Das Thema
Mitte April hat das Bundesarbeitsministerium einen ersten Referentenentwurf für ein „Gesetz zur Änderung des allgemeinen Befristungsrechts“ vorgelegt. Erste Pressemeldungen waren mit dem Hinweis überschrieben, der Bundesminister beabsichtige eine Beschränkung der sachgrundlosen Befristung.
Doch der Entwurf geht erheblich weiter und bildet ab, was CDU/CSU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag für die 19. Legislaturperiode unter der Überschrift „Gute Arbeit“ vereinbart haben. Angemerkt werden muss, dass bereits im Februar 2019 ein erster Umsetzungsversuch unternommen wurde, der allerdings im Keim erstickt wurde.
Ob nun gerade am Ende der laufenden Legislaturperiode dieser neuerliche Anlauf für Neuregelungen im Befristungsrecht von Erfolg gekrönt sein wird, stand zu Redaktionsschluss noch nicht fest. Vieles spricht nicht dafür, vor allem wenn bedacht wird, dass selbst die CDU/CSU erst aus der Presse von diesem weitern Anlauf erfuhr.
In jedem Fall wird das Gesetz, sollte es in dieser oder ähnlicher Form – kurz- oder mittelfristig – verabschiedet werden, das Befristungsrecht für die Praxis grundlegend verändern.
Neuregelungen im Befristungsrecht: Warum jetzt?
Um zu verstehen, warum der Bundesarbeitsminister mitten in der Pandemie und unmittelbar vor der erwarteten, nachpandemischen Wirtschaftskrise, zudem wenige Monate vor Ende der Legislaturperiode, ein Gesetz vorlegt, welches zu erheblichen Restriktionen im Befristungsrecht führen wird, bedarf es eines Blickes in die Historie des Koalitionsvertrages: Nach dem Scheitern der Sondierungsgespräche über eine so genannte Jamaika-Koalition hatte sich die Führung der SPD entgegen der ursprünglichen Positionierung dazu entschieden, Gespräche über eine weitere Große Koalition zu führen. Dabei sollte die Parteibasis an der abschließenden Entscheidung beteiligt werden. Nach Abschluss der Sondierungsgespräche stellte die Parteiführung daher die bis dahin erzielten Ergebnisse auf einem Sonderparteitag vor und ersuchte um Zustimmung zur Aufnahme von Koalitionsverhandlungen.
Diese Zustimmung erfolgte letztlich, allerdings unter einigen klar definierten Bedingungen für die Koalitionsverhandlungen. Eine dieser vom Parteitag formulierten Bedingungen war die Restriktion des Befristungsrechts, häufig mit dem Schlagwort „Abschaffung der sachgrundlosen Befristung“ verkürzt wiedergegeben.
Letztlich hat der Bundesarbeitsminister also eine Zusage einzulösen, die Bedingung für die Zustimmung zur Regierungsbeteiligung war. Dass diesem Vorhaben – auch mit Blick auf den anstehenden Wahlkampf – erhebliche Bedeutung zukommt, zeigen bereits die ersten Reaktionen auf den Entwurf, etwa von Seiten der Gewerkschaften.
Der vorgelegte Referentenentwurf hält sich an die Vorgaben des Koalitionsvertrages und regelt im Wesentlichen vier Komplexe, die im Folgenden dargestellt und bewertet werden sollen.
Begrenzung der sachgrundlosen Befristung mittels Quote
Einer der letzten, am Ende der Koalitionsverhandlungen gefunden Kompromisse betrifft die Begrenzung der sachgrundlosen Befristung. Eine (gesetzliche) Abschaffung dieses Instruments war in den Koalitionsverhandlungen nicht durchsetzbar. Mit der jetzt vorgesehenen Beschränkung durch eine Höchstquote sachgrundlos befristeter Arbeitsverhältnisse wird es allerdings für viele Arbeitgeber faktisch zu einem Ausschluss der sachgrundlosen Befristung kommen.
Zukünftig soll für Arbeitgeber, die in der Regel mehr als 75 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigen, eine sachgrundlose Befristungsvereinbarung nur noch zulässig sein, wenn zum Zeitpunkt der vereinbarten Arbeitsaufnahme nicht mehr als 2,5 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufgrund eines sachgrundlos befristeten Vertrages beschäftigt sind.
