Das Thema
Nach der Rechtsprechung des BAG aus dem Jahr 2011 (Urteil vom 6.4.2011 − 7 AZR 716/09; bestätigt mit Urteil vom 21.9.2011 – 7 AZR 375/10) war das Vorbeschäftigungsverbot bei sachgrundlosen Befristungen gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG zeitlich nicht unbegrenzt. Konkret: Nach Auffassung des BAG stehe ein früheres Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers mit demselben Arbeitgeber einer sachgrundlosen Befristung dann nicht entgegen, wenn das Ende des vorangegangenen Arbeitsverhältnisses mehr als drei Jahre zurückliegt.
Inzwischen hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 6. Juni 2018 – 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14 – die Verfassungsmäßigkeit des Vorbeschäftigungsverbotes bestätigt. Darüber hinaus weist das Bundesverfassungsgericht darauf hin, das – entgegen der Auffassung des BAG – das Vorbeschäftigungsverbot nicht dahingehend ausgelegt werden, dass eine weitere sachgrundlose Befristung zwischen denselben Vertragsparteien zulässig ist, wenn zwischen den Arbeitsverhältnissen ein Zeitraum von mehr als drei Jahren liegt.
Entsprechend stürzte sich die arbeitsrechtliche Blogosphäre auf die Entscheidung aus Karlsruhe, wie etwa der Live-Log des EFAR zeigt. Doch wie ist nun mit dem Vorbeschäftigungsverbot bei sachgrundlosen Befristungen in der betrieblichen Praxis umzugehen? Dazu nachstehend die häufigsten Fragen – und hilfreiche Antworten von Rechtsanwalt Thomas Niklas :
Datenschutz, Umgang mit Altfällen, Controlling und Entfristungsklagen: Die wichtigsten Fragen zum Umgang mit dem Vorbeschäftigungsverbot
Letztlich hat das BVerfG mit seiner Entscheidung lediglich die gesetzliche Lage klargestellt und bekräftigt. Sofern Arbeitgeber dennoch nach der „BAG-Meinung“ gehandelt und Anschlussbefristungen vorgenommen haben: besteht hier eine Art Vertrauensschutz?
Das ist mehr als zweifelhaft. Die Änderung einer gefestigten Rechtsprechung unterliegt lediglich einer Willkürkontrolle. Grundsätzlich kann man nämlich nicht darauf vertrauen, dass die Gerichte an einer bestimmten Rechtsauffassung festhalten. Ein Vertrauenstatbestand kann insbesondere dann nicht gebildet werden, wenn sich die Abweichung von der früheren Rechtsprechung im Rahmen vorhersehbarer Entwicklungen bewegt. Dies wird man vorliegend bejahen müssen. Für die betriebliche Praxis war die zeitliche Begrenzung der Vorbeschäftigung zwar äußerst begrüßenswert. Anhaltspunkte im Gesetz finden sich für diese Einschränkung jedoch nicht, sodass sie nicht zu Unrecht von Beginn an in der juristischen Literatur und vielen Instanzgerichten heftig kritisiert wurde.
Bezieht sich das Vorbeschäftigungsverbot auch auf Praktika und sonstige berufsvorbereitende Beschäftigungsverhältnisse?
Nein. Denn schon nach dem eindeutigen Wortlaut des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG muss es sich bei der Vorbeschäftigung um ein Arbeitsverhältnis gehandelt haben. Dies ist bei Praktika und sonstigen berufsvorbereitenden Beschäftigungsverhältnissen aber zumeist nicht der Fall. Das Bundesverfassungsgericht geht sogar noch einen Schritt weiter und hat ausgeführt, dass das Vorbeschäftigungsverbot bei verfassungskonformer Auslegung auch dann unzumutbar sein könne, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lang zurückliege, ganz anders geartet oder von sehr kurzer Dauer gewesen sei. So liege es etwa bei geringfügigen Nebenbeschäftigungen während der Schul- und Studien- oder Familienzeit, bei Werkstudierenden und studentischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Rahmen ihrer Berufsqualifizierung oder bei einer erzwungenen oder freiwilligen Unterbrechung der Erwerbsbiographie, die mit einer beruflichen Neuorientierung oder einer Aus- und Weiterbildung einhergehe. Solche Ausnahmen von dem Vorbeschäftigungsverbot sollte man mit Blick auf das drohende Risiko eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses allerdings mit Vorsicht genießen und in jedem Einzelfall prüfen. Wurde etwa ein Schulabsolvent zunächst – etwa aus Kostengründen – als „Praktikant“ beschäftigt, während es sich in Wahrheit um ein gewöhnliches Arbeitsverhältnis handelte („Scheinpraktikum“), kommt regelmäßig auch das Vorbeschäftigungsverbot zur Anwendung.
