Das Thema
Die Bundestagswahl sowie zwei aktuelle Urteile der Landesarbeitsgerichte Nürnberg vom 11.08.2017 (6 Sa 76/17) und Berlin-Brandenburg vom 25.09.2017 (10 Sa 899/17) in Kündigungsschutzsachen haben uns dazu geführt, die Grenzen bei politischer Betätigung im Arbeitsverhältnis aufzuzeigen. Voranzustellen ist, dass auch das Arbeitsverhältnis kein politikfreier Raum ist und Gespräche unter Kollegen nicht Gegenstand der folgenden Abhandlung sind, jedoch bei Störungen des Betriebsfriedens durch innerbetriebliches Verhalten individualrechtliche Sanktionen bis zur außerordentlichen Kündigung drohen.
Das Spannungsfeld liegt zwischen dem Grundrecht der Meinungsfreiheit gem. Art. 5 GG, welches auch politische Ansichten umfasst, sowie den berechtigten Arbeitgeberinteressen in Gestalt der Loyalität und Rücksichtnahme, welche gegeneinander abgewogen werden müssen. Weitere Einschränkungen der Meinungsfreiheit gibt es bei den sog. Tendenzbetrieben gem. § 118 BetrVG, z.B. bei kirchlichen Arbeitgeber im Pflegebereich, Presse & Rundfunk, Gewerkschaften, etc. Hier sind die Arbeitnehmer verpflichtet, Meinungen zu unterlassen, die der Tendenz – z.B. politische Ausrichtung einer Zeitung – zuwiderlaufen. Zu den Grenzlinien und Handlungsempfehlungen im Folgenden:
Rechtlicher Rahmen einer Kündigung bei politischer Betätigung im Arbeitsverhältnis
Nach Artikel 5 I 1 GG hat jeder das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten. Dieses Recht schützt nicht nur Jedermann vor Eingriffen des Staates; auch der Arbeitnehmer ist in seiner freien Meinungsäußerung im Arbeitsverhältnis geschützt (vgl. BAG vom 24.11.2005 – 2 AZR 584/04). Beschränkt wird dieses Recht durch die wechselseitigen Pflichten zur Rücksichtnahme (§ 241 I BGB) sowie Loyalität im Arbeitsverhältnis. Daraus folgt, dass die politische Meinung oder Handlung des Mitarbeiters nicht dazu führen darf, das Zusammenleben im Betrieb ernsthaft zu stören oder den Interessen des Betriebes zuwiderzulaufen.
Die aktuellen Urteile der Landesarbeitsgerichte
Aktuell auseinandersetzen mussten sich die Landesarbeitsgerichte Nürnberg (Urteil vom 11.08.2017 – 6 Sa 76/17) und Berlin-Brandenburg (Urteil vom 25.09.2017 – 10 Sa 899/17) mit Kündigungen aufgrund politischer Betätigung bzw. Lektüre „am rechten“ Rand. Sie kamen dabei zu unterschiedlichen Ergebnissen:
1. Ein Omnibusfahrer als Redner der Bürgerinitiative “Die Rechte”
Das LAG Nürnberg (a.a.O.) erklärte die fristlose sowie hilfsweise ordentlich ausgesprochene Kündigung gegenüber einem Omnibusfahrer für unwirksam, welcher zumindest zeitweilig mit sichtbarem Dienstausweis als Redner der Bürgerinitiative „Die Rechte“ auftrat. Die Initiative wurde offenbar vom Verfassungsschutz beobachtet, war jedoch nicht verboten. Der Vorfall fand sich in der Presse wieder und der Arbeitgeber kündigte. Im Prozess eskalierte der Streit weiter und aktenkundig ist u.a. die Äußerung, „…die Vorstände der Beklagten hätten ihn erschießen lassen, „wenn wir in einem anderen Land leben würden“. Das Gericht hob die Kündigung trotzdem auf. Zutreffend zum Pflichtverstoß führt es aus:
Diese Verpflichtung zur Rücksichtnahme besteht nicht nur während des Dienstes, sondern auch für außerdienstliches Verhalten von Mitarbeitern, wenn Interessen des Arbeitgebers beeinträchtigt werden. Mit dem sichtbaren Tragen des Dienstausweises hat der Kläger daher gegen seine Loyalitätspflichten gegenüber der Beklagten verstoßen. Er hat durch das sichtbare Tragen des Dienstausweises auf einer Kundgebung „Die Rechte“ die Beklagte mit den Ansichten und Parolen dieser Gruppierung in Verbindung gebracht.