Für die Berechnung dieses Anteils soll auf die Mitarbeiterzahl am ersten Kalendertag des vorangegangenen Quartals abgestellt werden.
Diese Quote stellt in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht eine Herausforderung dar.
Befristungsquote: Praktische Herausforderungen bei der Berechnung
In praktischer Hinsicht stellt sich zunächst die Frage, wie diese Quote zu berechnen ist. Das Bundesarbeitsgericht hatte bereits 2017 in einer Entscheidung zu einer tariflich vereinbarten Befristungsquote darauf hingewiesen, dass eine solche Norm auch Regelungen dazu enthalten müsse, „wie die Quote zu errechnen sein soll und zu welchem Zeitpunkt sie eingehalten sein muss.“ (BAG v. 14.6.2017 – 7 AZR 390/15).
Diese Hinweise greift der Referentenentwurf auf und schafft entsprechende Regeln. Er stellt zudem in seiner Begründung klar, dass die Mitarbeiterzahl unabhängig vom Umfang der Beschäftigung pro Kopf berechnet wird. Leiharbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer sollen nach den gleichen Maßstäben wie auch bei der Berechnung anderer Grenzwerte berücksichtigt werden.
Um insbesondere große Arbeitgeber nicht der Unmöglichkeit auszusetzen, tagesaktuell die Quote sachgrundlos befristet Beschäftigter nachhalten zu müssen, soll für die Berechnung auf die Mitarbeiterzahl am ersten Tag des vorangegangenen Quartals abgestellt werden. Stichzeitpunkt für die Bewertung der Zulässigkeit einer Befristung ist dann der Zeitpunkt der vereinbarten Arbeitsaufnahme.
Nach der Begründung des Referentenentwurfs werden Arbeitgeber durch diese Gestaltung vor Unwägbarkeiten und Unsicherheiten geschützt. Stehe die Quote am Anfang des Quartals fest und ändere sich auch nicht mehr, könne der Arbeitgeber die Zulässigkeit der Befristung zu dem von ihm gestaltbaren Zeitpunkt der vereinbarten Arbeitsaufnahme rechtssicher beurteilen.
Unternehmen müssen Befristungsquoten offenlegen – vier Mal pro Kalenderjahr
Um die jeweils zulässige Quote transparent zu machen, soll der Arbeitgeber verpflichtet werden, alle Arbeitnehmervertretungen am ersten Kalendertag jedes Quartals über den Anteil sachgrundlos befristeter Arbeitsverhältnisse an der Gesamtzahl seiner Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu informieren.
Hier zeigt sich eine weitere Herausforderung. Um zu beurteilen, wie groß der Anteil sachgrundlos befristeter Arbeitsverhältnisse ist, muss der Arbeitgeber rechtssicher beurteilen können, welche Arbeitsverhältnisse in diesem Sinne „ohne sachlichen Grund befristet“ sind.
Giesen hat in seinem Gutachten für den Gesamtverband der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektroindustrie (Gesamtmetall) aus Oktober 2018 zutreffend auf die mangelnde Handhabbarkeit einer solchen Quote hingewiesen, wenn aus Anlass der Untersuchung einer einzigen Befristungsabrede viele Arbeitsverhältnisse daraufhin geprüft werden müssten, ob bei ihnen wirksame sachgrundlose Befristungen vorliegen oder nicht. Hinzu kommt, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine wirksame Befristung lediglich erfordert, dass im Zeitpunkt der Befristungsabrede objektiv die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Ein Arbeitgeber kann seine Befristung in einem späteren Befristungskontrollverfahren also auch auf eine Grundlage stützen, die er subjektiv bei Vertragsschluss nicht im Blick hatte. Eine vom Arbeitgeber beabsichtigte Sachgrundbefristung, die mangels Vorliegens der Voraussetzungen nicht wirksam wäre, kann daher später noch auf § 14 Abs. 2 TzBfG gestützt werden, wenn die Voraussetzungen hierfür vorliegen. Entsprechend darf man die These aufstellen, dass Arbeitgeber Stand heute mit hoher Wahrscheinlichkeit gar nicht wissen, wie viele sachgrundlos befristete Verträge in ihrem Unternehmen bestehen.
