Das Thema
Arbeitsminister Hubertus Heil hatte bereits im August das „Arbeit-von-morgen-Gesetz“ angekündigt. Mit dem nun vorgelegten Referentenentwurf (Stand: 4. November 2019) sind erste konkrete Einzelheiten bekannt geworden.
Der Entwurf ist als Erstes Gesetz zur Arbeit von morgen betitelt und lässt eine spätere Fortsetzung erwarten. Die Mehrausgaben für den Bundeshaushalt werden mittelfristig auf jährlich bis zu EUR 125 Mio. und für den Haushalt der Bundesagentur für Arbeit auf jährlich bis zu EUR 672 Mio. geschätzt. Das Gesetz versteht sich als Antwort auf die sich abzeichnende Konjunkturschwäche sowie als Weiterentwicklung des Qualifizierungschancengesetzes, um dem Umbau und dem Strukturwandel infolge der Digitalisierung und der hierdurch bedingten Transformation der Arbeitswelt zu begegnen.
Kurzarbeit und Arbeitszeitreduzierung
Die Bundesregierung soll ermächtigt werden, in Krisensituationen kurzfristig Sonderregelungen einführen zu können. Voraussetzung hierfür ist eine krisenhafte Situation, die für Branchen oder Regionen übergreifend erhebliche Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Arbeitsmarkt hat, auch wenn sie nicht den gesamten Arbeitsmarkt erfasst. Die Bundesregierung kann dann durch Verordnung vorsehen, dass
- die Bezugsdauer des Kurzarbeitergelds von bis zu zwölf auf bis zu 24 Monate verlängert wird,
- die Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung ganz oder teilweise erstattet werden,
- für die Gewährung von Kurzarbeitergeld auf den Einsatz negativer Arbeitszeitsalden ganz oder teilweise verzichtet wird und
- der Anteil der Mitarbeiter, die von Kurzarbeit betroffenen sein müssen, reduziert wird.
Sofort und unabhängig von einer Verordnung der Bundesregierung soll dem Arbeitgeber ein zusätzlicher Anreiz dafür gesetzt werden, dass von Kurzarbeit betroffene Arbeitnehmer an einer förderungsfähigen Weiterbildung teilnehmen, wenn die Arbeitszeit um mindestens 50 % reduziert wird. Dies soll dadurch geschehen, dass dem Arbeitgeber auf Antrag für den jeweiligen Kalendermonat 50 % der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung erstattet werden.
Transfergesellschaft: Bezug von Transferkurzarbeitergeld soll verbessert werden
Die Förderung der beruflichen Weiterbildung während des Bezugs von Transferkurzarbeitergeld in einer Transfergesellschaft soll verbessert werden. Dazu soll die bisherige Beschränkung auf Ältere und Geringqualifizierte aufgehoben und die Förderung auf alle Arbeitnehmer erweitert werden. Es kommen sowohl Maßnahmen der Anpassungsqualifizierung und der beruflichen Eingliederung als auch solche der beruflichen Weiterbildung in Betracht, wenn und soweit sie noch während des Bezugs von Transferkurzarbeitergeld enden.
Maßnahmen zur beruflichen Weiterbildung, die über die Zeit des Bezugs von Transferkurzarbeitergeld hinausgehen, wurden bisher nur zum Nachholen eines Abschlusses in einem Ausbildungsberuf gefördert. Dies wird nicht mehr als zeitgerecht angesehen, da angesichts der Digitalisierung und des sich schnell verändernden Arbeitsmarktes der Qualifizierungsbedarf wächst und auch in anderen Fällen ein Bedarf zur Förderung von Weiterbildungsmaßnahmen über die Dauer des Bezugs von Transferkurzarbeitergeld hinaus besteht. Voraussetzung für die verlängerte Förderung ist, dass die Maßnahme der beruflichen Weiterbildung spätestens drei Monate oder bei länger als einem Jahr dauernden Maßnahmen spätestens sechs Monate vor der Ausschöpfung des Anspruchs auf Transferkurzarbeitergeld beginnt und der Arbeitgeber während des Bezugs von Transferkurzarbeitergeld mindestens 50 % der Lehrgangskosten trägt.
Die allgemeine Voraussetzung, dass der Arbeitgeber mindestens 50 % der Lehrgangskosten trägt, soll für kleine und mittelständische Betriebe mit weniger als 250 Beschäftigten auf 25 % abgesenkt werden. Damit soll es kleineren und mittelständischen Unternehmen erleichtert werden, eine Transfergesellschaft einzurichten und in dieser Qualifizierungsmaßnahmen anzubieten. In Insolvenzfällen soll die Agentur für Arbeit sogar die Möglichkeit haben, einen noch niedrigeren Anteil festzulegen.
Weiterbildung: Transformationszuschuss nach Qualifizierungsplan
Durch das Qualifizierungschancengesetz wurde mit Wirkung zum 1. Januar 2019 die Weiterbildungsförderung für Arbeitnehmer verbessert, deren berufliche Tätigkeiten durch neue Technologien ersetzt werden könnten, die in sonstiger Weise vom Strukturwandel bedroht sind oder die eine Weiterbildung in einem Engpassberuf anstreben.
