Blinder wollte weiterarbeiten
Der 1951 geborene Kläger ist blind und mit einem Grad der Behinderung von 100 als schwerbehindert anerkannt. Die Leistungen für eine Assistenzkraft in Höhe von monatlich 1.650 Euro (22 Wochenstunden), die er für seine selbstständige Tätigkeit als Lehrer, Berater und Gewerbetreibender erhielt, erbrachte der beklagte Landeswohlfahrtsverband nur bis zum 30.06.2016, weil der Kläger ab dem 01.07.2016 eine Altersrente beziehe. Den Antrag des weiterhin erwerbstätigen Klägers, die Kosten vom 01.07.2016 bis zum 30.06.2017 weiter zu übernehmen, lehnte er ab. Widerspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Auf die Revision des Klägers hat das BVerwG die Entscheidung des Hessischen VGH (Urt. v. 27.02.2020 – 10 A 1852/18) aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an diesen zurückverwiesen (BVerwG, Urt. v. 12.01.2022 – 5 C 6.20; Pressemitteilung des BVerwG v. 13.01.2022).
BVerwG: Keine Altersgrenze für Arbeitsassistenz
Für den Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine notwendige Arbeitsassistenz als begleitender Hilfe im Arbeitsleben (gemäß § 102 Abs. 4 SGB IX alter Fassung, dem § 185 Abs. 5 SGB IX neuer Fassung entspricht) ist eine Altersgrenze weder ausdrücklich im Gesetz geregelt noch lässt sie sich diesem – entgegen der Auffassung der Vorinstanzen – im Wege der Auslegung entnehmen. Der Anspruch setzt zum einen für eine Einordnung als Hilfe im Arbeitsleben nach Wortlaut, Systematik und Sinn und Zweck der Regelung nur voraus, dass der schwerbehinderte Mensch einer nachhaltig betriebenen Erwerbstätigkeit nachgeht, die geeignet ist, dem Aufbau bzw. der Sicherung einer wirtschaftlichen Lebensgrundlage zu dienen. Zum anderen ist erforderlich, dass tatsächlich Arbeitsassistenzleistungen erbracht werden, die unter Berücksichtigung der konkreten Arbeitsumstände zum Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile notwendig sind. Da der VGH – von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig – zu diesen Voraussetzungen keine ausreichenden Tatsachenfeststellungen getroffen hat, konnte das BVerwG als Revisionsgericht nicht selbst abschließend in der Sache entscheiden, sondern hatte diese an den VGH zurückzuverweisen.