Zitiergebot u.a. – Referentenentwurf gibt restriktive Regelungen vor
Dieses Problem löst der Referentenentwurf durch restriktive Regelungen: Zum einen soll ein Zitiergebot eingeführt werden, wonach in der Befristungsabrede angegeben werden muss, wenn es sich um eine sachgrundlose Befristung handelt. Fehlt diese Angabe, soll die Befristung nicht auf diese Rechtsgrundlage gestützt werden können.
Wird auf eine sachgrundlose Befristung hingewiesen, so ist ein Rückgriff auf die Sachgrundbefristung unzulässig. Zum anderen ist der Begründung des Entwurfes zu entnehmen, dass auf den Anteil von 2,5 Prozent alle Arbeitsverträge angerechnet werden sollen, die der Arbeitgeber als sachgrundlos befristet bezeichnet hat. Auf die Wirksamkeit der Befristungsabrede soll es für die Berechnung der Quote nicht ankommen.
Um einen schrittweisen Übergang zu ermöglichen, sollen für die Berechnung der Quote nur solche befristeten Arbeitsverträge berücksichtigt werden, die nach Inkrafttreten des Gesetzes geschlossen oder verlängert werden.
Den ebenfalls kritisch hinterfragten Arbeitgeberbezug der Quote benennt der Referentenentwurf ausdrücklich als Gestaltungsmöglichkeit für Arbeitgeber mit dezentraler Struktur, die so in einzelnen Betrieben die Quote überschreiten könnten, sofern sie dies in anderen Betrieben wieder ausglichen. Nicht setzt sich der Entwurf dagegen mit der Befürchtung auseinander, dass gerade große Unternehmen und Konzerne auf dies Quote mit einer gesellschaftsrechtlichen Zergliederung reagieren könnten.
Nur exemplarisch wäre etwa denkbar, dass zukünftig für jede Filiale eines Lebensmittel- oder Drogeriefilialisten eine eigene Arbeitgeber-Gesellschaft geschaffen wird, um der Quote zu entgehen.
Es bleiben auch rechtliche Herausforderungen
Gibt der Referentenentwurf damit auf viele der nach Veröffentlichung des Koalitionsvertrages aufgeworfenen praktischen Fragen und Kritikpunkte eine Antwort, so bleibt er diese für die rechtlichen Anfragen schuldig.
Stoffels war im Rahmen seines Gutachtens vom 24. November 2018 im Auftrag von Gesamtmetall zu der verfassungsrechtlichen Bewertung der beabsichtigten Quote zu dem Ergebnis gekommen, dass die „Einführung einer quotalen Begrenzung der sachgrundlosen Befristung auf 2,5 % der Belegschaft […], wenn sie an einen Schwellenwert von mehr als 75 Beschäftigten anknüpfte, einer verfassungsrechtlichen Prüfung nicht stand [hielte]“.
Ein zentraler Kritikpunkt ist, dass diese Quote als lediglich politischer Kompromiss willkürlich festgesetzt sei und keine sachliche Rechtfertigung erfahre. Es komme zu einer Ungleichbehandlung von Arbeitgebern mit bis zu 75 Beschäftigten und solchen mit mehr als 75 Beschäftigten, ohne dass diese Ungleichbehandlung anhand sachlicher Kriterien gerechtfertigt sei. Zurecht weist Stoffels darauf hin, dass das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung über das Vorbeschäftigungsverbot (BVerfG v. 6.6.2018 – 1 BvL 7/14) klargestellt habe, dass in der Beschränkung der sachgrundlosen Befristung ein grundrechtsrelevanter Eingriff liege.
Wie das Beispiel des Vorbeschäftigungsverbots allerdings auch zeigt, kann eine verfassungsrechtlich fragwürdige Norm durchaus auch 18 Jahre in Kraft bleiben, bis das Bundesverfassungsgericht sich erstmals damit beschäftigt. Ob es tatsächlich – mutmaßlich von Unternehmerseite – zu Verfassungsbeschwerden gegen die Norm kommen wird, bleibt abzuwarten.