Die Förderung bezieht sich auf die volle oder teilweise Übernahme der Weiterbildungskosten sowie auf Zuschüsse zum Arbeitsentgelt. Nun sollen die Zuschussleistungen unabhängig von der Betriebsgröße pauschal um 20 Prozentpunkte erhöht werden („Transformationszuschuss“), wenn die beruflichen Kompetenzen von mindestens 10 % der Beschäftigten in den nächsten drei Jahren den betrieblichen Anforderungen voraussichtlich nicht oder teilweise nicht mehr entsprechen, die Betriebsparteien gemeinsam einen Qualifizierungsplan aufgestellt haben und die Bundesagentur für Arbeit die Betriebsparteien hierbei beraten hat.
Wenn kein Betriebsrat existiert, soll der Arbeitgeber den Qualifizierungsplan nach Beratung durch die Bundesagentur allein aufstellen.
Wenn die Weiterbildung gemäß Qualifizierungsplan nicht auf eine weitere Beschäftigung im Betrieb, sondern auf eine Beschäftigung außerhalb des Betriebs gerichtet ist, soll der Zuschuss unabhängig von der Betriebsgröße auf bis zu 75 % erhöht werden („ Perspektivqualifizierung“).
Arbeitslosengeld
Nach Abschluss einer beruflichen Weiterbildungsmaßnahme soll die (Rest-)Dauer des Arbeitslosengelds mindestens drei statt bisher einen Monat betragen. Die Arbeitslosmeldung soll zukünftig auch elektronisch im Fachportal der Bundesagentur für Arbeit möglich sein. Zudem soll auch Videotelefonie für Beratungs- und Vermittlungsgespräche eingesetzt werden können.
Ausbildung: Neuer Rechtsanspruch gegenüber BfA
Es soll ein Rechtsanspruch gegenüber der Bundesagentur für Arbeit auf Förderung einer beruflichen Weiterbildung zur Erreichung eines Berufsabschlusses geschaffen werden. Voraussetzung hierfür soll sein, dass der Arbeitnehmer nicht über einen Berufsabschluss verfügt oder eine Tätigkeit auf Basis eines erworbenen Abschlusses nicht mehr ausgeübt werden kann, er für den angestrebten Beruf geeignet ist, er voraussichtlich erfolgreich an den Maßnahmen teilnehmen wird und er mit dem angestrebten Beruf seine Beschäftigungschancen verbessert. Hiermit sollen die Beschäftigungschancen von Geringqualifizierten erhöht werden, die mit ca. 18 % heute sechsmal häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen sind als Personen mit abgeschlossener Berufsausbildung.
Die 2015 zunächst befristet eingeführte sog. Assistierte Ausbildung soll nun dauerhaft in das SGB III aufgenommen werden. Hiermit sollen die Chancen für Jugendliche ohne Schulabschluss oder mit schlechten Zeugnissen verbessert werden, einen Ausbildungsplatz zu finden und die Ausbildung erfolgreich abzuschließen.
Fazit: Nur finanzielle Förderungen helfen bei anstehender Transformation nicht
Die Erleichterungen und die Ausweitungen für das Kurzarbeitergeld haben während der Finanzkrise in den Jahren 2008 und 2009 bereits gut funktioniert, um qualifizierte Mitarbeiter in betroffenen Unternehmen zu halten. Ob diese und die weiteren Regelungen den Unternehmen helfen werden, die strukturellen Herausforderungen, insbesondere infolge Digitalisierung, Energiewende und E-Mobilität, zu meistern, muss sich noch zeigen.
Zuschüsse für Weiterbildung und Umschulung sind hierfür sicher ein guter Anreiz für Unternehmen, ihre Mitarbeiter für den digitalen Wandel fit zu machen (Anm. d. Redaktion: vgl. auch Qualifizierungsbetriebe auf Grundlage des Qualifizierungschancengesetzes). Die Unternehmen sind gefordert, ihre Geschäftsmodelle anzupassen und hierauf ausgerichtet ihre zukünftige Personalplanung und notwendige Qualifizierungen vorzunehmen. Wenn hierfür Anreize durch Zuschussleistungen der Bundesagentur für Arbeit gesetzt werden, kann dies zu einem guten Gesamtpaket führen, von dem Unternehmen und Mitarbeiter profitieren können. Damit der Wirtschaftsstandort Deutschland weiterhin vorne mitspielen kann, müssen aber auch die weiteren rechtlichen Rahmenbedingungen auf die digitale Transformation ausgerichtet und in die digitale Infrastruktur investiert werden.
Zurzeit liegt noch kein konkreter Zeitplan für das Gesetzgebungsverfahren vor. Es ist aber davon auszugehen, dass zeitnah ein offizieller Gesetzentwurf infolge des Referentenentwurfs eingebracht und vorgestellt wird.
Der Titel des Gesetzes lässt erahnen, dass dem ersten Teil des Arbeit-von-morgen-Gesetzes weitere Teile folgen sollen. Es bleibt zu hoffen, dass die Auswirkungen der Rezession die deutsche Wirtschaft nicht so stark treffen, dass weitere Maßnahmenpakete erforderlich sind.