Das Thema
Die Covid-19-Pandemie hat Deutschland wieder fest im Griff. Viele Unternehmen befinden sich durch den zweiten Lockdown trotz der Corona-Sofort-Hilfen und der Kurzarbeit in einer angespannten wirtschaftlichen Lage.
Mit Blick auf das Jahresende und das dann häufig fällige Weihnachtsgeld bzw. eine Einmalzahlung stellt sich die Frage, ob und wie Weihnachtsgeld und andere Einmalzahlungen in der Corona-Krise ausgesetzt werden können.
Dabei gilt: Sonderzuwendungen können kaum einseitig reduziert oder gar vollständig gestrichen werden. Zu berücksichtigen ist nämlich, wo genau die Sonderzuwendung (wie) geregelt ist, ob diese freiwillig erfolgt und/oder ob diese einem (wirksamen) Vorbehalt unterliegt.
Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, 13. Monatsgehalt: Typische Sonderzuwendungen
Der Begriff Sonderzuwendung erfasst die Gesamtheit von Leistungen, die der Arbeitgeber neben dem Gehalt erbringt. Dies gilt ggf. auch für variable Vergütungen, die hier nicht behandelt werden sollen.
In diesem Beitrag geht es um Weihnachtsgelder, Urlaubsgelder, das 13. Monatsgehalt und sonstige Gratifikationen und jährliche Leistungen. Ob und wie eine solche Leistung ausgesetzt werden kann, hängt von der rechtlicher Grundlage der Sonderzuwendung ab. Häufig sind Sonderzuwendungen einzelvertraglich geregelt. Dabei wird ebenso häufig versucht, die Regelung so auszugestalten, dass der Arbeitgeber (frei) über die Gewährung der Sonderzuwendung entscheiden kann.
Aus den nachfolgenden Gründen ist dies in der Regel nicht möglich.
Widerrufsvorbehalt: Wirksamkeit erfordert genaue Formulierung
Nach dem Grundsatz: „pacta sunt servanda“ (lat. „Verträge sind einzuhalten“) können zugesagte Leistung nicht einseitig gekürzt oder gar gestrichen werden. Der Widerruf zugesagter Leistungen ist nur auf Grundlage eines wirksamen Widerrufsvorbehalts möglich.
Ein wirksamer Widerrufsvorbehalt muss sorgfältig formuliert sein. Insbesondere darf der Widerruf nur aus sachlichen Gründen vorbehalten sein. Diese sachlichen Gründe müssen bereits ihrer Art nach bestimmt sein (z.B. „wirtschaftliche Notlage“). Außerdem darf der unter dem Widerrufsvorbehalt stehende variable Anteil nur 25%-30% des Gesamtentgelts betragen (BAG, 24.1.2017 – 1 AZR 772/14).
Der Widerrufsvorbehalt darf nicht widersprüchlich sein. Häufig gehen Arbeitgeber nach dem Prinzip „doppelt genäht hält besser“ vor. Sie formulieren in etwa so: „die Leistung ist freiwillig und kann jederzeit widerrufen werden.“ Diese Klausel ist nach ständiger Rechtsprechung jedoch insgesamt unwirksam und führt dazu, dass weder der Freiwilligkeitsvorbehalt noch der Widerrufsvorbehalt gilt. Obwohl bei einer „laienhaften“ Betrachtung erkennbar ist, was gewollt ist, ist die Formulierung bei genauerer Betrachtung widersprüchlich. Liegt eine freiwillige Leistung vor, besteht kein Anspruch und damit muss bzw. kann nichts widerrufen werden.
Widerrufsvorbehalt muss Billigkeitskontrolle standhalten
Die Entscheidung des Arbeitgebers muss außerdem billigem Ermessen entsprechen und unterliegt der gerichtlichen Kontrolle (§ 315 Abs. 3 BGB).
Das heißt der Arbeitnehmer kann gerichtlich überprüfen lassen, ob die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers den Widerruf in der konkreten Höhe rechtfertigt. In diesem Zusammenhang wird auch der Zeitpunkt des Widerrufs bedeutsam (BAG, 24.1.2017 – 1 AZR 772/14). Je später der Widerruf erfolgt, desto eher werden die Gerichte die Billigkeit verneinen.