Im Ergebnis hat es sich nach Auffassung des Gerichts jedoch um außerdienstliches Verhalten gehandelt und eine Abmahnung wäre ausreichend gewesen. Eine Abmahnung wegen eines ähnlichen Falles hatte der Arbeitgeber bereits zuvor ausgesprochen. Diese war jedoch aufgrund kollektiver Regelungen nach zwei Jahren wieder aus der Personalakte zu entfernen – also mittlerweile gegenstandslos. Hieraus folgerte das Gericht stringent, dass der Arbeitnehmer für das mildere Mittel „Abmahnung“ zugänglich sei, da er ja zwei Jahre keine einschlägigen Pflichtverstöße begangen habe. Auch der Auflösungsantrag des Arbeitgebers gem. § 9 S. 2 KSchG scheiterte. Das Gericht führt hierzu aus:
„Sein Verhalten im Prozess und während des Prozesses wie auch sein Vorbringen in den Schriftsätzen ist teilweise nicht mehr durch das Recht auf freie Meinungsäußerung oder durch die Wahrnehmung berechtigter Interessen – notfalls in scharfer Form – gerechtfertigt. Dies gilt insbesondere für seine unstreitige Äußerung in der Güteverhandlung, die Vorstände der Beklagten hätten ihn erschießen lassen, „wenn wir in einem anderen Land leben würden“. … Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses kommt aber nur in Betracht, wenn eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit nicht zu erwarten ist.“
Die negative Prognose hinsichtlich der zukünftigen Zusammenarbeit konnte der Arbeitgeber trotz offenkundiger Pflichtverletzungen nicht erbringen. Im Ergebnis war die Kündigung unwirksam, die Auflösung ungerechtfertigt und der Arbeitnehmer muss weiterbeschäftigt werden.
2. Bezirksamtsmitarbeiter liest im Pausenraum “Mein Kampf”
Das LAG Berlin-Brandenburg (a.a.O.) bestätigte hingegen eine verhaltensbedingte ordentliche Kündigung eines Bezirksamtsmitarbeiters ohne vorherige Abmahnung, der während der Arbeitszeit im Pausenraum des Dienstgebäudes die Originalausgabe von Adolf Hitlers “Mein Kampf“ mit einem eingeprägten Hakenkreuz gelesen hatte. Der Pressemitteilung des LAG ist zu den Gründen bereits zu entnehmen, „der Mitarbeiter trete in Uniform als Repräsentant des Landes Berlin auf und sei in besonderer Weise verpflichtet, jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten. Er habe mit dem öffentlichen Zeigen des Hakenkreuzes, eines verfassungswidrigen Symbols, in besonderer Weise gegen diese Verpflichtung verstoßen. Eine Abmahnung sei bei diesem schwerwiegenden Verhalten entbehrlich und es könne zum Anlass für eine ordentliche Kündigung sein.“
Die vollständigen Urteilsgründe des LAG Berlin-Brandenburg stehen zwar noch aus, aber erste Gründe für die unterschiedliche Beurteilung können bereits herausgearbeitet werden:
Der Verstoß des Bezirksamtsmitarbeiters wird innerbetriebliches bzw. dienstliches Verhalten gewesen sein. Er trug während der Lektüre die Dienstuniform, befand sich im Pausenraum des kommunalen Arbeitgebers und lediglich in einer kurzzeitigen Arbeitsunterbrechung (Ruhepause, § 4 ArbZG). Im Gegensatz zum Arbeitnehmer im Verfahren des LAG Nürnbergs, welcher eine noch-verfassungsgemäße Initiative unterstützt, hatte der gekündigte Bezirksamtsmitarbeiter ein eindeutig verfassungsfeindliches Symbol verwendet. Weiterhin obliegt Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes die Pflicht, sich durch ihr Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu bekennen (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 2 TV-L). Dieser besonderen Pflicht oblag der Mitarbeiter des privaten Verkehrsunternehmens nicht.
Handlungsempfehlungen für die betriebliche Praxis
Arbeitgebern ist zu raten, den Betriebsfrieden gefährdende politische Betätigungen – insb. verfassungsfeindlicher Art – strikt zu ahnden. Er sollte vorher jedoch genau prüfen, ob es sich um dienstliches oder außerdienstliches Verhalten handelt und er muss zwingend gute Argumente zur (zukünftigen) Störung des Betriebsfriedens vorbringen. Welche Sanktionsschärfe (Abmahnung, Kündigung) gewählt wird, sollte genau geprüft werden, um nicht wie der Arbeitgeber in Nürnberg in einem „öffentlichen“ Prozess zu unterliegen. Der verlorene Kündigungsschutzprozess kann jedoch grundsätzlich in eine Abmahnung umgedeutet werden (BAG, Urteil vom 31.08.1989 – 2 AZR 13/89), so dass auch eine „Risikokündigung“ – bei vorheriger interner Kommunikation! – eine echte Handlungsalternative für den Arbeitgeber ist.
Das Internet mit seiner Reichweite und Vermischung von Privat- und Arbeitssphäre hat nochmal zur Erhöhung dieser arbeitsrechtlichen Streitigkeiten geführt. Politische Arbeitnehmer sollten ihr Engagement grundsätzlich vom dienstlichen Verhalten trennen und jedenfalls leichtfertige Kommentare über Facebook bei Bezug zum Arbeitgeber, z.B. einem Profilfoto in Dienstkleidung, oder in beruflichen Netzwerken vermeiden.
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