Eine andere Arbeit traute man ihm angeblich nicht zu
„Wer die Hölle fürchtet, kennt das Büro nicht“. So lautet der Titel eines Buchs, das ein Betriebsratsmitglied eines Küchenmöbelherstellers geschrieben hat. Darüber wurde im #EFAR bereits berichtet (abrufbar hier). Was nach diesem Buchtitel als Normalfall erscheint, ist glücklicherweise keiner. Aber es finden sich leider immer wieder Situationen im Arbeitsleben, in denen Beschäftigten das Leben zur Hölle gemacht wird. So wie in einem Fall, den das Landesarbeitsgericht Köln (7 Sa 1597/04) entschieden hat.
Ein Unternehmen hatte einem Kundendienstmitarbeiter die Entgeltzahlung verweigert, weil dieser angeblich weder gearbeitet noch seine Arbeitskraft angeboten hat. Zwar sei der Mitarbeiter im Büro erschienen. Der Anweisung des Betriebsleiters, Firmen, die als Kunden in Betracht kommen könnten, aus dem Telefonbuch herauszuschreiben, sei er aber nicht nachgekommen. Diese Tätigkeit habe man ihm zugewiesen, da man ihm keine andere Arbeit mehr zutraute.
Der Beschäftigte habe die Erfüllung dieser Aufgabe aber verweigert und „durch Geräusche zu provozieren begonnen“. Innerhalb von 1,5 Stunden sei er drei Mal auf die Toilette gegangen. Daher wurde er in den Büroräumlichkeiten eingeschlossen, die Toilette durfte er nur noch in Begleitung des Betriebsleiters aufsuchen. Nachdem der Beschäftigte auf sein Verlangen hin eine schriftliche Arbeitsanweisung bekam, verließ er nach Angaben seines Arbeitgebers unter Beleidigung des Betriebsleiters das Büro.
Schikanöse Anweisung
Der Prozessbevollmächtigte des Unternehmens forderte ihn nach diesem Vorfall schriftlich auf, seiner Arbeit nachzukommen. Das brachte aber nichts, weil sich der Mitarbeiter daraufhin krankmeldete. Und dass er krank war, belegte er durch eine ärztliche Bescheinigung. Die erschien dem Unternehmen aber wohl nicht glaubwürdig. Jedenfalls führte es im Prozess an, dass die Krankheit den Arbeitnehmer nicht daran gehindert habe, nach Mallorca zu reisen – eine Behauptung, die der Beschäftigte bestritt.
Mit diesem Vorbringen hatte das Unternehmen schon vor dem Arbeitsgericht Siegburg (6 (1) Ca 37788/03) keinen Erfolg. Und auch das Landesarbeitsgericht Köln machte kurzen Prozess. Es wies darauf hin, dass es unstreitig sei, dass der Arbeitnehmer ordnungsgemäß seine Arbeitskraft angeboten hat. Der Arbeitgeber hätte dann seine Mitwirkungspflicht erfüllen müssen. Dieser Pflicht, so das Gericht, wird er „jedoch nicht schon dadurch gerecht, dass er dem Arbeitnehmer irgendeine beliebige Arbeitsanweisung erteilt, sondern die zugewiesene Arbeit und der zugewiesene Arbeitsplatz müssen auch den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen entsprechen und darüber hinaus mit den allgemeinen Regeln des (Arbeits-) Rechts in Einklang stehen.“
Das war hier nicht der Fall. „Zu den arbeitsvertraglichen Pflichten eines Kundendienstmitarbeiters im Innen- und Außendienst gehört nicht das teilweise Abschreiben von Telefonbüchern“, führte das Landesarbeitsgericht aus. Und es machte deutlich, dass die Anweisung „ersichtlich schikanösen Charakter“ hatte.
Krank geschrieben ist krank geschrieben
Auch die Vorgaben zu den Toilettengängen waren ein „no go“. Ein Arbeitnehmer muss es sich nicht „bieten (…) lassen, in den Büroräumlichkeiten eingeschlossen zu werden und nur unter Begleitung des sogenannten Betriebsleiters die Toilette aufsuchen zu dürfen“, stellte das Gericht klar.
Und wenn der Mitarbeiter krank war, dann muss der Arbeitgeber eben Entgeltfortzahlung leisten. Die Behauptung, der Beschäftigte sei trotz Krankheit nach Mallorca gefahren, reiche nicht aus, um diesen Anspruch zu verweigern. „Wenn der Beklagte mit dieser Bemerkung den Beweiswert einer vom Kläger vorgelegten ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hätte erschüttern wollen, so hätte er diese seine Behauptung nicht nur substantiieren, sondern auch unter Beweis stellen müssen.“ Und das hat der Arbeitgeber nicht.
Nach alledem, so das Landesarbeitsgericht, “musste” die Berufung des Arbeitgebers „erfolglos bleiben“. Das stimmt! Und man kann nur hoffen, dass ihm diese Niederlage höllisch weh tat.
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