Neue Grenzwerte für die sachgrundlose Befristung
Neben der Festlegung der unternehmensweiten Quote sollen auch die Grenzwerte in § 14 Abs. 2 TzBfG für die Gesamtdauer der Befristung und die Anzahl möglicher Verlängerungen angepasst werden.
Wie seinerzeit im BeschFG 1985 soll die Dauer sachgrundlos befristeter Verträge auf 18 Monate beschränkt sein, wobei innerhalb dieser Zeitspanne nur noch eine Verlängerung zulässig sein soll.
Zeitliche Obergrenze
Eine weitere, erhebliche Änderung des Befristungsrechts soll durch eine generelle zeitliche Obergrenze für Befristungen erfolgen. Den Vorgaben des Koalitionsvertrags folgend sieht der Referentenentwurf vor, dass Befristungen nicht mehr zulässig sind, wenn damit die Gesamtdauer der befristeten Arbeitsverhältnisse – gleich ob mit Sachgrund oder sachgrundlos – bei demselben Arbeitgeber eine Höchstdauer von fünf Jahren überschreiten. Zeiten verschiedener befristeter Arbeitsverhältnisse sind zusammenzurechnen, wenn zwischen den Arbeitsverhältnissen nicht mehr als drei Jahre liegen.
Auf diese Höchstdauer sollen auch Zeiten angerechnet werden, in denen der Arbeitnehmer dem jetzigen Vertragsarbeitgeber als Leiharbeitnehmer überlassen war. Entsprechend kann auch eine sachgrundlose Befristung unzulässig sein, wenn sie zwar für weniger als 18 Monate vereinbart wird, der Arbeitnehmer aber bereits zuvor als Leiharbeitnehmer an diesen Arbeitgeber überlassen war und die Zeiten dieser Arbeitnehmerüberlassung und der vorgesehenen Befristung zusammen mehr als fünf Jahre ergeben.
Höchstdauer von Befristungen: Ausnahmen
Diese Obergrenze soll keine Anwendung finden auf Befristungen wegen der Eigenart der Arbeitsleistung, was der im Koalitionsvertrag angelegten Ausnahme für „Künstler und Fußballer“ entspricht. Denn zuletzt waren es hier tatsächlich Fußballer (Fall „Heinz Müller“) und Serienschauspieler, deren befristete Arbeitsverhältnisse Aufsehen erregten. Außerdem sind Befristungsabreden in einem gerichtlichen Vergleich von der Obergrenze ausgenommen.
Auch von der Höchstdauer ausgenommen sind die so genannten Rentenbefristungen, also Klauseln, wonach das Arbeitsverhältnis automatisch enden soll, wenn der Arbeitnehmer das Regelrentenalter erreicht. Dogmatisch sind Verträge mit entsprechenden Klauseln befristet, auch wenn dies im Bewusstsein der Vertragsparteien nicht präsent sein dürfte. In gleicher Weise gilt für Verträge, die an die auflösende Bedingung geknüpft werden, dass ein Rententräger eine unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung gewährt, eine Ausnahme.
Kritik an zeitlicher Obergrenze aus der Privatwirtschaft: Missbrauch eher durch öffentliche Arbeitgeber
Diese vorgesehene zeitliche Obergrenze wird zu Recht kritisiert. Erklärtes Ziel ist es, den Missbrauch durch „unendlich lange Ketten von befristeten Arbeitsverhältnissen“ zu unterbinden. Tatsächlich dürfte dahinter das weitergehende politische Ziel stehen, den Anteil befristeter Arbeitsverhältnisse insgesamt zu senken und mehr Beschäftigte in unbefristete Arbeitsverhältnisse zu bringen.
Eine gewisse Ironie folgt aus dem Umstand, dass es gerade die öffentlichen Arbeitgeber waren und sind, die mit solchen Missbrauchsfällen aktenkundig wurden. Ob es Frau Kücük als Justizangestellte war (BAG v. 18.7.2012 – 7 AZR 443/09), der angestellte Lehrer in der so genannten „Ampel-Entscheidung“ (BAG v. 26.10.2016 – 7 AZR 135/15) oder der stellvertretende Leiter des städtischen Altersheims (BAG v. 29.4.2015 – 7 AZR 310/13), immer war es die öffentliche Hand selbst, die sich Fragen hinsichtlich der Gestaltung von Befristungsketten gefallen lassen musste.
Statt einer Gesetzesänderung hätte also bereits ein verantwortungsbewussteres Handeln der öffentlichen Arbeitgeber viel Missbrauch vermeiden können.
Auch die Rechtsprechung übt (jetzt schon) Kritik
Schwerwiegender ist allerdings die Kritik, dass die gesetzliche Obergrenze weder nötig noch nützlich ist. Im Oktober 2016 hatte das Bundesarbeitsgericht nach einer Entwicklung, die 2012 nach der Kücük-Entscheidung ihren Anfang genommen hatte, in der „Ampel-Entscheidung“ belastbare und für die Praxis im wahrsten Sinn des Wortes berechenbare Maßstäbe festgelegt, anhand derer mittlerweile geprüft werden kann, ob eine Gestaltung rechtsmissbräuchlich ist oder sein kann.
Dabei hat diese Rechtsprechung den Vorteil, dass im Einzelfall auf Besonderheiten Rücksicht genommen werden kann. Dies wäre mit einer gesetzlichen Obergrenze nicht mehr möglich. Und in der Tat fragt sich, ob etwa bei der von der Rechtsprechung etwa als spezielle Fallgestaltung akzeptierten Projektbefristung eine Obergrenze von fünf Jahren sachgerecht ist. Gerade längerfristige, fremdfinanzierte Projekte sind häufig auf mehrere Jahre angelegt. Mit der Höchstbefristungsdauer wird in vielen Fällen faktisch bereits die Anstellung für ein zweites Projekt ausgeschlossen sein, da die Fünf-Jahres-Grenze damit überschritten würde. Zugleich kann und wird der drittmittelabhängige Arbeitgeber für ein zweites, zeitlich und finanziell ebenfalls begrenztes Projekt keine unbefristete Einstellung in Erwägung ziehen können. Dies offenbart einen Denkfehler in dem gewählten Instrument: Die zeitliche Restriktion befristeter Verträge wird nicht zu mehr unbefristeten Arbeitsverhältnissen führen – sondern zu mehr befristeten. Erfahrungen aus anderen Ländern unterstützen diese These. Nachdem beispielsweise in Italien 2018 die zeitliche Höchstdauer befristeter Verträge gesenkt wurde, war die Befristungsquote spürbar gestiegen, nicht gesunken.
Dies ist auch logisch nachvollziehbar. Bereits heute bedarf die wirksame Sachgrundbefristung in den praktisch häufigsten Fallgestaltungen (Vertretung, Projektbefristung, vorübergehender Bedarf) einer auf objektive Kriterien gestützten Prognose des Arbeitgebers, dass er nach Ablauf der vorgesehenen Befristungsdauer keinen weiteren Bedarf mehr an der Beschäftigung hat. Gerade dieser vorübergehende Bedarf ist Voraussetzung für die wirksame Befristung. Hat der Arbeitgeber aber objektiv nur vorübergehend einen Beschäftigungsbedarf, so wird er diesen nicht durch eine unbefristete Einstellung decken (können). Untersagt man ihm die Beschäftigung eines befristet Beschäftigten über eine bestimmte Zeitspanne hinaus, so wird er sich nicht für eine unbefristete Einstellung entscheiden, sondern für einen anderen, weiteren befristet Beschäftigten. Denn er hat ja nach Ablauf der prognostizierten Zeit keinen Beschäftigungsbedarf mehr.
Zeitliche Obergrenze für Befristungen: Untaugliches Mittel?
Neben den Projektbefristungen wird dies an einer weiteren, in der Praxis nach wir vor häufig auftretenden Beispielskonstellation deutlich: der Elternzeitvertretung. Geht ein Elternteil nach der Geburt des ersten Kindes in eine dreijährige Elternzeit, und kündigt sich während dieser Elternzeit das zweite Kind an, so ist es nach wie vor nicht selten, dass eine zweite Elternzeit angeschlossen wird. Die Höchstgrenze von fünf Jahren wird hier dazu führen, dass der Arbeitgeber, der mit der Rückkehr des Elternteils rechnen darf und muss, entweder nur für fünf Jahre eine Vertretungskraft beschäftigt – oder nacheinander zwei verschiedene Vertretungskräfte befristet anstellt. Bedarf für eine unbefristete Beschäftigung entsteht ihm durch die zeitliche Restriktion der Befristung nicht.
