Das Thema
[Update, 29.Juni 2017]
Nachdem wir genau vor einem Monat am 29. Mai 2017 noch die Frage gestellt hatten, ob das BAG heute für eine Grundsatzentscheidung sorgen wird, ist nun klar: dies ist nicht der Fall. Im Gegenteil: es geht bei “null” los.
Die millionenschwere Schadenersatzklage des Stahlkonzerns Thyssen-Krupp gegen einen früheren Manager muss neu verhandelt werden, heisst es in der Pressemitteilung aus Erfurt zum Verfahren unter dem AZ 8 AZR 189/15 am Abend. Das BAG wies den Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht Düsseldorf zurück. Aufgrund der bislang vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen kann der Senat nicht abschließend beurteilen, ob der Rechtsstreit ohne Beantwortung der kartellrechtlichen Vorfragen entschieden werden kann. Auch dies führte zur Aufhebung des Teilurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung.
Außerdem seien die Arbeitsgerichte nicht für kartellrechtliche Fragen zuständig, begründete der achte Senat des BAG seine Entscheidung weiter. Die Erfurter Richter entschieden damit nicht wie erhofft darüber, ob Führungskräfte für Kartellstrafen ihrer Unternehmen aufkommen müssen. Diese Frage bleibt damit weiterhin höchstrichterlich ungeklärt. Noch am Abend berichtete das Handelsblatt zur Entscheidung; Marcus Jung von der FAZ legte in seinem Bericht ebenfalls von heute Abend den Schwerpunkt auf die Enttäuschung aller Beteiligten, dass nach fünf Jahren Prozessdauer nach wie vor nichts geklärt ist.
Aus der arbeitsrechtlichen Blogosphäre zum Thema
Noch am 27. Juni 2017 – und damit zwei Tage vor dem Termin in Erfurt – rollte erneut Marcus Jung von der FAZ den Sachverhalt und die Historie des Verfahrens noch einmal auf. Über die drei eigenständigen, zeitgleich terminierten Verfahren, mit welchen der Schadensersatz gegenüber dem ehemaligen Mitarbeiter geltend gemacht wurde sowie zu allen Hintergründen berichtete beispielsweise Haufe Online. Dabei im Fokus: die Entscheidung der Vorinstanz – LAG Düsseldorf vom 20. Januar 2015 – 16 Sa 460/14.
Das LAG Düsseldorf hat in seiner „bahnbrechenden Entscheidung“ den Versuchen von Kartellanten, Regress bei (rechtswidrig) handelnden Mitarbeitern zu nehmen, eine klare Absage erteilt. Ein Abwälzen der Unternehmensbuße auf die Mitarbeiter sei generell unzulässig. Anders sähe dies hingegen für vom Mitarbeiter verursachte Schadensersatzansprüche Dritter gegen den eigenen (ehemaligen) Arbeitgeber aus. Hier besteht eine Mithaftung dem Grunde nach. Allerdings, so auch die Entscheidung des LAG Düsseldorf, muss hier das Unternehmen konkret darlegen und beweisen, dass der Mitarbeiter tatsächlich persönlich verantwortlich war und umgekehrt das Unternehmen nicht selbst – etwa durch zu lasche Compliance-Regeln – einen überschießenden Mitverschuldensanteil zu tragen hat. Darauf weist Rechtsanwalt Bernd Weller auf Compliance-Manager.net. hin.
Auch in erster Instanz hatte der Manager gewonnen: Der Konzern hat dessen Schuld nicht belegen können, befand das Arbeitsgericht Essen (1 Ca 658/13). Der Konzern habe weder die Beteiligung, noch die Kenntnis oder auch nur die fahrlässige Unkenntnis des Managers bezüglich der Kartellabsprachen belegen können, berichtet Spiegel Online.
Die heutige BAG-Entscheidung wurde mit Spannung erwartet, denn für viele Experten klingt weder die Position des LAG Düsseldorf noch des ArbG Essen überzeugend. Dies begründet beispielsweise Rechtsanwalt Sebastian Konrads ausführlich im Kartellblog.
Nach einer intensiven Verhandlung hat das BAG heute, am 29. Juni 2017 zwar der Revision Thyssen-Krupps stattgegeben. Die wichtige(n) Rechtsfragen bleiben allerdings nach wie vor ungeklärt.
[Update, 1. Juli 2017]:
Wohl nicht nur wegen dem “anständigen Streitwert” beschäftigte sich inzwischen Prof. Dr. Christian Rolfs im Blog des C.H. Beck Verlages mit der Entscheidung vom vergangenen Donnerstag und erklärt, warum die Entscheidung auf dem ersten Blick merkwürdig anmutet, dann aber doch aufgrund vorliegender Besonderheiten nachvollziehbar ist.
[Update, 3. Juli 2017]: