Sturz im Treppenhaus
Der Kläger ist Betriebsrat bei einem internationalen Konzern mit Sitz in Stuttgart. Er nahm an einer dreitägigen Betriebsrätekonferenz teil, die in einem Hotel in Bad Kissingen stattfand.
Die Versammlung begann am ersten Tag um 14.00 Uhr und endete zwischen 19.00 Uhr und 19.30 Uhr. Anschließend gab es ein geselliges Zusammensein, bei dem auch Alkohol konsumiert wurde. Gegen 1.00 Uhr nachts stürzte der Betriebsrat im Treppenhaus des Tagungshotels. Dort wurde er später bewusstlos aufgefunden und musste vom Notarzt intubiert werden.
Kurz vor 4.00 Uhr wurde er in die Notaufnahme einer Klinik gebracht. Nach dem Durchgangsbericht des behandelnden Arztes hatte sich der Mann Kopf- und Lungenverletzungen zugezogen. Die Messung des Blutalkohols (BAK) ergab 1,99 Promille.
Widerspruch zurückgewiesen
Als Arbeitsunfall wurde das Geschehnis nicht anerkannt. Dagegen wandte sich der Kläger mit seinem Widerspruch. Er führte an, dass die ermittelte BAK dem Versicherungsschutz nicht entgegenstehe. Nach Berichten seiner Kollegen habe er ohnehin nur dreimal einen Viertelliter Wein getrunken.
Erinnerungen an den Unfall hatte der Betriebsrat nach eigenen Angaben nicht. Auch die Suche nach Zeugen blieb erfolglos. Und so wies die Beklagte den Widerspruch des Betriebsrats zurück.
Dagegen richtete sich seine Klage. Das SG Heilbronn (Urt. v. 28.5.2014 – S 6 U 1404/13) gab ihm Recht. Es gelangte zu der Überzeugung, dass der Mann die Gesundheitsschäden in Folge einer versicherten Tätigkeit erlitten hat. Der Versicherungsschutz entfalle auch nicht aufgrund der ermittelten BAK.
Treppensteigen ist versicherte Tätigkeit
Das Treppensteigen sei der versicherten Tätigkeit zuzurechnen, da sich der Kläger auf einer dienstlich veranlassten mehrtägigen Tagung befand und das Treppensteigen mit dem Beschäftigungsverhältnis wesentlich zusammenhing.
Dass der offizielle Teil der Veranstaltung vor 20.00 Uhr endete, der Unfall sich aber erst um 1.00 Uhr nachts ereignete, stehe dem nicht entgegen. Es sei zu berücksichtigen, dass der Betriebsrat das Tagungshotel nicht verlassen hat. Sein Vortrag, dass im Anschluss an das offizielle Programm auch über dienstliche Aspekte gesprochen wurde, erschien dem Gericht schlüssig. Es führte aus, dass sich bei einem geselligen Zusammensein zwischen Kollegen eine scharfe Grenze zwischen privaten und beruflichen Belangen ohnehin schwer ziehen lässt.
Der Versicherungsschutz sei auch nicht durch den Alkoholkonsum des Klägers entfallen. Die Wegeunfallversicherung schütze zwar nicht gegen Gefahren, die sich erst und allein aus dem Alkoholkonsum ergeben. Ein alkoholbedingter Leistungsabfall des Betriebsratsmitglieds sei aber nicht belegt.
BAK kein ausreichendes Indiz
Das Gericht verwies darauf, dass die Ermittlungen der Beklagten im Rahmen des Widerspruchsverfahrens keinen Anhaltspunkt dafür ergeben haben, dass der Mann alkoholbedingte Ausfallerscheinungen gezeigt habe. Einziges Indiz dafür sei die ermittelte BAK von 1,99 Promille.
Anders als bei Autofahrern existiere bei Fußgängern aber keine feste Promillegrenze, ab der man von einer absoluten Verkehrsuntüchtigkeit ausgehen kann. Es gebe daher keinen Nachweis, dass die Alkoholisierung die andere Wirkursache des Unfalls, nämlich das dem Kläger nicht vertraute Treppenhaus des Tagungshotels, verdrängt.
Das Gericht gab daher der Klage statt. Womit das Betriebsratsmitglied – ganz nüchtern betrachtet – Glück im Unglück hatte.