Ein Koffer, ein Kabel und Dürüpüllü
Ein in einem Bergwerk beschäftigter Arbeitnehmer hatte während der Nachtschicht in der Maschinenhalle einen Koffer gefunden, aus dem ein kleines buntes Kabel herausragte und an dem ein Wasserabsperrhahn sowie ein Flüssigkeitsmanometer montiert waren. Wer das Gepäckstück so präpariert und dort abgestellt hatte, ist nicht bekannt. Da der Beschäftigte „aufgrund einer vorangegangenen Reparatur an seinem Motorrad noch einige Utensilien in seiner Jacke bei sich führte“, heißt es im Tatbestand der Entscheidung des ArbG Herne (Urt. v. 11.10.2016 – 2 Ca/269/16), kam er „auf die Idee, den Koffer noch etwas zu ‚verfeinern‘“.
Er schrieb die Worte „Alah“, „Sehtalli“, „Koran“ und „Dürüpüllü auf das Gepäckstück. Im Inneren befestigte er mit Klebeband zwei Milchschnitten. Die „sollten eine kleine Belohnung für denjenigen sein, der den Mut aufbringen würde, den Koffer zu öffnen“. Die Zahlenkombination des Koffers war so eingestellt, dass man ihn aufmachen konnte. Zusätzlich hatte der Arbeitnehmer die Zahlenkombination auf die Schlossbeschläge geschrieben.
Der Mann ließ das so präparierte Gepäckstück zunächst in der Maschinenhalle. Nachdem Bilder des Koffers im Internet verbreitet wurden, stellte er es gegenüber der Halle zwischen die Müllcontainer.
Betrieb wird evakuiert
Einen Tag später wurde der Koffer gefunden. Der Reviersteiger und ein Abteilungsleiter riefen deshalb bei dem Arbeitnehmer an, der sich zu diesem Zeitpunkt auf dem Nachhauseweg befand. Der Mann erklärte, „dass es sich um einen ‚Spaßkoffer‘ handle, den man gefahrlos aufmachen könne“. Gegenüber Kollegen hatte er zuvor noch bestritten, dass der Koffer von ihm stammt. Der Mitarbeiter bot an, zur Arbeitsstelle zurückzukommen. Das wurde abgelehnt.
Das Unternehmen informierte derweil die Polizei, die eine Sprengstoffeinheit hinzuzog. Das Gebäude wurde abgesperrt und geräumt, da man einen terroristischen Anschlag fürchtete. Vor dem Hintergrund, dass, wie das Unternehmen später vor Gericht ausführte, „aktuell Attentate von radikalen Gruppierungen im Fokus der öffentlichen Wahrnehmung und Berichterstattung stehen und gerade zurzeit auch verstärkt Attentate auf Zivilisten verübt werden“ eine durchaus nachvollziehbare Befürchtung.
Allein in Deutschland starben nach Angaben des Bundesamts für Verfassungsschutz seit 2016 17 Menschen bei islamistischen Terroranschlägen, 100 wurden verletzt, viele davon sehr schwer. Und es trifft, wie das Unternehmen darlegte, auch zu, dass in „einem Bergwerk als sicherheitstechnisch hochsensibler Bereich (…) eine erhöhte Gefahr von terroristischen Anschlägen“ besteht.
War doch nur ein Scherz
Lustig fand das Unternehmen das Verhalten des Beschäftigten daher nicht. Es kündigte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich. Das Unternehmen warf dem Mann vor, dass er in erheblicher Weise gegen seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen verstoßen hat.
Sein Verhalten wiege besonders schwer, weil er zur verantwortlichen Person im Sinne von § 58 Abs. 1 Nr. 2 BBergG bestellt und die Sorge für Sicherheit und Ordnung im Betrieb eine arbeitsvertragliche Hauptleistungspflicht war. Zudem verwies das Unternehmen auf die finanziellen Einbußen, die es aufgrund der Räumung des Betriebs erlitten hatte sowie die durch den Vorfall bedingten psychischen Belastungen anderer Mitarbeiter.
Gegen seine Kündigung erhob der Arbeitnehmer Klage. Er führte an, dass er sich lediglich einen Scherz erlaubt habe. Für „Dritte sei mehr als deutlich gewesen, dass es sich bei dem Koffer keineswegs um eine Kofferbombe handeln konnte, sondern lediglich um einen merkwürdigen Spaßkoffer“. Die Reaktion des Unternehmens nach dem Fund empfand er als übertrieben. Schließlich habe er schon vor Hinzuziehung der Polizei dem Reviersteiger und dem Abteilungsleiter per Telefon alle Informationen zu dem Koffer und dessen Inhalt gegeben.
Schon gar nicht in der heutigen Zeit
Das ArbG Herne konnte er damit nicht überzeugen. Das folgte im Wesentlichen der Argumentation des Arbeitgebers und stellte fest, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche fristlose Kündigung beendet wurde.
Vor dem LAG Hamm prallten die Argumente nochmals aufeinander (Az. 3 Sa 1398/16). Die Berufungskammer und die beiden Anwälte waren sich indes „in einem Punkt völlig einig: Späße dieser Art gehören nicht an den Arbeitsplatz, schon gar nicht in der heutigen Zeit“ (Pressemitteilung des LAG Hamm v. 5.4.2017).
Auf Vorschlag des Gerichts einigten sich die Parteien darauf, dass das Arbeitsverhältnis nicht fristlos, sondern anknüpfend an die Kündigungsfrist einer ordentlichen Kündigung zu einem späteren Zeitpunkt endet. Damit verlor der Mann nach mehr als 32 Jahren Betriebszugehörigkeit seinen Job – und das ohne Abfindung.
Zum Scherzen war ihm danach sicherlich nicht zumute.