Man darf nicht alles wörtlich nehmen
Dass man manchen Arbeitnehmern Beine machen muss, heißt nicht, dass sie neue Gliedmaßen benötigen. Wenn einem Unternehmen das Wasser bis zum Hals steht, kann ein Schwimmkurs kaum helfen. Und wenn man einem Kollegen einen Denkzettel verpassen will, sollte man ihm besser kein Post-it auf die Stirn kleben.
Wer Redensarten allzu wörtlich nimmt, kann schnell in Teufels Küche kommen. Das zeigt ein vom LAG Hamm entschiedener Fall (Urt. v. 2.6.2005 – 15 Sa 126/05). Hier wurde einem Sachbearbeiter in der Bußgeldstelle des Amtes für öffentliche Sicherheit, Verkehr und Personenstandswesen außerordentlich gekündigt, weil er zahlreiche Akten vernichtet hatte.
Sein Vorgehen verteidigte er damit, dass seine Teamleiterin zu einem Kollegen gesagt hatte, dass dieser „die verjährten Fälle (…) in die Tonne kloppen“ könnte, „da ja nichts mehr zu holen sei“. Nachdem der Verwaltungsangestellte von dieser Aussage erfahren hat, begann er verjährte und aus anderen Gründen nicht eingegebene Vorgänge zu vernichten.
Vor Gericht hatte er mit dieser Verteidigung keinen Erfolg. Das LAG Hamm bestätigte die Rechtmäßigkeit der Kündigung. Der Angestellte habe aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit gewusst, wie mit den Akten umzugehen ist. Ihre Vernichtung allein aufgrund einer angeblichen Äußerung seiner Vorgesetzten sei eine schuldhafte Verletzung der Dienstpflichten.
Nervige Werbung
In die (Abfall-)Tonne „gekloppt“ werden häufig auch Postsendungen. Und zwar nicht nur von den Empfängern, sondern sogar von Briefträgern. Das kann für die Zusteller nicht nur arbeitsrechtliche, sondern auch strafrechtliche Folgen haben. Die Vernichtung von Briefen unterfällt § 206 Abs. 2 Nr. 2 StGB (Verletzung des Post- oder Fernmeldegeheimnisses) und kann mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe geahndet werden.
Vor den Arbeitsgerichten haben die Täter wenig Aussicht auf Erfolg, wenn sie wegen einer solchen Handlung gekündigt werden. Und das ist im Interesse der Empfänger grundsätzlich auch zu begrüßen. Trotzdem scheint eine Entscheidung des LAG Hessen (Urt. v. 20.10.2004 – 6 Sa 400/04) zweifelhaft.
In dem Fall wurde einem fast fünfzigjährigen, verheirateten und schwerbehinderten Zusteller nach nahezu fünfundzwanzig Jahren Dienstzeit gekündigt, weil er Briefsendungen zerrissen und in einer Papiertonne entsorgt hatte. Die Besonderheit: Es handelte sich lediglich um drei „Infosendungen“, also schlicht Werbung. Zudem war der Briefträger zum Tatzeitpunkt in einer schweren familiären und finanziellen Situation. Er hatte geltend gemacht dass er deshalb einen „Blackout“ gehabt habe.
Das LAG Hessen sah die Kündigung trotzdem als rechtmäßig an. Nach Meinung des Gerichts hatte der Kläger nicht nur eine Arbeitsanweisung missachtet und seine Verpflichtungen nicht erfüllt. Sein Verhalten sei zudem geeignet gewesen, das Vertrauen der Postkunden auf Sicherheit und Zuverlässigkeit der Briefbeförderung zu gefährden und könne das Bemühen seines Arbeitgebers, sich durch einen hohen Qualitätsstandard von seinen Mitbewerbern abzuheben, untergraben. An einen „Blackout“ glaubte das Gericht nicht.
[Hinweis: Der Beitrag wurde erstmals in der Zeitschrift Arbeit und Arbeitsrecht 2015, S. 510ff veröffentlicht. Er wird hier mit freundlicher Zustimmung der AuA-Redaktion publiziert.]
Aktuelle Buchveröffentlichung des Autors (Prof. Dr. jur. Arnd Diringer):