Anästhesie und Bestattung
Leben und Tod sind untrennbar miteinander verbunden. Das ist keine weltbewegende Erkenntnis, auch wenn wir Menschen dazu neigen, das allzu gerne zu verdrängen. Es bedeutet aber nicht, dass sich ein Arbeitnehmer um die Lebenden und die Toten gleichermaßen kümmern darf. Das meint jedenfalls das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 28.02.2002 – 6 AZR 357/01).
In dem Fall ging es um einen Krankenpfleger, der im Funktionsbereich Anästhesie beschäftigt war. Nebenbei arbeitete er in einem Bestattungsunternehmen. Als das durch Zeitungsartikel bekannt wurde, forderte ihn das Krankenhaus auf, jegliche Arbeit für das Bestattungshaus aufzugeben. Es teilte ihm mit, dass ihm dafür auch künftig keine Nebentätigkeitserlaubnis erteilt wird.
Der Krankenpfleger beantragte dennoch die Zustimmung seines Arbeitgebers zu dieser Tätigkeit. Und nachdem der Arbeitgeber den Wunsch ablehnte, nebenbei fünf Stunden pro Woche „Bestattertätigkeit (z.B. Trauergespräche, Einsargungen, Überführungen und/oder Bürotätigkeiten)“ auszuüben, zog der Mann vor Gericht.
BAG sieht Zielkonflikt
In dem Verfahren vertrat der Krankenpfleger die Auffassung, dass sein Arbeitgeber verpflichtet sei, die gewünschte Nebentätigkeit zu genehmigen. Zur Begründung führte er unter anderem an, dass dienstliche Interessen dadurch nicht berührt werden. Das sah das BAG anders. Das Gericht geht davon aus, dass die Nebentätigkeit eines Pflegers als Leichenbestatter die Interessen eines Krankenhauses „erheblich“ beeinträchtigt.
„Als Krankenpfleger“, so die obersten Arbeitsrichter „hat der Kläger für die Erhaltung von Leben und Gesundheit der ihm anvertrauten Patienten Sorge zu tragen. Er hat (…) alles zu tun, um die Genesung der Patienten zu fördern und alles zu unterlassen, was diesem Ziel abträglich sein könnte.“
„Demgegenüber setzt die Tätigkeit als Leichenbestatter den Tod der Menschen voraus. Deshalb ist der Umstand, von einem Krankenpfleger versorgt zu werden, der sich nebenberuflich als Leichenbestatter betätigt, dazu geeignet, bei Patienten Irritationen hervorzurufen. Diese könnten den Eindruck gewinnen, von einem solchen Krankenpfleger nicht in der gebotenen Weise, das heißt, ohne eindeutige Lösung des durch Haupt- und Nebentätigkeit entstandenen Zielkonflikts im Sinne der Erhaltung von Leben und Gesundheit, behandelt zu werden,“ so das Erfurter Gericht.
Abstrakte Gefahr genügt
Dass eine solche Sorge nach dem Vortrag beider Parteien im konkreten Fall gar nicht begründet ist, spiele dabei keine Rolle. Entscheidend sei allein, wie die Nebentätigkeit auf Patienten und Öffentlichkeit wirke. „Die dadurch eintretende Verunsicherung könnte nicht nur zu Störungen im Genesungsverlauf bei Patienten führen, sondern uU auch dazu, daß diese das Krankenhaus der Beklagten von vornherein meiden und sich anderswo behandeln lassen“, meint das BAG.
„Außerdem“, so das Erfurter Gericht, habe das Krankenhaus ein berechtigtes Interesse daran, „jeden Anschein zu vermeiden, Mitarbeiter des Pflegedienstes verschafften sich durch ihre dienstliche Tätigkeit Vorteile gegenüber Mitbewerbern bei ihrer außerdienstlichen Nebentätigkeit“. Gemeint war damit nicht, dass ein Pfleger in der Anästhesie den Umsatz eines Bestattungsunternehmens durch seine hauptberufliche Tätigkeit steigern kann.
Vielmehr ergebe sich der Anschein der Verquickung dienstlicher und privater Interessen aufgrund der Zeitungsbeiträge. Darin war der Arbeitnehmer namentlich genannt, in einem wurde sogar ein Foto von ihm gezeigt. Und in beiden Artikeln wurde ausdrücklich seine hauptberufliche Tätigkeit als Krankenpfleger angesprochen. Dadurch könne der Eindruck entstehen, dass „das Bestattungsinstitut, für das der Kläger tätig ist, die Möglichkeit nutzt, sich von Angehörigen der im Krankenhaus der Beklagten Verstorbenen gezielt Aufträge und dadurch Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen Bestattungsunternehmen zu verschaffen“.
Alles geht halt nicht
Einen unverhältnismäßigen Eingriff in sein Recht auf freie Berufsausübung sah das Gericht nicht. Dass der Krankenpfleger „die Nebentätigkeit als Leichenbestatter zu unterlassen hat“, hindere ihn schließlich „nicht daran, seine Arbeitskraft anderweitig einzusetzen und Nebenbeschäftigungen nachzugehen, die nicht im Widerspruch zu den Interessen“ seines Arbeitgebers „stehen“.
Auch Krankenpflegern bleiben damit recht viele Möglichkeiten, ihr Einkommen nebenbei etwas aufzubessern. Und die vom BAG für diese Berufsgruppe statuierte Ausnahme lässt sich mit den Worten von Rechtsanwalt Dr. Jörg Laber im Deutschen Ärzteblatt in einem kurzen Satz zusammenfassen: „Bestatten nicht gestattet“!
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