zweimal wöchentlich zu Hause zu einvernehmlichem Sex aufsuchen soll – eine Behauptung, die sie in der gerichtlichen Auseinandersetzung abstritt. Ebenso wie die Behauptung des Mannes, dass es noch am Abend des ersten Treffens zu Geschlechtsverkehr gekommen sei, der aber wegen einer Verletzung an ihrem Arm abgebrochen werden musste.
Vertrag und Wahrheit
Zwischen den beiden wurde ein als „Teilzeitarbeitsvertrag für Arbeiter und Angestellte ohne Tarifbindung“ bezeichneter Vertrag geschlossen. Darin war ausgeführt, dass die Frau als Haushaltshilfe für den Unternehmer arbeiten soll. Zu ihren Aufgaben gehörten danach Tätigkeiten wie Putzen, Wäschewaschen, Bügeln, Einkaufen, Kochen und sonstige haushaltsübliche Verrichtungen. Tatsächlich führte aber wohl die Schwester des Mannes den Haushalt.
Mit seiner vermeintlichen Haushaltshilfe hatte er dafür regen Whatsappverkehr. In den ersten Monaten nach dem Treffen schickte die Frau dem Unternehmer zahlreiche erotische Fotos von sich. Am Tag nach dem ersten Treffen sendete sie ein Bild ihrer Armverletzung mit dem Zusatz „Scrmerca“ und schrieb unter anderem „Nexte Mal Ich bin hood“. Der Unternehmer antwortete „Du warst auch gestern gut, ich fand es schön“, was sie mit den Worten „Fur 1mal nich slecht“ kommentierte.
Auch andere Whatsappnachrichten hatten keinen Bezug zu Haushaltstätigkeiten. So schrieb die Frau beispielsweise „Und onse Samstag … wilt du zu hause blieb? Fahren…? Party machen? Koksparty? Andere Frau wir meinem? …Hast du idea??!“. In einer anderen Textnachricht führte Sie aus: „Yes. Morgen we sex machen dan besser is“. Sie schickte ihm auch weitere erotische Fotos mit der Anmerkung „Baby you see my weed?“und schrieb unter anderem „I make give you sex of dream aber das is toya“.
Ein teures Vergnügen
In der Folgezeit ließ der Unternehmer der Frau insgesamt 20.000 Euro zukommen, u.a. um ihr eine Reise, den Bezug einer neuen Wohnung und die Nutzung eines PKWs zu ermöglichen und zahlte auch die in dem Vertrag vereinbarte monatliche Vergütung. Zudem stellte er ihr sein Auto, einen BMW X1, zur Verfügung.
Ende Januar 2018 kündigte der Unternehmer das Dienstverhältnis zum 28. Februar 2018, nach dem Vortrag der Frau, weil sie ihm mitgeteilt hatte, eine sexuelle Beziehung zu ihm abzulehnen. Das Entgelt für Januar und Februar zahlte er nicht. Das forderte sie nun vor Gericht, ebenso wie die Abgeltung von Urlaubsansprüchen, die Erteilung eines Arbeitszeugnisses und eine Lohnabrechnung für Dezember des Vorjahres. Vor dem Arbeitsgericht Bochum (Urteil vom 12.09.2018 – 5 Ca 275/18) hatte sie teilweise Erfolg, ebenso in der Berufungsinstanz.
Den Arbeitsvertrag über hauswirtschaftliche Dienste sah das LAG Hamm als Scheingeschäft an. Die Behauptung der Klägerin, dass es um solche Dienste gegangen sei, konnte das Gericht nicht überzeugen. Vielmehr sei die Absicht erkennbar gewesen, dass eine vertragliche Bindung zur Erbringung sexueller Dienstleistungen gewollt sei.
Keine Leistungspflicht – keine Vergütungspflicht
Zur Begründung führte das LAG Hamm unter anderem an, dass sie dem Beklagten „Fotos sendete, die nicht den üblichen Bewerbungsfotos für ein Arbeitsverhältnis entsprechen“ und in denen sie „ihre Attraktivität als Frau deutlich betonend“ dargestellt hatte. Aus dem Whatsappverkehr der Parteien ergebe sich, „dass Sex ein ständiges Thema war und von dem Beklagten erwartet wurde“.
Sittenwidrig und damit nichtig sei die Vereinbarung nicht. Entgegen der Auffassung des Beklagten ergebe sich die Sittenwidrigkeit nicht daraus, dass die Klägerin während der (vertraglichen) Beziehung der Parteien Leistungen des Jobcenters bezog und dort die erhaltene Vergütung nicht angab. Und auch aus der vereinbarten Tätigkeit als solcher könne der Vorwurf nicht abgeleitet werden.
Das bedeute allerdings nicht, dass wirksam eine einklagbare Leistungspflicht zur Vornahme sexueller Handlungen statuiert werden kann. Es bestehe aber ein Anspruch auf Vergütung, wenn sexuelle Handlungen vorgenommen werden oder „sich die Person im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses zur Erbringung derartiger Handlungen für eine bestimmte Dauer bereithält“. Genau das hatte die Klägerin aber nach ihrem eigenen Vortrag im Februar nicht gemacht Und deshalb muss der Beklagte für diese Zeit auch keine Vergütung zahlen, so das LAG Hamm.
Zwei Verlierer
Obwohl die Klägerin danach keine Leistungspflicht hatte, handelte es sich nach Ansicht des Gerichts trotzdem um ein Arbeitsverhältnis. Entscheidend sei insofern, „dass die Parteien ihr Vertragsverhältnis als Arbeitsverhältnis bezeichnet und nur eine“ von den vertraglichen Regelungen „abweichende Leistung der Klägerin vereinbart haben“. Deshalb konnte die Klägerin nach Meinung des LAG Hamm auch Urlaubsabgeltung verlangen, ebenso wie die von ihr für Dezember 2017 verlangte Entgeltabrechnung und die Erteilung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses.
Aus Sicht des Beklagten nicht gerade ein ideales Ergebnis. Verloren haben aber letztlich beide Parteien. Die Klägerin nicht nur, weil ihr das Gericht nicht alle geltend gemachten Ansprüche zugestanden hat. Wenn sie tatsächlich Leistungen des Jobcenters bezogen hat, ohne die erheblichen Einnahmen anzugeben, erwartet sie recht viel Ärger. Und der Beklagte muss nicht nur zahlen und ein bisschen Bürokratie erledigen, sondern steht auch vor der Herausforderung, ein qualifiziertes Zeugnis zu verfassen.
Zumindest muss er darin nicht direkt eine Note angeben, wie das in der Schule üblich ist, also schreiben, ob er Leistung und Verhalten mit der Note 1 (sehr gut), 2 (gut), 3 (befriedigend), 4 (ausreichend) oder 5 (mangelhaft) bewertet. Das enthebt schon einmal von der Frage, ob befriedigend in diesem Fall nicht eigentlich gut oder vielleicht sogar sehr gut wäre.
Künftige Arbeitgeber müssen sich ein klares Bild machen können
Allerdings folgen auch Arbeitszeugnisse üblicherweise einem solchen Notenschema. Die Noten werden jedoch mit besonderen Formulierungen beschrieben. Und mit dieser sogenannten Zeugnissprache lassen sich Leistung und Verhalten jeder Tätigkeit sachgerecht bewerten – auch sexuelle Dienstleistungen. So kann in dem Zeugnis zum Beispiel zu der Befähigung der Klägerin ausgeführt werden, dass sie „Belastbarkeit und Flexibilität bewies“, zu ihrer Arbeitsweise, dass sie ihre Aufgaben „effizient, sorgfältig und selbständig“ ausgeführt hat und zu ihrem Arbeitserfolg, dass sie „gute Arbeitsergebnisse lieferte und die vereinbarten Ziele erreicht“ hat. Und bei solchen Beschreibungen der Leistungen käme der Arbeitgeber dann zu der Zusammenfassung: „Ihre Leistungen fanden meine volle Zufriedenheit“.
Interessant wird die Verhaltensbeurteilung – jedenfalls wenn sich darin neben der Beurteilung ihres Verhaltens zu ihrem Chef auch Ausführungen zu ihrem Verhalten gegenüber Kunden und Kollegen finden sollten. Und eine besondere Herausforderung ist die Tätigkeitsbeschreibung.
Nach der Rechtsprechung des BAG müssen die Tätigkeiten des Arbeitnehmers so vollständig und genau beschrieben werden, dass sich künftige Arbeitgeber ein klares Bild machen können. Unwesentliches darf zwar verschwiegen werden, nicht aber Aufgaben und Tätigkeiten, die ein Urteil über die Kenntnisse und die Leistungsfähigkeit des Beschäftigten erlauben. Die Darstellung muss also recht konkret sein. Und damit muss hier das Arbeitszeugnis wohl mit dem Hinweis versehen werden: Frei ab 18 Jahren!
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