„Ich habe einen Entwurf vorgelegt, den wir in der Koalition beraten. Ich will Rechtssicherheit für diejenigen schaffen, die verantwortlich handeln und Straftaten und Ordnungswidrigkeiten in Unternehmen und Behörden aufdecken.“ , so Bundesjustizministerin Lambrecht in einem Interview mit dem Handelsblatt vom 20. Januar 2021.
„Wir werden den Koalitionspartner mit guten Argumenten überzeugen. Skandale zu verhindern, die Eigentümer und Beschäftigte gleichermaßen bedrohen, ist im ureigenen Interesse jedes Unternehmens. Dafür braucht man Stellen, die Hinweise ernst nehmen und Missstände abstellen.“, so Lambrecht weiter.
Für Unternehmen, die mehr als 50 Mitarbeiter beschäftigen oder deren Jahresumsatz EUR 10 Mio. übersteigt, regelt die bald umzusetzende Whistleblowing-Richtlinie der EU, dass ein internes Meldesystem zur Aufdeckung von Verstößen gegen Unionsrecht zu etablieren ist. Hinsichtlich der Ausgestaltung des unternehmensinternen Hinweisgebersystems macht die Richtlinie konkrete Vorgaben.
Des Weiteren genießen Hinweisgeber nach der Richtlinie einen besonderen Rechtsschutz vor Vergeltungsmaßnahmen. So sollen diese insbesondere vor Kündigungen, der Versagung einer Beförderung oder einer Gehaltsminderung geschützt werden. Für die Gewährleistung dieses Schutzes wird eine prozessuale Beweislastumkehr zulasten des Arbeitgebers eingeführt. Arbeitgeber müssen zukünftig beispielsweise im Falle eines Kündigungsschutzverfahrens beweisen, dass die Kündigung eines Hinweisgebers keine Vergeltungsmaßnahme darstellt und nicht im Zusammenhang mit der Meldung steht.
Die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Wahrung der Identität des Hinweisgebers kann allerdings mit dem Einsichtsrecht des Arbeitnehmers in seine Personalakte (§ 83 Abs. 1 BetrVG) und seinem Auskunftsrecht (Art. 15 DS-GVO) kollidieren (LAG Baden-Württemberg vom 20. Dezember 2018, 17 Sa 11/18, dazu ausführlich im EFAR). Danach kann der Arbeitnehmer umfassend Einsicht und Auskunft von dem Arbeitgeber verlangen, auch wenn der Arbeitgeber dadurch die Identität eines anderen Arbeitnehmers, dem Hinweisgeber, preisgeben muss.
Auch mit Blick auf das geplante Verbandssanktionen-Gesetz sollen Informationen über die Identität einer hinweisgebenden Person weitergegeben werden dürfen, etwa an Strafverfolgungsbehörden. „Die Weitergabe der Identität eines Whistleblowers ist im Rahmen von Ermittlungs- oder Gerichtsverfahren möglich, aber nur, wenn dies wirklich erforderlich ist. Es muss also eine Abwägung erfolgen. Zuständig für diese Abwägungsentscheidung sind im Falle strafrechtlicher Ermittlungen die Staatsanwaltschaften und Gerichte nach Maßgabe der Strafprozessordnung.“, so Lambrecht im Interview mit dem Handelsblatt weiter.
Die am 16. Dezember 2019 in Kraft getretene Whistleblower-Richtlinie (RL(EU)2019/1937) vom 23. Oktober 2019 ist durch die EU-Mitgliedsstaaten binnen 2 Jahren, also bis Dezember 2021, in nationales Recht umzusetzen.
Auf den Inhalt der Gesetzesvorlage des BMJV in den nächsten Wochen darf die Unternehmenspraxis gespannt sein.