Das Instrument ist folglich untauglich für die Erreichung des verfolgten Ziels. Um mehr unbefristete Beschäftigung zu erreichen, müsste der Gesetzgeber dort anknüpfen, wo es unbefristeten Beschäftigungsbedarf gibt. Denkbare wäre etwa eine Regelung vergleichbar § 9 TzBfG, die befristet Beschäftigte bei der Besetzung unbefristeter Stellen gegenüber externen Bewerbern privilegiert. Anders als im Teilzeitrecht hat der befristet Beschäftigte nach aktuellem Stand keinen bevorzugten Zugriff auf unbefristet zu besetzende Stellen. Dass die rechtlichen Hürden an dieser Stelle höher sein mögen als im Teilzeitrecht, weil eine solche Regelung hier in weiterem Maße als dort in die negative Vertragsfreiheit des Arbeitgebers eingreifen würde, ins zuzugestehen. Ausgeschlossen erscheint eine solche Regelung gleichwohl nicht.
Fragen im Zusammenhang mit Leiharbeitnehmern bleiben
Schließlich bleibt der Referentenentwurf hinsichtlich der Berücksichtigung von Zeiten der Arbeitnehmerüberlassung bei der Berechnung der Höchstdauer eine Erläuterung schuldig, wie die Zeiten bei nur kurzeitigen Entleihungen (insbesondere tageweise) zu berücksichtigen sein sollen. Und: erlaubt dieses Gesetz es Arbeitgebern tatsächlich, für fünf Jahre oder mehr die persönlichen Daten jedes Leiharbeitnehmers zu speichern, der auch nur kurz im Unternehmen eingesetzt war?
Auf die zutreffende Auskunft eines Bewerbers auf die Frage nach einer früheren Beschäftigung im Unternehmen kann sich der Arbeitgeber jedenfalls nicht verlassen (vgl. den Sachverhalt bei LAG Schleswig-Holstein v. 9.9.2020 – 4 Sa 100/20).
Abschaffung der Haushaltsbefristung
Bislang nicht groß bemerkt wurde, dass der Referentenentwurf mit einer anderen, rechtlich fragwürdigen Befristungsmöglichkeit aufräumen will. Die Haushaltsbefristung soll danach entfallen. Dieser Schritt erscheint überfällig.
Spätestens seit in einem Vorlageverfahren des LAG Köln zum EuGH der dortige Generalanwalt Jääskinen im Oktober 2011 seine Schlussanträge gehalten hat, ist klar, dass dieses Instrument zumindest europarechtlich mit hoher Wahrscheinlichkeit unzulässig ist.
Den öffentlichen Arbeitgeber gleichwohl weiterhin der Verlockung auszusetzen, dieses Instrument zu nutzen, ist unnötig.
Zitiergebot, Quote und Co: Weitere Umsetzung genau beobachten!
Der vorgelegte Referentenentwurf hält sich an die Vereinbarungen des Koalitionsvertrages und bemüht sich, viele danach gestellte Fragen zu lösen. Am Ende bleiben aber hinsichtlich der beabsichtigten Quote für die sachgrundlose Befristung zumindest verfassungsrechtliche Bedenken.
Die gesetzliche Höchstdauer für Befristungen von fünf Jahren ist weder erforderlich noch zielführend, sie muss eher als kontraproduktiv bewertet werden.
In jedem Fall wird das Gesetz, sollte es in dieser oder ähnlicher Form verabschiedet werden, das Befristungsrecht für die Praxis grundlegend verändern.
Arbeitgeber sind gut beraten, sich rechtzeitig insbesondere darauf vorzubereiten, dass sie gegebenenfalls ab Januar 2022 ein Zitiergebot einzuhalten und die Quote sachgrundlos befristeter Arbeitsverträge zu ermitteln und an die Arbeitnehmervertretungen zu übermitteln haben.