Das Thema
Mit Beschluss vom 29. April 2015 (7 ABR 102/12) hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) für Erstaunen und Aufsehen in vielen Unternehmen geführt – sowohl bei Geschäftsführung und HR einerseits als auch den Betriebsratsgremien andererseits. Das BAG hatte es als nicht grundsätzlich unzulässig bewertet, dass sich ein (besonders großes) Betriebsratsgremium einer Vielzahl von „Kommunikationsbeauftragten“ zur Erfüllung seiner Pflichten bediente. Diese (rund 600!) Kommunikationsbeauftragten sollten in einem Betrieb mit mehr als 22.000 Arbeitnehmern das 45köpfige Betriebsratsgremium beim Informations- und Meinungsaustausch unterstützen. Da der Arbeitgeber dort freiwillig seine Bereitschaft zur Zahlung von rund 30.000 Arbeitsstunden der Kommunikationsbeauftragten pro Jahr erklärt hatte, blieb die Frage nach der (finanziellen) Erforderlichkeit ungestellt.
Die darauf aufbauende Diskussion, in der – wie so oft – eine Einzelentscheidung verallgemeinert wurde, bietet Anlass genug, um die Rechte, Pflichten und Stellung von Hilfspersonen des Betriebsrats insgesamt näher zu beleuchten.
Weitere für Hilfspersonen
Das Beispiel der Kommunikationsbeauftragten ist sicher außergewöhnlich. Weitaus häufiger in der Praxis sind andere Beispiele der Hilfspersonen des Betriebsrats anzutreffen: Am häufigsten in der betrieblichen Praxis ist wohl die (ggf. nur zeitweise) Unterstützung des Betriebsrats durch eine Schreibkraft. Aber auch die Hinzuziehung von Boten, Kopierhilfen u.ä. Nur in großen Unternehmen oder in Konzernstrukturen werden den Betriebsratsgremien darüber hinaus bspw. auch eigene angestellte Juristen (Arbeitsrechtsspezialisten) zur Seite gestellt.
Mögliche Aufgabenfelder
Bei den vorgenannten, üblichen, Hilfspersonen ist die unterstützende Funktion offenkundig. Das Betriebsratsgremium hält nach wie vor alle Entscheidungen in der Hand und kommuniziert ausschließlich selbst mit den (potentiellen) Wählern in der Belegschaft. Das ist seit langem schon von den Gerichten – und der Praxis – akzeptiert.
Die nun vom BAG behandelten Kommunikationsbeauftragten haben eine andere Qualität – sie informieren die Belegschaft als Beauftragte des Gremiums, sind also Informationsmultiplikatoren. Zugleich sollen sie Meinungsströme (und Informationen) von der „Basis“ aufnehmen und an den Betriebsrat weiterleiten.
Damit rücken sie zum einen in die Nähe eines Betriebsratsmitglieds und könnten faktisch zu Erweiterung des Gremiums führen. Zudem können Sie eine Hürde zwischen Belegschaft und Betriebsrat aufbauen, die – wegen des beiderseitigen Informationszugangs und -vorsprungs auch zum Machtfaktor bei Betriebsratswahlen und der Arbeit konkurrierender Betriebsratsfraktionen werden können. Das BAG beschreibt daher sehr deutlich die Grenze solcher Hilfspersonen – sie müssen stets auf die Unterstützungsfunktion für den Betriebsrat beschränkt bleiben. Sobald sie anstelle des Betriebsrats Aufgaben wahrnehmen oder die direkte Kommunikation zwischen Betriebsrat und Belegschaft beeinträchtigen, werden sie illegitim. Hier ist das BetrVG deutlich, dass die Übertragung von Betriebsratsaufgaben ausschließlich auf Mitglieder, Ausschüsse und Arbeitsgruppen des Betriebsrats gestattet – nicht aber auf Dritte.
Aufgabe von Hilfspersonen kann also jede denkbare Unterstützung des Betriebsrats sein – aber eben nur eine unterstützende (d.h. weisungsgebundene) Handlung, die die betriebsverfassungsrechtliche Struktur nach dem BetrVG nicht verändert.
Wahl und Weisungsberechtigter der Hilfspersonen
Die Hilfspersonen sind stets Unterstützer für das gesamte Betriebsratsgremium. Sie werden vom gesamten Betriebsratsgremium ausgewählt und bestimmt und sind dem gesamten Gremium gegenüber zu Loyalität verpflichtet. In dem Betriebsratsgremium als Kollegialorgan hat jedes gewählte Mitglied per se dieselben Rechte und Pflichten. Sobald durch Mehrheitsbeschluss eine Entscheidung gefällt ist und eine entsprechende Weisung gegenüber der Hilfsperson erteilt ist, muss die Hilfsperson dieser Folge leisten.
