Das Thema
Immer wieder ist die Befristung von Arbeitsverhältnissen Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten. Besonders misslich für den Arbeitgeber ist es, dass bereits kleinste Fehler zu einem unbefristeten Arbeitsverhältnis führen. Ein solcher Fehler ist nach Auffassung des LAG Düsseldorf (Urteil v. 9. April 2019 – 3 Sa 1126/18) auch dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) unterlaufen. Vor dem BAG haben sich die Parteien jüngst verglichen.
Die Grundsätze
Es gibt bekanntermaßen zwei Arten von Befristungen. Die Sachgrundbefristung nach § 14 Abs. 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) und die sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG. Unabhängig von der Art der Befristung sind zwei Voraussetzungen besonders zu beachten. Die Befristung ist zwingend schriftlich zu vereinbaren und sie muss in jedem Fall vor Arbeitsantritt unterzeichnet sein. Eine nachträgliche Befristung ist unwirksam. Lässt es der Arbeitgeber zu, dass der Arbeitnehmer seine Tätigkeit aufnimmt, ohne dass die Befristung zuvor schriftlich vereinbart wurde, entsteht ein unbefristetes Arbeitsverhältnis.
Die Sachgrundbefristung ist nur aufgrund eines in § 14 Abs. 1 TzBfG genannten Grundes zulässig, z.B. als Vertretung eines vorübergehend ausfallenden anderen Arbeitnehmers.
Die sachgrundlose Befristung bedarf hingegen keines Grundes, ist jedoch nur bei Neueinstellungen zulässig. Bereits vor gut zwei Jahren hob das Bundesverfassungsgericht die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) auf, wonach eine sachgrundlose Befristung auch zulässig war, wenn das vorangegangene Arbeitsverhältnis länger als drei Jahre zurück lag (BVerfG, Beschluss vom 6. Juni 2018 – 1 BvL 7/14). Dennoch sollen im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung der Befristungsregelungen frühere Arbeitsverhältnisse ggf. unberücksichtigt bleiben, etwa wenn die Vorbeschäftigung sehr lang zurückliegt oder ganz anders geartet oder von sehr kurzer Dauer war. Insoweit besteht weiterhin eine erhebliche Rechtsunsicherheit: So hat das BAG in zwei Entscheidungen (BAG, Urteil vom 23. Januar 2019 – 7 AZR 733/16 und BAG, Urteil vom 21. August 2019 – 7 AZR 452/17) entschieden, dass bei einem 8 Jahre zurückliegenden Arbeitsverhältnis der Zeitraum nicht „sehr lang“ i.S.d. Rspr. der BVerfG ist, während ein mehr als 22 Jahre zurückliegendes Arbeitsverhältnis nicht als schädliche „Vorbeschäftigung“ zählt. Man wird die weitere Entwicklung mit Spannung verfolgen.
Die Höchstdauer für sachgrundlose Befristungen beträgt zwei Jahre. Innerhalb dieses Zeitraums kann das Arbeitsverhältnis bis zu dreimal verlängert werden. Eine Verkürzung der Befristung ist hingegen nicht möglich.
Der Fall: Mit einer Schulung ging alles los
Das LAG Düsseldorf (Urteil v. 9. April 2019 – 3 Sa 1126/18) hatte im vorliegenden Fall erneut über eine sachgrundlose Befristung zu entscheiden. Der Kläger wandte sich gegen die sachgrundlose Befristung seines Arbeitsverhältnisses mit dem BAMF. Die Parteien unterschrieben am 24./29. August 2016 einen sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrag. Die zunächst vereinbarte Laufzeit vom 5. September 2016 bis zum 4. März 2017 wurde am 3./7. Februar 2017 bis zum 4. September 2018 verlängert.
Der Kläger sollte, bevor er seine eigentliche Tätigkeit in Düsseldorf aufnahm, ab dem 5. September 2016 an einer dreiwöchigen Schulung in Nürnberg teilnehmen. Nach Anfrage des Klägers einigten sich die Parteien darauf, dass der Kläger bereits am Sonntag den 4. September 2016 nach Nürnberg anreist und der Arbeitgeber die zusätzlichen Übernachtungskosten trägt. Der Kläger nahm ab dem 5. September 2016 an der Schulung teil. Bewerbungen des Klägers auf unbefristete Stellen bei der Beklagten im Jahre 2017 blieben erfolglos.
Noch (weit vor) vor Ende der (zweiten) Befristung erhob der Kläger am 27. Februar 2018 die Befristungskontrollklage. Das LAG Düsseldorf entschied, dass die Befristung unwirksam ist und der Kläger daher in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis steht. Da sich die Parteien vor dem BAG kürzlich verglichen haben (Pressemitteilung des BAG vom 14. Oktober 2020 zum Verfahren 7 AZR 375/19) wird es hierzu aber vorerst keine höchstrichterliche Entscheidung geben. Allerdings steht noch eine Entscheidung des BAG in einem Parallelverfahren aus (Aktenzeichen 7 AZR 212/20), sodass wir noch auf eine Entscheidung hoffen dürfen.
Wo lag der Fehler?
Die Parteien hatten ordnungsgemäß die Befristung des Arbeitsverhältnisses vor der Arbeitsaufnahme schriftlich vereinbart. Der Kläger war auch nicht bereits zuvor bei dem BAMF beschäftigt gewesen. Allerdings war, so entschied das LAG Düsseldorf, die Befristung einen Tag zu lang bemessen. Das BAMF hatte bei der Verlängerung der Befristung den Anreisetag des Klägers nicht berücksichtigt.
Die Anreise zu einer Schulung, die außerhalb des Dienstortes stattfindet, zählt nach der Rechtsprechung des BAG (BAG, Urteil vom 15. November 2018 – 6 AZR 294/17) als vertragliche Arbeitszeit. Durch sein Einverständnis zur früheren Anreise des Klägers, habe das BAMF einem Beginn des Arbeitsverhältnisses am 4. September 2016 zugestimmt. Das Arbeitsverhältnis hätte daher bereits am 3. September 2020 enden müssen bzw. konnte ohne Sachgrund nur bis zu diesem Datum wirksam befristet werden. Diese Entscheidung fügt sich konsequent in die Rechtsprechung des BAG ein. Entscheidend war, dass die Anreise zu einer außerhalb des Dienstortes stattfindenden Schulung als vertraglich geschuldete Arbeitszeit angesehen wird.
Exkurs: Arbeitszeit ist nicht gleich Arbeitszeit
Für das Urteil des LAG Düsseldorf ist außerdem die komplizierte Rechtslage zur Arbeitszeit von großer Bedeutung. Die Arbeitszeit lässt sich grob in zwei Bereiche aufteilen: Die arbeitsschutzrechtliche Seite und die vertragsrechtliche/vergütungsrechtliche Seite. Die arbeitsschutzrechtliche Seite der Arbeitszeit ist im Arbeitszeitgesetz geregelt und durch das Europarecht bestimmt. Insoweit ist das BAG an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) gebunden. Die vertragsrechtliche und damit auch die vergütungsrechtliche Seite der Arbeitszeit wird allein durch das nationale Recht bestimmt. Dadurch kann es zu erheblichen Differenzen zwischen der arbeitsschutzrechtlichen Arbeitszeit und der vergütungspflichtigen Arbeitszeit kommen. Nicht jede Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes muss vergütet werden und nicht jede vergütungspflichtige Zeit ist Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes. Hier ging es nach (zutreffender) Ansicht des LAG Düsseldorf um vergütungspflichtige Arbeitszeit und damit nach Ansicht des LAG Düsseldorf um „befristungsrelevante“ Beschäftigungszeit.
Bei der Vereinbarung einer Befristung ist Vorsicht geboten
Der Fall zeigt erneut, dass bei der Vereinbarung einer Befristung äußerste Vorsicht geboten ist. Kleinste Fehler können zur Unwirksamkeit der Befristung und damit zu einem unbefristeten Arbeitsverhältnis führen. Die Entscheidung zeigt, dass gerade in Kombination mit dem hoch komplizierten Bereich des Arbeitszeitrechts große Gefahren lauern. Arbeitgeber sollten sehr genau auf die Dauer der Befristung und die zeitliche Abfolge achten und keinerlei Tätigkeiten des Arbeitnehmers vor Unterzeichnung des Vertrages oder dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses zulassen. Eine missglückte Befristung nachträglich zu korrigieren, ist nicht möglich.