Bezogen auf das Controlling von Vorbeschäftigungen: Müssen Arbeitgeber nun Daten von Arbeitnehmern, die sachgrundlos beschäftigt waren, „endlos“ aufbewahren?
Ja, unbedingt, zumindest so lange, wie eine (erneute) Beschäftigung des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin theoretisch noch möglich ist. Denn nur so haben Arbeitgeber die Möglichkeit, das Vorliegen einer Vorbeschäftigung zu prüfen und Ansprüche von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aufgrund eines vermeintlichen Verstoßes gegen das Vorbeschäftigungsverbot abzuwehren. Dies ist nach der DS-GVO auch gerechtfertigt (vgl. Art. 17 Abs. 3 lit. b) und e) DS-GVO). Danach unterliegen personenbezogene Daten dann nicht einer Löschfrist, wenn deren Aufbewahrung der Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung und zur Verteidigung von Rechtsansprüchen dient. Allerdings bedeutet dies nicht, dass man die gesamte Personalakte „lebenslang“ aufbewahren darf, sondern nur die Daten, die für die vorgenannten Zwecke erforderlich sind, also im Zweifel nur die Verträge.
Alternativ wird Unternehmen geraten, die Frage nach einer Vorbeschäftigung im Personalfragebogen, eventuell sogar schon im Bewerbungsgespräch zu stellen und die Antwort zu dokumentieren. Was halten Sie von diesem Vorgehen?
Dies ist als „doppelte Absicherung“ in der Tat zu empfehlen. Die Frage nach einer Vorbeschäftigung schon im Bewerbungsgespräch ist mit Blick auf die gesetzliche Regelung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG auch als zulässig anzusehen. Verneint der Arbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmerin eine Vorbeschäftigung, kann man dies auch noch im Arbeitsvertrag festhalten. Dies ändert jedoch nichts daran, dass man auch die Verträge aus der Vergangenheit aufbewahren sollte.
Welchen Rat geben Sie Arbeitgebern, die sich nun der Gefahr von Entfristungsklagen ausgesetzt sehen? Welche Möglichkeiten bestehen – rein rechtlich – sachgrundlos befristete Arbeitsverhältnisses, welche durch die Entscheidung des BVerfG angegriffen sind, umzustellen? Wie sollen sich Unternehmen verhalten, wenn die Arbeitnehmer eine Umstellung auf einen unbefristeten Vertrag ablehnen – gilt dann ein zwingendes Beschäftigungsverbot mit allen Folgen?
Ist die sachgrundlose Befristung aufgrund eines Verstoßes gegen das Vorbeschäftigungsverbot unwirksam, gilt das Arbeitsverhältnis gemäß § 16 Satz 1 TzBfG als auf unbestimmte Zeit geschlossen. Will der Arbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmerin die Rechtsunwirksamkeit der Befristung geltend machen, so muss er dies jedoch gemäß § 17 TzBfG innerhalb von drei Wochen nach Ende des befristeten Arbeitsverhältnisses durch Erhebung einer Entfristungsklage beim Arbeitsgericht tun. Als Arbeitgeber sollte man daher stets abwarten, ob der Arbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmerin überhaupt gegen die unwirksame sachgrundlose Befristung vorgeht.
Macht der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin die Unwirksamkeit fristgemäß geltend, sollte zunächst geprüft werden, ob die Befristung tatsächlich sachgrundlos erfolgt ist oder zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ein Sachgrund vorlag, auf den man sich stützen könnte. Dies setzt natürlich voraus, dass die Befristung nicht ausdrücklich als sachgrundlos gekennzeichnet wurde. Liegt (erst) zum Zeitpunkt der Geltendmachung ein Sachgrund vor, können die Arbeitsvertragsparteien den Arbeitsvertrag auch im Nachhinein befristen, ohne dass es auf das Vorbeschäftigungsverbot ankäme. Insoweit ist aber zu beachten, dass eine entsprechende Initiative des Arbeitgebers nicht selten „schlafende Hunde weckt“ und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erst zur gerichtlichen Prüfung der bisherigen Befristung veranlasst. Alternativ hierzu können nachträgliche Befristungen zwar auch einseitig durch Änderungskündigung erfolgen, sofern entsprechende Gründe hierfür vorliegen. In der Praxis sind solche Änderungskündigungen bei Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes aber regelmäßig nur sehr schwer durchsetzbar.
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