Empfehlenswert dürfte – je nach Höhe des widerrufenen Betrags – sein, möglichst frühzeitig vor Fälligkeit zu widerrufen.
Widerrufsvorbehalt: Mitbestimmung ist zu berücksichtigen
Besteht im Betrieb ein Betriebsrat, kann der Arbeitgeber nicht allein über den Widerruf entscheiden. Er ist grundsätzlich auf die Mitbestimmung des Betriebsrats angewiesen. Im Vorteil sind möglicherweise die tarifgebundenen Arbeitgeber. In diesem Fall hat der Betriebsrat nur im Hinblick auf den übertariflichen Anteil des Entgelts ein Mitbestimmungsrecht. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber bei einem wirksamen Widerrufsvorbehalt übertariflichen Leistungen ggf. streichen kann.
Diese Freiheit hat der nicht tarifgebundene Arbeitgeber nicht. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bezieht sich in diesem Fall auf das gesamte Entgelt. Der Arbeitgeber kann daher nicht mitbestimmungsfrei einen Teil des Entgelts streichen (BAG, 24.1.2017 – 1 AZR 772/14).
Im Falle von Gesamtzusagen kann der Arbeitgeber aber auch dann durch sog. ablösende Betriebsvereinbarungen in das Entgeltsystem von Mitarbeitern eingreifen, wenn deren Arbeitsvertrag keinen wirksamen Widerrufsvorbehalt enthält (vgl. BAG, 30.1.2019 – 5 AZR 450/17). Bei individuell ausgehandelte Sonderzuwendungen fehlt es dagegen am kollektiven Bezug. Eine ablösende Betriebsvereinbarung kommt daher nicht in Betracht.
Was gilt bei freiwilligen Leistungen?
Anders hingegen kann mit (echten) freiwilligen Leistungen verfahren werden. Häufig handelt es sich jedoch bei Leistungen, die als „Freiwillige Leistungen“ bezeichnet werden tatsächlich nicht um freiwillige Leistungen.
Die Formulierung von Freiwilligkeitsvorbehalten im Arbeitsvertrag ist komplex. Klauseln wie „Der Arbeitgeber zahlt freiwillig ein Weihnachtsgeld in Höhe von XX Euro“ führen nicht dazu, dass ein Anspruch ausgeschlossen ist. Die Rechtsprechung sieht hier den Schwerpunkt in der „Zahlung“. Die „Freiwilligkeit“ ist lediglich der (unbeachtliche) Hinweis darauf, dass der Arbeitgeber nicht bereits aus einem anderen Grund zur Zahlung verpflichtet ist. Die gerne gewählte Kombination aus Freiwilligkeitsvorbehalt und Widerrufsvorbehalt ist, wie zuvor bereits beschrieben, ebenfalls unwirksam.
Idealerweise wird eine freiwillige Leistung überhaupt nicht im Arbeitsvertrag erwähnt.
Die Gewährung und Einstellung von freiwilligen Leistungen ist nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ebenfalls mitbestimmungspflichtig.
Keine Regelung von Vorbehalt oder Freiwilligkeit erfordert Änderungskündigung oder Änderungsvertrag
Ist im Arbeitsvertrag weder die Freiwilligkeit noch die Widerruflichkeit wirksam vereinbart, bleibt nur eine einvernehmliche Regelung.
Weigert sich der Arbeitnehmer einen solchen Änderungsvertrag abzuschließen, hat der Arbeitgeber nur noch die Möglichkeit, eine Änderungskündigung auszusprechen. Eine Änderungskündigung zum Zwecke der Gehaltsreduzierung ist jedoch regelmäßig ausgeschlossen. Ausnahmen bestehen ggf. in sog. Sanierungsfällen (vgl. BAG 12.1.2006 – 2 AZR 126/05).
Arbeitgeber erbringt Leistung ohne arbeitsvertragliche Grundlage: Die betriebliche Übung
Selbst wenn der Arbeitgeber die Leistung ohne arbeitsvertragliche Grundlage (freiwillig) erbringt, kann er nach den Grundsätzen der „betrieblichen Übung“ dazu verpflichtet sein, die Leistung auch zukünftig zu erbringen.