Naturgemäß liegt hier die Befürchtung nahe, dass eine Mehrheitsfraktion ihre Mehrheit missbraucht und die Hilfspersonen faktisch zu eigenen Wahlkämpfern ummünzt. Daher könnte ja auch die Wahl von Hilfspersonen nach den Grundsätzen der Verhältniswahl denkbar sein. Dem hat das BAG zu Recht jedoch eine klare Absage erteilt: Das BetrVG sieht nur in wenigen Fällen ausnahmsweise einen Minderheitenschutz vor; in allen anderen Fällen schreibt es den Mehrheitsbeschluss vor. Eine analoge Anwendung der Vorschriften zum Minderheitenschutz ist damit schon systematisch ausgeschlossen.
Die Befürchtung eines Machtmissbrauchs durch das Mehrheitsgremium rechtfertigt weder eine Abweichung von der Norm (Mehrheitsentscheid), noch gar das Recht einzelner Fraktionen oder Mitglieder, sich jeweils durch eigene Beauftragte (bei der politischen Auseinandersetzung mit anderen Fraktionen oder Mitgliedern) unterstützen zu lassen. Wenn alle die Regeln des BetrVG beachten, bedarf es solcher Maßnahmen nicht. Der Mehrheitsentscheid ist schließlich wesenskennzeichnend für die Demokratie. Ein Missbrauch, d.h. der Einsatz der Mehrheit zu illegitimen Zwecken, wäre ein Fall für § 23 BetrVG – den Ausschluss notfalls der gesamten Mehrheitsfraktion. Es gilt also auch hier ein Grundprinzip unserer freien Gesellschaft – der Missbrauch wird nicht durch repressive Maßnahmen verhindert, sondern sanktioniert.
Kann der Arbeitgeber die Hilfspersonen auswählen?
Sofern der Betriebsrat Hilfspersonen sucht, hat er nicht das Recht dazu, Mitarbeiter durch eigene Weisung zu solchen Hilfspersonen zu machen. Sofern es um die Unterstützung des Betriebsrats in der eigenen Freizeit geht, hat jeder Mitarbeiter – natürlich – das Recht, solche Unterstützungshandlungen (auch grundlos) zu verweigern.
Geht es aber um vom Arbeitgeber finanzierte Hilfsleistungen, steht dem Arbeitgeber das Auswahlrecht zu. Bei der Unterstützung des Betriebsrats durch Schreibkräfte ist dies seit langem schon herrschende Meinung. Der Arbeitgeber entscheidet, wer in seiner vergüteten Arbeitszeit Schreib- oder sonstige Tätigkeiten (Botendienst etc.) zu erbringen hat. Der Betriebsrat hat aber das Recht aus berechtigtem Interesse einzelne Personen abzulehnen (Ehefrau des Chefs usw.). Da auch die Kommunikationsbeauftragten ausschließlich „dienende“ und gerade keine programmatische Aufgaben haben, ist nicht ersichtlich, warum dies bei den Kommunikationsbeauftragten anders gehandhabt werden sollte. Wenn diese die Vergütung ihrer Tätigkeit erwarten, dann kann der Arbeitgeber Personen aussuchen, die das Anforderungsprofil für den vom Betriebsrat angestrebten Zweck erfüllen.
Auf einem anderen Blatt steht freilich, ob es für den Arbeitgeber taktisch klug ist, selbst Kommunikationsbeauftragte für den Betriebsrat auszuwählen. Da ist das Risiko schon groß, dass dem Arbeitgeber schwere, auch strafrechtlich relevante, Vorwürfe gemacht werden, wenn ein von ihm ausgesuchter Kommunikationsbeauftragter einmal das Falsche kommuniziert.
Die Rechte und Pflichten der Hilfspersonen
Die Hilfspersonen des Betriebsrats dürfen – wie auch Betriebsratsmitglieder selbst – nicht wegen dieser Tätigkeit bevorzugt oder benachteiligt werden. Dem Arbeitgeber gegenüber haben die Hilfspersonen die Verpflichtung, über Betriebsratsinterna zu schweigen.
Sie haben jederzeit das Recht, die Unterstützung des Betriebsrats einzustellen. Nur dann, wenn der Arbeitgeber sie dem Betriebsrat zur Seite stellt, besteht eine Leistungspflicht. Anders als Betriebsratsmitglieder genießen Hilfspersonen nicht das Privileg des § 37 BetrVG, sie können sich also nicht – auch nicht nach ordnungsgemäßer Ermessensausübung – einfach vom Arbeitsplatz entfernen, um die Hilfstätigkeit für den Betriebsrat zu übernehmen. Sie benötigen das Placet des Arbeitgebers zum Verlassen des Arbeitsplatzes.
Ihre Loyalität gehört, s.o., dem gesamten Betriebsratsgremium; vom Gremium erhalten sie Weisungen. Das bedeutet insbesondere, dass sie keinerlei Weisungen einzelner Betriebsratsmitglieder – auch nicht der/des Vorsitzenden – zu befolgen haben, wenn diese nicht durch einen Betriebsratsbeschluss gedeckt ist.
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