Russisch in der Türkei
„Man spricht deutsh“ (sic!) ist eine Filmkomödie mit dem Kabarettisten Gerhard Polt, der von dem Urlaub einer bayerischen Familie in einem fiktiven ausländischen Urlaubsort handelt. In der Realität sollte man sich besser nicht darauf verlassen, dass während einer Urlaubsreise stets Deutsch gesprochen wird. Das zeigen Entscheidungen des LG Frankfurt am Main (Urt. v. 20.5.2008 – 2-24 S 258/07) und des AG Bremen (Urt. v. 13.12.2017 – 19 C 141/17).
In dem vom LG Frankfurt am Main entschiedenen Fall hatte sich der Kläger darüber beschwert, dass bei der Kinderbetreuung im sogenannten „Miniclub“ des türkischen Hotels nicht deutsch gesprochen wurde. Die Vorinstanz hatte dafür Verständnis gezeigt. Das Landgericht sah es anders:
„Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts beinhaltet die Zusage des Vorhandenseins eines ‚Miniclubs‘ ohne weitere Angaben jedenfalls dann nicht gleichzeitig die Zusage, dass in diesem ‚Miniclub‘ auch deutsch gesprochen wird, wenn es sich um ein Hotel in einem Land außerhalb des deutschsprachigen Raumes handelt“, so das hessische Gericht.
Unverständige Russen sind im Vorteil
Es führte zur Begründung aus: „Ein verständiger durchschnittlicher Reisender, auf dessen Sicht abzustellen ist, kann nicht erwarten, dass in einem Hotel in der Türkei ausschließlich deutsche Familien ihren Urlaub verbringen. Er muss vielmehr damit rechnen, dass sich in dem gebuchten Hotel neben Deutschen auch andere Nationalitäten wie z. B. Türken, Engländer, Spanier, Portugiesen, Italiener, Holländer und Russen befinden werden. Angesichts dessen fehlt aber einer berechtigten Erwartung, dass in dem ‚Miniclub‘ gerade deutsch gesprochen wird, die Grundlage.“
Da ist durchaus was dran. Aber damit, dass wie im vorliegenden Fall in dem „Miniclub“ eines türkischen Hotels nur russisch gesprochen wird, muss wohl auch ein „verständiger durchschnittlicher Reisender“ nicht unbedingt rechnen. Und es stellt sich natürlich die Frage, wie die Betreuer mit Kindern unterschiedlicher Nationalität überhaupt kommunizieren. Solcherlei Bedenken wischte das Landgericht vom Tisch. Denn mit den Kindern reden müssen die Betreuer gar nicht:
„Da der ‚Miniclub‘ in erster Linie die Betreuung und Unterhaltung von Kindern bezweckt und nicht eine irgendwie geartete ‚Unterrichtung‘ dieser, ist zur Erreichung dieses Zweckes auch nicht erforderlich, dass die ‚Betreuer‘ bzw. ‚Unterhalter‘ mit den Kindern in der Muttersprache kommunizieren können.“
Das klingt überzeugend. Und wenn es ohnehin nicht auf die Sprache ankommt, dann ist es auch egal, welche Sprache die Kinder während der „Betreuung und Unterhaltung“ nicht verstehen.
Die Bordsprache ist deutsch
Probleme mit der Sprache hatte auch ein Ehepaar, das sich eine zweiwöchige Kreuzfahrt „Magische Momente Madagaskar und Mauritius“ für fast 10.000 Euro gegönnt hatte. Die wurde in dem Reisekatalog unter anderem mit „Bordsprache Deutsch“ beworben. Dem Kläger war nach eigenen Angaben zudem von einer Mitarbeiterin des Unternehmens mündlich zugesichert worden, „dass nahezu ausschließlich deutsche Gäste an Bord seien und ausschließlich deutsch gesprochen werde“. Ganz so war es aber nicht.
Die Borddurchsagen fanden nicht nur auf Deutsch, sondern auch in anderen Sprachen statt. Die Mitreisenden waren zwar überwiegend Deutsche, ungefähr ein Drittel kam aber aus anderen Ländern. Das alles entsprach so gar nicht den Vorstellungen des Klägers und seiner Frau. Wohl aber denen des AG Bremen.
„Bordsprache Deutsch“ bedeute lediglich, dass man sich mit dem Bordpersonal in deutscher Sprache verständigen kann und Borddurchsagen auf Deutsch erfolgen. Beides war der Fall. Dass dem Kläger darüber hinaus mündlich zugesichert worden sei, dass nahezu ausschließlich deutsche Gäste an Bord seien, hielt das Gericht für nicht glaubhaft. Und zwar weil nicht sein kann, was nicht sein darf:
„Würde die Bekl. (…) solche Zusicherungen machen, würde sie sich diskriminierend gegenüber anderen Nationalitäten verhalten und damit gegen §§ 2 I Nr. 8, 19 AGG verstoßen. Danach besteht ein zivilrechtliches Benachteiligungsverbot unter anderem in Bezug auf die ethnische Herkunft im Rahmen von Verträgen. Die Bekl. würde sich regelmäßig schadensersatzpflichtig gegenüber anderen als deutschen Reisenden machen.“
Weil nicht sein kann…
Deshalb verzichtete das Gericht auch darauf die vom Kläger als Zeugin benannte Mitarbeiterin der Beklagten anzuhören. Das hätte nach Meinung des Gerichts ohnehin nichts gebracht. Denn auch wenn gewesen wäre, was gar nicht gewesen sein kann, weil es nicht gewesen sein durfte, würde das dem Mann nichts helfen. Eine solche Zusicherung „wäre verfassungswidrig bzw. unwirksam“, so dass sich daraus keine Rechte herleiten ließen.
Dass der Kläger zudem bemängelt hatte, die Bordansagen seien zu laut gewesen, wischte das Gericht dann einfach mit der Unterstellung vom Tisch, dass er die „letztlich … als zu laut“ empfand, „weil sie in verschiedenen, ihm nicht vertrauten Sprachen, durchgesagt worden sind“. Der Kläger unterliege „dem (vermeidbaren) Irrtum, erwarten zu können, dass alle an Bord deutsch sprechen bzw. verstehen müssen und anderenfalls von der Reise ausgeschlossen sind.“
Eine recht deutliche Kritik. Aber der Kläger muss sich wohl tatsächlich „fragen, warum er eine Fernreise in eine französisch- und englischsprachige Region antritt, wenn er sich nur unter deutschen Menschen wohlfühlt“.
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