Eine betriebliche Übung entsteht, wenn der Arbeitgeber an die Belegschaft oder an Teile davon eine Leistung in gleichförmiger Weise mindestens dreimal erbracht hat, ohne sich dabei die Freiwilligkeit (ausdrücklich) vorzubehalten. Diese gleichförmigen Leistung stellt ein Angebot zur Änderung des Arbeitsvertrages dar, welches der Arbeitnehmer stillschweigend durch Entgegennahme der Leistung annimmt.
Die betriebliche Übung kann dadurch verhindert werden, dass bei jeder Zahlung die Freiwilligkeit der Leistung ausdrücklich vorbehalten wird. Eine weitere Möglichkeit besteht in der sog. doppelten Schriftformklausel im Arbeitsvertrag, also einer Klausel, welche die Schriftform vorschreibt und selbst auch nur schriftlich abgeändert werden kann. Aber Vorsicht, auch diese muss exakt formuliert sein um ihre Wirkung zu entfalten. Insbesondere muss beachtet werden, dass die Klausel nicht auch mündliche Individualabsprachen im Sinne von § 305b Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erfasst.
Die betriebliche Übung kann daneben durch einen Änderungsvertrag oder eine Änderungskündigung gegenüber dem einzelnen Arbeitnehmer beendet werden. Ebenso ist eine ablösende Betriebsvereinbarung möglich.
Auch eine Betriebsvereinbarung kann Sonderzuwendung regeln
Eine Sonderzuwendung kann auch in einer Betriebsvereinbarung geregelt sein. Dies ist ab er nur zulässig, wenn diese nicht bereits durch einen Tarifvertrag geregelt ist (§ 87 Abs. 1 BetrVG).
Bei einer Kündigung der Betriebsvereinbarung ist die Nachwirkung (§ 77 Abs. 3 BetrVG) zu beachten. Besser ist es, mit dem Betriebsrat eine Neuregelung zu vereinbaren. Auch der Betriebsrat sollte ein Interesse daran haben, dass das Unternehmen langfristig besteht und er sollte dementsprechend zu Zugeständnissen bereit sein.
Ein Verzicht der Mitarbeiter auf die Leistung ist möglich, bedarf jedoch der Zustimmung des Betriebsrats (§ 77 Abs. 4 Satz 2 BetrVG).
Regelungen in einem Tarifvertrag
Ist die Sonderzuwendung in einem Tarifvertrag geregelt, kann eine Zahlung nur unter etwaigen in dem Tarifvertrag vorgesehenen Voraussetzungen reduziert oder ausgesetzt werden.
Ein Verzicht der Mitarbeiter auf eine tarifliche Leistung ist nur mit Zustimmung der Tarifparteien möglich (§ 4 Abs. 4 Tarifvertragsgesetz).
Die Auswirkungen von Kurzarbeit auf Sonderzuwendungen
Die Einführung von Kurzarbeit führt in der Regel nicht zu einer Reduzierung von Sonderzuwendungen.
Nur wenn die Zusage ausdrücklich dahingehend ausgestaltet ist, können Sonderzuwendungen reduziert werden.
Reduzierung oder Streichung von Sonderzuwendungen gestaltet sich schwierig
Sonderzuwendungen können kaum einseitig reduziert oder gar vollständig gestrichen werden. Nur wenn die Regelung selbst bereits eine Reduzierungsmöglichkeit enthält, kommt eine Anpassung in Betracht.
Wurde die Sonderzuwendung jedoch vorbehaltlos ausgestaltet oder – wie so oft – mit unwirksamen Vorbehalten versehen, ist es grundsätzlich nicht möglich, die Sonderzuwendung zu kürzen oder einzubehalten.
Eine Ausnahme kommt in Betracht, wenn ein sog. Sanierungsfall vorliegt und ohne die Reduzierung der Sonderzuwendung ein (massiver) Stellenabbau bzw. eine Schließung unvermeidlich wäre. Daneben besteht ein möglicher Ausweg nur in der ablösenden Betriebsvereinbarung mit Unterstützung des Betriebsrats.