Eine erstaunliche Fußzeile
Wenn man Bewerbungsunterlangen liest, muss man ab und an schmunzeln, ab und an schüttelt man den Kopf. Für einen Recruiter ist das Alltag. Manche Bewerbungen lassen aber wohl selbst erfahrene Personaler ratlos zurück. So wie die eines Juristen aus Baden-Württemberg.
Der sechsundfünfzig Jahre alte ehemalige Rechtsanwalt hatte sich auf eine nach Entgeltgruppe 10 des TVöD dotierte Stelle beworben. Für das Bewerbungsschreiben nutzte er sein früheres Geschäftspapier. Der Briefkopf war mit mehreren „xxx“ und maschinenschriftlichen Änderungen versehen. In der Fußzeile seines Bewerbungsschreibens war eingefügt: „Im übrigen bin ich der Meinung, dass die Herren Lustmolche und Sittenstrolche, welche als die ‚Herren Freier‘ regelmäßig in Bordellen verkehren, zu einer Sonderabgabe (Bordell oder Bordellumsatzsteuer) herangezogen werden müssten. Mit diesem Steueraufkommen sollte die Lebenssituation der Menschen in Pflegeheimen und Behinderteneinrichtungen verbessert werden.“
Eine andere vergebliche Bewerbung
Einen inhaltlichen Bezug zu der Stelle auf die er sich bewarb hatte das nicht. Und er nutzte das Briefpapier auch für seine sonstigen geschäftlichen Schreiben einschließlich anderer Bewerbungen.
In der vorliegenden Bewerbung fand sich darüber hinaus ein Foto, das ihn bei einem Schachtunier vor einem Schachbrett sitzend zeigt. Auf dem beigefügten Lebenslauf war im Kopf eingetippt: „Einsatzbereit! Lässt sich kein X für ein U vormachen!“
Der Jurist hatte zuvor aus wirtschaftlichen Gründen auf seine Zulassung als Rechtsanwalt verzichtet. In seinem Lebenslauf führte er dazu aus: „Seit 01.02.2000 von bezahlter Arbeit ausgeschlossen“ und „seit 01.01.2005 im Zuge der sogenannten Reform Harz IV auf Bahnhofspennerniveau verharzt“. Weiter hieß es dort: „Februar 2004 Bewerbung als Vorstandsvorsitzender der Bundesagentur für Arbeit, Nürnberg, auserwählt: Herr Weise“.
Diskriminierung – was sonst?
Erfolg hatte er mit diesem Bewerbungsschreiben nicht. Und nun hegte er den Verdacht, dass er wegen seines Alters, seines Geschlechts, seiner Arbeitslosigkeit und seiner politischen Betätigung diskriminiert worden sei. Jedenfalls behauptete er das. Und mit dieser Begründung forderte er im Klageweg Schadensersatz in Höhe von sechs Bruttomonatsgehältern und beantragte zugleich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.
Im Rahmen des Gütetermins vor dem Arbeitsgericht schlug er als Vergleich vor, ihn auf die Stelle eines Sozialdezernenten „zu hieven“ – eine Stelle, auf die er sich ebenfalls beworben hatte. Zur Begründung hatte er ausgeführt, dass diese berufliche Position entscheidend dazu beitragen könne, dass er im Alter nicht der Grundsicherung anheimfalle. Und das sei ja im Interesse der Steuerzahler.
Erfolg hatte er mit dieser Argumentation nicht. Und auch seinem Antrag auf Prozesskostenhilfe vor dem ArbG Stuttgart war dieser nicht beschieden, so dass sich das LAG Baden-Württemberg (Beschluss vom 13.8.2007, 3 Ta 119/07) damit befassen musste. Das bezweifelte seine Redlichkeit – und brachte das auch deutlich zum Ausdruck:
Zweifelhafte Bekanntheit
„Die Gesamtumstände der Bewerbung und des weiteren Verfahrens lassen nur den Schluss zu, dass es dem Kläger neben dem möglichen Motiv des Gelderwerbs in diesem Verfahren vornehmlich darum geht, Aufsehen zu erregen und das System des staatlichen Rechtsschutzes lächerlich zu machen. Es ist zwar durchaus nachvollziehbar, dass der Kläger darüber frustriert ist, dass er seinen Lebensunterhalt mit Leistungen nach dem SGB II bestreiten muss. Es kann jedoch nicht angehen, angebliche Verstöße gegen das Antidiskriminierungsrecht als Instrument dazu (zu) benutzen, um Protest gegen die ‚Hartz‘- Gesetzgebung zum Ausdruck zu bringen. Würde der Staat eine solche Rechtsverfolgung mit der Gewährung von Prozesskostenhilfe unterstützen, so hätte der Kläger das von ihm angestrebte Ziel erreicht.“
Diese Ausführungen sind durchaus nachvollziehbar. Dass der Kläger tatsächlich glaubte, mit einer solchen Bewerbung Erfolg zu haben kann, kann jedenfalls schwerlich angenommen werden
Aufsehen hat der ehemalige Rechtsanwalt allerdings durchaus erregt – zumindest in der juristischen Fachwelt. Der Beschluss des LAG Baden-Württemberg ist in mehreren Fachzeitschriften und juristischen Datenbanken veröffentlicht und wird auch in anderen Entscheidungen und in der juristischen Literatur mehrfach zitiert. Ein solches Verfahren angestrengt zu haben, kann nicht jeder Jurist von sich behaupten.
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